28-Jährige aus dem Raum Dillingen hat ihr drei Wochen altes Baby schwer misshandelt
Anfang Januar 2022. In der Kinderklinik Heidenheim wird ein rund drei Wochen junges Mädchen aufgenommen. Der Säugling hat Hämatome an den Backen, auf beiden Seiten sind mehrere Rippen gebrochen. Auch das Lippenbändchen der Oberlippe ist verletzt. Schuld an alledem soll die Mutter des Kindes sein, eine heute 28-jährige Frau aus dem Landkreis Dillingen. Sie stand nun vor Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und versuchter Körperverletzung. Zu Beginn der Verhandlung stellt der Staatsanwalt klar: Das Baby hätte auch tot sein können.
Mindestens zweimal wurde die Mutter gegenüber ihrem Kind wohl übergriffig. Einmal zu Hause, einmal im Krankenhaus. Laut Anklage hat die Frau eine Babyflasche so fest in den Mund des Kindes gedrückt, dass das Lippenbändchen riss. Von Zwangsernährung ist die Rede, weil das Kind nicht trinken wollte. Im Krankenhaus soll sie die Backen des Kindes so fest zusammengedrückt haben (wohl um dessen Mund zu öffnen), dass sich Hämatome bildeten. Wann genau es zu den Verletzungen kam, ist nicht ganz geklärt. Was jeweils genau passiert ist, bleibt ebenfalls im Vagen. Die Frau selbst legt über ihre Anwältin Elisabeth Hößler ein umfassendes Geständnis ab, ohne Details nennen zu lassen.
Die Angeklagte leidet unter Depressionen
Der Fall ist von Anfang an tragisch: Die Angeklagte, so ist vor Gericht zu erfahren, verlor mit drei Jahren ihre Eltern, landete in der dritten Klasse im Kinderheim, dann ging sie zur Sonderschule. Eine Ausbildung brach sie ab. Der forensisch-psychiatrische Sachverständige Fabian Lang geht von einer Lernbehinderung aus. Intelligenzgemindert sei sie aber nicht. Außerdem leide die Angeklagte unter wiederkehrenden Depressionen, war bereits als Jugendliche in Behandlung. Drei Monate vor der Geburt ihres dritten Kindes kehrten die Depressionen zurück.
Im Zeugenstand sagt auch der Ehemann und Vater der drei kleinen Kinder aus. Er beschreibt seine Frau als lebensfroh und herzlich. Doch drei Monate vor Ende der Schwangerschaft habe sie sich geändert. “Sie war nicht sie selbst”, beschreibt er. Sie sei launisch gewesen, habe unter Schmerzen gelitten, sich mehr und mehr zurückgezogen. Nach der Geburt habe das Kind viel geweint, war unruhig und wollte sich nicht füttern lassen. Für die heute 28-Jährige so kurz nach der Geburt, angesichts hormoneller Umstellung und der Depressionen, ein schier unüberwindbarer Kraftakt. Sie habe keinen Antrieb gehabt, sich innerlich leer gefühlt, keine Liebe für das Kind empfunden, Angstzustände gehabt, erklärt der Sachverständige. Trotzdem habe sie es geschafft, sich um den Haushalt zu kümmern. Deshalb geht Lang “nur” von einer mittelschweren depressiven Episode aus.
Das Mädchen lebt heute im Kinderheim
Die Frau befand sich laut des Sachverständigen sozusagen in einer Zwickmühle: Im Kampf gegen die Depressionen nahm sie vor der Schwangerschaft Medikamente ein. Um das Kind nicht zu gefährden, wurden diese dann abgesetzt. Wie Lang erklärt, kann es nach dem Absetzen von sogenannten Stimmungsaufhellern allerdings erneut zu depressiven Episoden kommen. Es sei also gut möglich, dass das Absetzen der Medikamente die Depression gefördert habe. Und die wiederum könnte Einfluss auf das gehabt haben, was danach passiert ist. Als die Frau zum ersten Mal schwanger war und Zwillinge bekam, ging alles gut. Eine Assistenzärztin der Rechtsmedizin Ulm, die das Kind untersucht hat, erklärt in Dillingen, wie die Verletzungen zu bewerten sind. Sie beschreibt, mit welch unglaublicher Kraft die Mutter auf ihr Baby eingewirkt haben muss, um so viele Rippen zu brechen: Der Brustkorb eines Säuglings sei sehr flexibel. Selbst bei Reanimationen, bei denen der Körper oft um ein Drittel zusammengedrückt werde, brächen die Rippen nur sehr selten. Und dann auch nur einzelne. Sie geht von einer “hohen Gewalteinwirkung” aus. Allerdings habe keine akute Lebensgefahr bestanden. Dem Kind gehe es heute wieder gut, heißt es vor Gericht. Es lebt in einem Kinderheim, die Mutter darf es einmal die Woche mit Begleitung sehen. Bleibende Schäden habe das Mädchen nicht davongetragen.
Die Kinder darf sie nur mit Begleitung sehen
Die Mutter selbst spricht während der Verhandlung kaum. Sie betont zweimal, dass ihr alles sehr leid tue. Sie mache sich große Vorwürfe. Nach dem Vorfall war sie in einem Bezirkskrankenhaus in Behandlung, geht zudem zum Psychologen und zum Psychiater. Die Zwillinge, die noch bei den Eltern leben, darf sie seitdem nur mit Begleitung sehen. Sie wolle ihr Kind zurück. Doch das wird dauern. Richterin Gabriele Held geht am Ende davon aus, dass die Angeklagte “in der Gesamtschau” nur eingeschränkt schuldfähig sei. Sie habe einen schwierigen Lebensweg hinter sich, allerdings habe die Mutter mit ihrer Tat ihre eigene Kindheit auf ihre Tochter projiziert. Außerdem habe sie gewusst, dass sie sich Hilfe holen könne, dies aber nicht getan. Zwei Jahre und acht Monate muss sie nun in Haft. Ohne Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Vater der Kinder verfolgt den Prozess nach seiner Aussage aufmerksam. Als das Urteil gefallen ist, starrt er nur ins Leere.