Wegen Waffenhandels vor Gericht

Angeklagter aus Neresheim trägt rassistische Einstellung offen zur Schau

Ein Ehepaar aus Neresheim ist wegen mutmaßlichem Waffenhandel vor dem Ellwanger Landgericht angeklagt. Im Prozess kommen Fragen zum Waffenrecht und zur politischen Einstellung der beiden zur Sprache.

Es kam beinahe einem spirituellen Mantra gleich, was Staatsanwalt Roman Géronne am Donnerstag im Ellwanger Landgericht vorzutragen hatte. 114 Einzelfälle las der Vertreter der Staatsanwaltschaft Stuttgart in seiner Anklage vor, in 110 davon geht es um praktisch gleichartige Fälle von mutmaßlichem Waffenhandel. Aber auch der Besitz eines möglicherweise kinderpornografischen Bildes steht im Raum.

Auf der Anklagebank sitzt ein Ehepaar, das zuletzt in Neresheim gewohnt hat. Dem Paar wird zur Last gelegt, den überwiegenden Teil der Taten gemeinsam begangen zu haben. Sie sollen ab 2017 einen Internet-Handel betrieben haben, über den sie Waffenteile verkauften, vor allem sogenannte Laufbündel.

Während die Anklage darin einen Verstoß gegen das Waffenrecht sieht, weil man diese aus Stahl gefertigten Läufe mit etwas handwerklichem Geschick „scharf“ machen könne, winkt die Gegenseite ab. Man habe lediglich die Begehrlichkeiten einer kleinen Sammlerszene bedient, legt der 48-jährige Angeklagte dar. Die Läufe sollten Schreckschusswaffen dazu verhelfen, möglichst exakt wie echte Waffen des Typs Colt Derringer auszusehen. Um diese „Dekowaffen“ tatsächlich scharfzumachen, brauche es seiner Meinung nach vertieftes technisches Verständnis. Er selbst habe das versucht und dazu eine Drehbank benötigt. Nennenswerte Summen habe man damit auch nicht verdient.

Der 48-Jährige wurde 2023 zu zwei Jahren Haft verurteilt

Der Mann ist der Justiz nicht unbekannt. Im März 2023 wurde er zuletzt vom Amtsgericht Ellwangen zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, die er derzeit absitzt. Der Vorwurf damals: Waffenhandel. Schon damals bezeichnete sich der Mann als „bekennender Nationalsozialist“, eine Auffassung, die er vor der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts offenbar gerne wiederholt.

Allzu große Kenntnisse der Chiffren der rechtsextremen Szene braucht es allerdings nicht, um ihm die politische Gesinnung anzusehen: Der Angeklagte trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Racist Germany“, dazu eine Flecktarnhose. Er agiere gegen „die Zerstörung der weißen Rasse“. Sein Verteidiger Gerhard Jung wird in der Sitzung mehrmals von „Gesinnungsstrafrecht“ sprechen.

Der 48-Jährige scheint ein eigenes Rechtsverständnis zu pflegen. Er gibt an, im „deutschen Reich“ zu leben, übt sich in Selbstjustiz, um mutmaßliche pädophile Straftäter zu jagen, und sieht sich unter anderem deshalb als unschuldig, weil er mit scharfen Waffen ja mehr Geld hätte verdienen können.

Es geht ja nicht um den Verkauf von Klopapier.

Jochen Fleischer, Vorsitzender Richter

Der ersten Verhandlung am Ellwanger Amtsgericht im August 2022 hatte sich der Mann entzogen, über Monate blieb er untergetaucht. Erst im Februar 2023 wurde er in Bissingen im Landkreis Dillingen ausfindig gemacht, wo er bei einem „Kumpel“ im Keller lebte. Aufsehen erregte die Festnahme seinerzeit deshalb, weil massive Polizeikräfte teils mit gepanzerten Fahrzeugen auch durch den Landkreis Heidenheim fuhren. Bei der Festnahme hatte der Angeklagte unter anderem Armbrüste und scharfe Patronen bei sich. In der damaligen Verhandlung gab er an, er habe sich wegen einer „politisch motivierten Hetzjagd“ vor den Behörden versteckt.

Ehefrau kümmerte sich um die Buchhaltung

Seine 33-jährige Ehefrau steht vor allem deshalb vor Gericht, weil sie im gemeinsamen Webshop die Buchhaltung erledigte. Auch sie bezeichnet sich als Nationalsozialistin, „aber das hat nichts mit dem Fall zu tun“. Ihr Verteidiger Matthias Bauerfeind sekundiert: „Es geht nur um die Gesinnung, die aus der Tat spricht.“ Der Vorsitzende Richter Jochen Fleischer erwidert: „Es geht ja nicht um den Verkauf von Klopapier.“ Die Gesinnung eines Straftäters sei durchaus relevant, so Fleischer.

Die Waffenteile, die der Angeklagte jeweils auf Bestellung fertigen ließ, habe er „ohne Ansehen der Person verkauft“. Er habe sich aber am Telefon davon überzeugt, dass es sich bei seinen Kunden nicht um „Gangster“ handelte. Die Liste der Käufer umfasst praktisch ausschließlich Männer mit deutschen Namen.

Fünf Verhandlungstage geplant

Für die Verhandlung am Landgericht waren zunächst fünf Verhandlungstage vorgesehen. Bereits beim Prozessauftakt am Donnerstag einigte man sich jedoch darauf, auf einen Teil der sechs geladenen Zeugen zu verzichten. Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.

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