Besonderer Fund: Aus einem Eiszeit-Pferd wird ein Bär
Ein neu gefundenes Elfenbeinstück hat der Welt zu einer neuen steinzeitlichen Tierfigur verholfen – der eines Bären. Diese Figur setzt sich aus insgesamt fünf kleineren Bruchstücken zusammen. Das markanteste dieser Bruchstücke war bisher als äußerst seltenes Pferdekopf-Kunstwerk der Altsteinzeit bekannt. Durch den neuen Fund erscheint der Kopf in neuem Zusammenhang. Für Professor Nicholas Conard von der Abteilung Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen ist das vor 35.000 Jahren geschnitzte Kunstwerk eine Sensation – für ihn ist die Deutung aufgrund des nun sichtbaren Körpers stimmig: „Die Figurine hat einen massigen Körper, zeigt den typisch ausgeprägten Bärenbuckel in Schulterhöhe und präsentiert sich in einer Körperhaltung, die den trottenden Gang eines Bären nachahmen könnte.“
Nur wenige Bären-Darstellungen aus der Altsteinzeit bekannt
Weltweit gibt es überhaupt nur drei Bären-Darstellungen aus der Altsteinzeit – und keine so wie die jetzt zusammengefügte, obwohl Höhlenbären in jener Zeit sehr häufig vorkamen, berichtete Conard jetzt bei der Präsentation des „Funds des Jahres“ im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren. Dass der bei einer Grabung 1999 im Hohle Fels gefundene Pferdekopf tatsächlich zu der Bärenfigur gehört, lasse sich vor allem wegen der ganz feinen, parallel verlaufenden Linien auf den Elfenbein-Bruchstücken und an ihren Biegungen beweisen, erläuterte Conard.
Im vergangenen Sommer hatte der Schelklinger Archäologe Rudolf Walter das entscheidende Schulter- und Brust-Stück des Bären bei einer Grabung im Hohle Fels entdeckt: „Es war der erste Tag und ich habe eigentlich nicht viel erwartet. Dann aber habe ich die bearbeitete Elfenbein-Oberfläche gesehen und es war gleich klar: Das ist was Besonderes“, berichtete Walter.
Dass das neue große Elfenbein-Fundstück zu dem Pferdekopf passen könnte, fiel Ralf Ehmann auf, der seit vielen Jahren alle Funde der Tübinger Archäologen zeichnet und sie deshalb besonders gut kennt.
Der aktuelle Fund von Rudolf Walter ist knapp vier Zentimeter lang, 2,49 Zentimeter hoch und 0,55 Zentimeter dick und auf einer Seite mit mehreren feinen, bewusst gravierten Linienmustern versehen. Kurz nach der Ausgrabung im vergangenen Jahr wurde das Stück als rechte Schulter und Brustkorb des Tiers erkannt und dem Kopf angefügt. Ein weiterer kleiner Teil der rechten Körperseite konnte wenig später anhand seiner Gravuren ausfindig gemacht werden. Bei anderen Teilen der Bärenfigur handelt es sich um die Backe und um das linke Vorderbein des Bären.
Andere Forscher sehen bei der Tierfigur vom Hohle Fels Ähnlichkeiten zu Höhlenlöwen
Es gebe aber auch Kollegen, die der Figur anatomische und physiognomische Eigenschaften eines Höhlenlöwen zuschrieben, räumte Professor Conard ein: „Es ist keineswegs immer einfach, eiszeitliche Darstellungen verbindlich zu bestimmen, besonders wenn sie so bruchstückhaft erhalten sind. Daher bleibt es sinnvoll, in den kommenden Jahren besonders aufmerksam nach den fehlenden Teilen dieses Tiers zu suchen.“ Die Grabungen im Hohlen Fels laufen jedenfalls weiter: „Nirgendwo sonst kann man so wenig investieren und es kommt so viel für die Allgemeinheit, für Erkenntnis am Weltkulturerbe heraus.“
Ausgestellt wird die aus fünf Teilen zusammengefügte Bären-Elfenbeinfigur jetzt wieder im Urgeschichtlichen Museum (Urmu) – neben anderen steinzeitlichen Kunstwerken wie der Venus vom Hohlen Fels. Öffnungszeiten des Urmu: Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10 bis 17 Uhr.