Rückbau im KKW

Das gesamte Atomkraftwerk landet in kleinen Kisten

Das stillgelegte Kernkraftwerk Gundremmingen wird zurückgebaut. Mit welchen Kosten und welcher Masse der Konzern RWE rechnet und wie der Stand der Dinge ist:

Das gesamte Atomkraftwerk landet in kleinen Kisten

Die Grundfläche der Metallkiste entspricht der einer Europalette: 120 Zentimeter lang, 80 Zentimeter breit. Die Höhe liegt bei 80 bis 100 Zentimetern. Nicht unbedingt beeindruckende Maße. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das gesamte, stillgelegte Atomkraftwerk Gundremmingen so kleinteilig zerlegt werden muss, dass das Material jeweils in eine dieser Kisten passt. Nur so kann es freigemessen – eine Prüfung, ob die Radioaktivität unter dem gesetzlichen Grenzwert liegt – und dann wiederverwertet oder entsorgt werden. Der Energieversorger RWE geht von einer Rückbaumasse von 1,8 Millionen Tonnen aus. 95 Prozent davon können laut Unternehmen ganz normal als Wertstoffe, etwa Stahl und Beton, wiederverwendet oder als Abfälle entsorgt werden, weil sie nie mit Radioaktivität in Kontakt gekommen sind. 11.500 Tonnen (0,6 Prozent) machen die leicht- und mittelradioaktiven Stoffe aus. Hochradioaktive Abfälle lagern in Castorbehältern in einem Zwischenlager auf dem Werksgelände.

2024 wird ein Lager für leicht- und mittelradioaktive Abfälle gebaut

„Alles, das ganze AKW Gundremmingen, wird in diese Kisten gepackt“, erklärt Anlagenleiter Heiko Ringel bei einem Pressegespräch, in dem über den aktuellen Stand des Rückbaus informiert wird. „Und alles wird geprüft. Jede Schraube, jede Unterlegscheibe.“ Block B wurde Ende 2017 abgeschaltet, Block C Ende 2021. Block A ging schon 1977 nach einem Störfall vom Netz. Er beherbergt eine Rückbaufabrik für das Kernkraftwerk. Im kommenden Jahr beginnt der Bau eines Lagers für leicht- und mittelradioaktive Abfälle. Diese sollen später in das ehemalige Bergwerk Schacht Konrad gebracht werden, sobald das Endlager seinen Betrieb aufgenommen hat. „2029 soll es soweit sein“, sagt Ringel.

Und alles wird geprüft. Jede Schraube, jede Unterlegscheibe.

Heiko Ringel, Anlagenleiter

Seit September 2022 ist Block B frei von Brennelementen, bis August 2023 werden zwölf Castor-Behälter ins Standortzwischenlager gebracht. In Block C ist der Rückbau noch nicht ganz soweit. Dort sollen die Brennelemente 2026 vollständig entfernt sein. 540 eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren Ende 2021 beim ehemaligen Kernkraftwerk beschäftigt, derzeit sind es noch rund 430 Personen. Wenn alle verbliebenen Brennelemente entfernt sind, wird das eigene Personal 2027 auf unter 300 Mitarbeitende sinken. Der Abbau des ehemaligen Kernkraftwerks wird sich bis in die 2030er Jahre ziehen. Und er ist teuer: Das Unternehmen rechnet mit Kosten von bis zu einer Milliarde Euro und hat dafür Rückstellungen gebildet. Auch dann wird am Standort nicht einfach nur eine Wiese sein, Gebäude bleiben stehen. „Uns geht es darum, die Anlage aus dem Atomgesetz herauszubekommen“, erklärt Ringel.

Das zerlegte Material wird dekontaminiert

Wie aber sieht der Abbau konkret aus? Andreas Feldmann ist der Leiter der Rückbaufabrik in der ehemaligen Maschinenhalle in Block A. Dorthin wird Material angeliefert, große Stücke mit Sägen zerteilt. Immer wieder wird es laut in der Halle. Die Mitarbeiter tragen orangefarbene Overalls, Helme und Gehörschutz. Das Material, etwa zersägte Rohre, wird auf verschiedene Weise dekontaminiert. Dazu zählen ein Säurebad und Maschinen, die Teile mit unzähligen kleinen Stahlkugeln abschleifen. Die zerkleinerten und gereinigten Stücke landen in den eingangs erwähnten Kisten, um freigemessen zu werden. Zur Kontrolle sind regelmäßig auch Mitarbeiter des Landesamts für Umwelt im ehemaligen AKW vor Ort.

Wann die 161 Meter hohen Kühltürme fallen, ist noch offen. Sie sind das weithin sichtbare Symbol für das Kernkraftwerk Gundremmingen. Der Abbruch dieser Giganten ist technisch anspruchsvoll, verschiedene Optionen liegen auf dem Tisch. Die beiden ehemaligen „Wolkenmacher“ haben folglich noch eine Gnadenfrist bekommen.

Zwischenlager und Castorbehälter

Platz für 192 Castorbehälter für hochradioaktive Abfälle ist im Zwischenlager auf dem Werksgelände. Es wird von der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung betrieben. Bis August 2023 werden 127 Plätze belegt sein. Wenn alle Brennelemente aus Gundremmingen dorthin gebracht worden sind, werden es 175 sein. Brennelemente aus anderen AKW kommen nicht dorthin. Die derzeitige Genehmigung für das Zwischenlager läuft bis 2046. Die Abfälle sollen schlussendlich in ein Endlager gebracht werden.