Ranzen aus der Ecke, Vesperbox aus der Schublade: Für die Schülerinnen und Schüler im Südwesten beginnt am Montag nach sechs Wochen Sommerferien wieder der Unterricht. Im neuen Schuljahr warten altbekannte Probleme, aber auch einige Neuerungen. Ein Überblick über die wichtigsten Daten und Fakten:
Lehrermangel
Ein Problem, das den Schulbeginn seit Jahren begleitet, ist der Lehrermangel. Zu Beginn des vergangenen Schuljahres waren laut Kultusministerium 565 Stellen unbesetzt, im Jahr zuvor hatten 890 Lehrerinnen und Lehrer gefehlt. Wie sich die Personalsuche in diesem Jahr entwickelt hat, will Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) am Donnerstag in einer Pressekonferenz berichten.
Das Thema ist auch aus Sicht der Eltern ein drängendes. «Lehrkräftemangel hat immer automatisch Auswirkungen auf alles. Er hat Auswirkungen auf das vermittelte Wissen, damit auf die Leistungen in den Abschlussprüfungen. Er hat Auswirkungen auf die Betreuung in der Grundschule. Dort verursacht er einfach ein Betreuungsproblem. Er hat Auswirkungen auf die Klassengröße», sagte Sebastian Kölsch, Vorsitzender des Landeselternbeirats.
Quereinsteiger
Lindern sollen den Lehrermangel auch Quereinsteiger. Zu Beginn des neuen Schuljahres starten nun erstmals Quereinsteiger ohne Lehramtsstudium an allen Schularten. Knapp 400 Lehrkräfte beginnen laut Kultusministerium im sogenannten Direkteinstieg an den Schulen.
Die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger kommen demnach aus unterschiedlichen Berufsgruppen und steigen zum neuen Schuljahr direkt in den Unterricht ein. Parallel bekommen sie zwei Jahre lang eine pädagogische Qualifizierung und müssen am Ende die gleiche Prüfung wie angehende Lehrkräfte mit Lehramtsstudium ablegen. Wenn sie sich danach ein Jahr lang bewährt haben, können sie dem Ministerium zufolge unbefristet eingestellt werden.
Grundschulempfehlung
Änderungen gibt es auch für die Eltern von Viertklässlern. Sie sind die Ersten seit vielen Jahren, die nicht mehr frei darüber entscheiden können, auf welche weiterführende Schule ihr Kind gehen soll. Denn ab diesem Schuljahr soll die Neuregelung der Grundschulempfehlung greifen.
An Stelle des reinen Elternwillens steht künftig ein Modell aus drei Komponenten: Lehrerempfehlung, Kompetenztest und Elternwunsch. Stimmen zwei aus drei überein, soll das den Ausschlag geben. Wollen die Eltern ihr Kind dennoch aufs Gymnasium schicken, soll das Kind künftig einen weiteren Test absolvieren. Verbindlich ist die Empfehlung allerdings nur für das Gymnasium.
Demokratiebildung
Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) braucht es mehr Fokus auf Demokratiebildung an den Schulen. «Die Demokratiebildung muss wirklich einer der absoluten Schwerpunkte sein», sagte Verbandschefin Monika Stein. Die Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigten, dass die Demokratie in ernster Gefahr sei. «Ich glaube und hoffe, dass das Wochenende jetzt auch die Letzten aufgerüttelt hat und ihnen klargemacht hat, dass wir in Demokratiebildung wirklich mehr investieren müssen», so Stein weiter.
Sie forderte zudem eine bessere Information von Lehrern über die Social-Media-Plattform Tiktok. Man habe bereits vor einiger Zeit beim Kultusministerium angeregt, Lehrkräften eine Kurzauswertung anzubieten, was dort los sei. Es gebe viele Challenges, die teils gesundheitsgefährdend seien, zudem laufe auf der Plattform viel Desinformation. Lehrkräfte könnten es nicht leisten, sich nebenbei noch mit den Facetten der Plattform auseinanderzusetzen.
Kritik an veraltetem Unterricht
Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler bräuchte der Unterricht im Land dringend eine Modernisierung. «In der Schule erhalten wir veralteten Unterricht, mit überholten Unterrichtskonzepten und aus der Zeit gefallenen Inhalten», kritisiert der Landesschülerbeirat in einem Schreiben an Kultusministerin Schopper und weitere Akteure der Bildungspolitik.
Als Beispiel für veralteten Unterricht nannte der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Joshua Meisel, den Deutschunterricht. «Die Analyse von Gedichten ist etwas, was vielen Schülerinnen und Schülern aufstößt», sagte er. Diese sei für den Alltag der Schüler nicht relevant und sollte weniger intensiv behandelt werden. «Stattdessen sollte man Inhalte integrieren, die man dringender braucht», sagte Meisel. So wäre aus Sicht des Schülervertreters ein stärkerer Fokus auf argumentatives Schreiben sinnvoll - auch um Fake News und Populismus besser erkennen zu können.
Mehr Schulschwänzer
Die Berufsschullehrer im Südwesten haben den Eindruck, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler nicht am Unterricht teilnehmen. «Aus dem ganzen Land erreichen uns Berichte über abgetauchte Schülerinnen und Schüler. Viele Jugendliche, die nach dem Abschluss oder Abbruch einer allgemeinbildenden Schule berufsschulpflichtig sind, kommen an den beruflichen Schulen überhaupt nicht an», sagte die stellvertretende Vorsitzende des Berufsschullehrerverbands (BLV), Michaela Keinath. Auch tauchten während des Schuljahres immer mehr Jugendliche einfach ab und blieben dem Unterricht fern.
«Das hat in den letzten ein, zwei Jahren schon enorm zugenommen», sagte Keinath. An beruflichen Gymnasien gehe es um etwa 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler, in anderen Bereichen des beruflichen Schulsystems auch um bis zu 20 Prozent, so Keinath. Konkrete Zahlen nannte der BLV nicht.