Mikroabenteuer

Fahrradfahren mit Sammy, dem Rowdy an der Leine

Warum der Plan „Radfahren mit Hund“ für Christine Weinschenk kein Mikro-, sondern eher ein Makroabenteuer war und ist.

Fahrradfahren mit Sammy, dem Rowdy an der Leine

Jeder Hund ist anders. Und manche sind ganz anders. Um zu erklären, warum „Radfahren mit Hund“ ein Abenteuer und nicht das normalste der Welt ist, muss man etwas ausholen. Sammy ist ein Cockapoo, eine Mischung aus Pudel und Cockerspaniel. Rassetypisch sollte er etwa zehn Kilo wiegen. Tatsächlich wiegt er 18 und ist mit seinen 22 Monaten, tierärztlich attestiert, eigentlich nicht zu dick.

Sammy war als Baby schon ein Rowdy

Laut dem TV-Hundeprofi meines Vertrauens, Martin Rütter, verändern sich Hunde, wenn sie erwachsen werden. Aus dem süßen Rudi wird in der Pubertät ein halbstarker Rowdy. Sammy war aber schon als Baby ein Rowdy. Wer die Sendung „Die Welpen kommen – mit Martin Rütter“ kennt, weiß, wie der Einzug von Welpen ins neue Heim üblicherweise aussieht. Viele trauen sich kaum über die Türschwelle. Sammy dagegen watschelte selbstbewusst und schwanzwedelnd in jedes Zimmer, schnappte sich sein neues Spielzeug und verwickelte uns in ein wildes Spiel. Verhalten sich in der TV-Sendung Welpen nur annähernd selbstbewusst, kommentiert Martin Rütter: „Das wird nicht einfach.“

Sammy mit seiner Lieblingsdecke. Christine Weinschenk

Und wie immer hatte der Mann recht. Innerhalb von Tagen merkte der kleine Hund, dass Frauchen abgelenkt ist, wenn sie im Homeoffice telefoniert oder konzentriert in die Tasten haut. Er zernagte den Stuhl, auf dem sie saß, fraß Wände an. Er lernte, wie man den Kleiderschrank öffnet, um Socken oder Unterhosen zu stehlen. Schuhe mussten gut 60 Zentimeter über dem Boden gelagert werden. Ein gerissener Meisterdieb.

Ein Hund der Baustellen liebt

Schlimm war für ihn, wenn Frauchen auch nur 30 Sekunden allein auf der Toilette war. Also versuchte er bald, die Türklinke mit den Zähnen herunter zu bekommen. Schlafen war langweilig. Fressen auch. Beim Gassi kannte er wie ein Schlittenhund nur eine Richtung: vorwärts. Wobei, links und rechts kennt er auch. In der Nachbarschaft gibt es keinen Garten, den er noch nicht stürmen wollte. Sehr interessiert ist er an Menschen, die Gartenarbeit verrichten. Baustellen liebt er. Er setzt sich hin und überwacht die Arbeiten wie ein Kapo. Das sorgt bei den Bauarbeitern für Lacher.

Und wir lieben die Frisbee. Christine Weinschenk

Und wir als Hund-Mensch-Team sorgen zuverlässig für Lacher in der Hundeschule. Während andere Welpen tollpatschig hinter Herrchen und Frauchen hinterherdackeln oder die Labradore in Aussicht auf ein Leckerli einen Flickflack machen, hat sich Sammy immer mehr für seine Umgebung interessiert. Ihm entgeht nicht mal ein Flugzeug am Himmel. Sich auf eine Sache konzentrieren – schwierig. Außer wenn es darum geht, Plüschtiere auszunehmen oder einen Blumentopf umzugraben.

Hundetrainer: "Schlau und mit allen Wassern gewaschen"

„Wuselig“ ist er, sagten die Hundetrainer – ja, wir hatten mehrere. „Schlau“ und „mit allen Wassern gewaschen“ sei der „Kasper“. Eine Hundefriseurin nannte ihn „den schlimmsten Hund, den sie in 30 Jahren erlebt hat“. Laut nachgedacht wurde darüber, ob er eine Schilddrüsenüberfunktion hat. Die Untersuchung beim Tierarzt war nervenaufreibend für alle Beteiligten, die Werte aber unauffällig. Herrchen und Frauchen dachten insgeheim: Der Hund hat ADHS.

Natürlich ist der Hund immer das Abbild des Halters. Und Hundekenner und Nichtkenner werden sicherlich denken: klarer Fall, nicht konsequent trainiert. Unerzogen. Sammy ist mein erster Hund. Aber ich war nicht inkonsequent. Und ich dachte nach hunderten Stunden „Der Hundeprofi“, „Der VIP-Hundeprofi“, „Der Welpentrainer“, „Der Hundeflüsterer“ und „Trouble Teenies auf 4 Pfoten" wäre ich vorbereitet auf das, was da bei uns einzieht. Aber jeder Hund ist eben anders.

Wasser liebt er ebenfalls. Christine Weinschenk

Wenn dieser Hund in einen Raum kommt, ist es so, als würde ein ganzes Rudel einfallen. Aber er ist nicht unerzogen. Und ganz sicher auch nicht unausgelastet. Wir rennen, schwimmen, spielen, trainieren. Er kann natürlich „Sitz“, „Platz“ und weiß, dass er beim Kommando „Hinten“ den Türrahmen nicht als erster durchschreiten darf. Er kennt „Komm“, „Bleib“ und „Ins Bett“. Und kommt ein „Nein“ schmetternd genug, widersteht er sogar der großen Versuchung von Pferdeäpfeln. Hin und wieder geht aber einfach sein überbordendes Temperament mit ihm durch.

Der Hund wedelt mit dem ganzen Hintern

Dieser Wirbelwind liebt einfach alles und jeden. Wenn er sich freut, ist das ansteckend. Er wedelt nicht nur mit dem Schwanz, er wedelt mit dem ganzen Hintern. So sehr, dass er sich seinen Schwanz mitunter ins eigene Gesicht schlägt. Wir nennen das den Popotanz. Manchmal macht er auch heute noch dazu ein Freuden-Pipi.

Das Leben scheint für Sammy ein einziges Abenteuer zu sein, dem man mit Begeisterung begegnen muss. Also auf zu neuen Abendeuern: Radfahren. Natürlich in Rücksprache mit der Hundetrainerin meines Vertrauens, denn ich liebe zwar meinen Beruf, aber möchte mir nicht für ihn den Hals brechen. Schürfwunden nehme ich in Kauf. Er hat mich beim Gassi schon mehrfach mit der Schleppleine umwickelt und zu Fall gebracht. Es wären also nicht die ersten.

Und so sah das nach dem Radfahren aus. Christine Weinschenk

Und dann kommt das Fahrrad aus dem Keller. Natürlich umtanzt es der Hund begeistert. Ziel der Trainingseinheit ist ein Supermarktparkplatz ein paar hundert Meter weiter. Bis dahin wird natürlich geschoben. Er soll sich ans Rad gewöhnen. Und er macht es überraschend gut. Solange ich mit ihm rede und ihn lobe, konzentriert er sich aufs schiebende Frauchen, das sich schon längst im Dreck liegend gesehen hat. Auf dem Parkplatz angekommen, geht es erst mal schiebend weiter, dann rollend und weil auch das klappt, traut sich Frauchen, zaghaft aufzusteigen.

Der Hund ist stolz – und Frauchen auch

Und siehe da, der Hund ist ein Naturtalent! Solange Frauchen redet, behält er sie im Blick und hält Abstand vom Rad. Über den dritten Gang hinaus traue ich mich nicht, Kurven sind nervenaufreibend, aber ich bin hellauf begeistert. Der Hund auch. Er wedelt und wedelt und wedelt. Nach ein paar Minuten schnappt er dann aber aus purem Übermut nach der Leine und wir beenden die erste Trainingseinheit. Ohne Platz- oder Schürfwunden, stattdessen grinst der Hund und ist stolz auf sich. Und Frauchen strahlt, ist geradezu euphorisch und stolz auf den Hund. Klarer Fall: Fortsetzung folgt! Ja, jeder Hund ist anders. Und meiner ist eine Wundertüte – und einfach nur toll.

Noch mehr Abenteuer

Im nächsten Mikroabenteuer macht Marc Hosinner Kurzurlaub in der Hängematte.