Tief unten im Fels

Falkenhöhle bei Bartholomä: auf Expedition mit dem Höhlenverein Heubach

Kraxeln, klettern, schlufen: Eine Tour mit dem Höhlenverein Heubach führt tief in die Falkenhöhle bei Bartholomä hinein. Eine einmalige Erfahrung zwischen Panik und Triumph.

Falkenhöhle bei Bartholomä: auf Expedition mit dem Höhlenverein Heubach

Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. Nur ab und zu dringt in einigen Metern Entfernung diffuses Licht herein. Für Augenblicke wird die Enge wieder sichtbar, die massiven Steinblöcke, die den eigenen Körper umgeben. Wenige Zentimeter zwischen Mensch und Fels. Bequem ist anders. „Wenn es jetzt leise wäre, würde man nichts hören“, sagt Höhlenführer Raphael Elsenhans in die Dunkelheit hinein. „Nur den eigenen Atem und Herzschlag.“ An diesem Tag aber sind Wortfetzen zu hören, das Geraschel von Kleidung, Schritte.

Die Führungen der Höhlenkundlichen Arge Rosenstein, Heubach sind in der Regel gut besucht. Etwa 15 Kinder und Erwachsene sind diesmal dabei, besichtigen die Falkenhöhle im Wald bei Bartholomä. Wobei „besichtigen“ stark untertrieben ist. Nach rund 45 Minuten Fußweg vom Wanderparkplatz am Inneren Kitzinghof klettern, kraxeln, kriechen und schlufen die Teilnehmer durch die Falkenhöhle. Mit einer Gesamtlänge von 90 Metern (alle Gänge inklusive) gilt sie in der Region als relativ groß. Einen Canyon gibt es, eine imposante Eingangshalle mit Tropfsteinen und einige Gänge, die nur in der Horizontalen passierbar sind.

Das Gefühl, steckenzubleiben, lässt sich an einigen Stellen nicht unterdrücken

In einem solchen Gang die Stirnlampe auszuschalten, kostet Überwindung. Das Herz pocht, der Atem geht schnell, ein leichter Anflug von Panik ist eben erst vorüber. Das Gefühl, steckenzubleiben lässt sich an einigen Stellen nicht unterdrücken. Der Fels kantet sich in Oberschenkel und Unterarme, streift Waden und Rücken, der Helm eckt immer wieder an. Wie ein Wurm windet sich der Körper durch den Gang. Schiebt sich vorwärts. Angestrengt. Schmerzend. Beeindruckend.

Mal mit den Füßen zuerst, meist aber mit dem Kopf. Die Höhlenführer hatten zu den einzelnen Gängen Tipps parat. Rudi Penk

„Für Leute mit Klaustrophobie ist das nichts“, hatte Höhlenführerin Gabriele Bitzer auf dem Weg zur Falkenhöhle gesagt. „Man kann das aber trainieren. Ich kenne eine Höhlenführerin, die früher Platzangst hatte. Davon merkt man heute nichts mehr.“ Die Gruppe an diesem Tag wird von insgesamt vier Führern angeleitet. Neben Raphael Elsenhans und Gabriele Bitzer sind Paul Hokenmaier und Jakob Eichinger dabei. An der Höhle angekommen, übernimmt jeder Höhlenführer, allein oder im Team, fünf Personen. Während die eine Gruppe mit dem Canyon beginnt, kraxeln die anderen zu besonders geformten Tropfsteinen oder schlüpfen in Felsspalten.

Der vorherrschende Gedanke: Warum tut man sich das bloß an?

Stirnlampe wieder an. Orientieren, tief ein- und ausatmen, weiter geht‘s. Aber wie? Raphael Elsenhans, in ein Seitenloch gezwängt, gibt Tipps, wie man am besten durch den Spalt passt. Auf dem Bauch, auf der Seite, wie es eben geht. Hauptsache vorwärts. Wenige Meter weiter mündet der Gang in die große Eingangshalle. Erleichterung macht sich breit. Auf die Knie krabbeln, in die Hocke gehen, aufrichten. Der eben noch vorherrschende Gedanke, warum man sich das bloß antut, ist wie weggeblasen. Stattdessen Triumph: Geschafft! Wow, was für ein Abenteuer!

Auch den Höhlenführern geht es nicht anders. „Es macht einfach einen riesen Spaß“, sagt Raphael Elsenhans, der vor einem knappen Jahr über eine Führung zu seinem Hobby gefunden hat. Paul Hokenmaier und Jakob Eichinger, beide erst 16 Jahre alt, sind seit sieben bzw. vier Jahren dabei. Die erfahrenste in der Runde ist Gabriele Bitzer, stellvertretende Vorsitzende des Heubacher Vereins. Seit Ende 2014 geht sie in Höhlen. „Daran sind meine Kinder schuld“, sagt Bitzer, genau genommen die Tochter, die nach einem privaten Ausflug zu einer Höhle auf den Heubacher Verein kam und bis heute richtig groß dabei ist. „Ich habe mir damals Bilder angeschaut“, erinnert sich Gabriele Bitzer. „Und mir dann gedacht: Da muss ich auch mit!“

Der Canyon: beeindruckend weit führt er in die Falkenhöhle hinein. Rudi Penk

Immer dem Licht nach in den Canyon hinein

Im Canyon. Acht Grad, der Atem sichtbar. Überall ist es glitschig und schlammig. Und spitzig. Die Finger finden in ihren Handschuhen guten Halt, krallen sich fest. Die Füße suchen nach einem stabilen Tritt. Alles in circa einem Meter Höhe. Unten: Wasser und Schlamm, knöcheltief, im Schein der Stirnlampe beige-braun. Aufrechtes Stehen ist im Canyon meist möglich. Sonst geht es gebückt oder gehockt voran. Mehrere Dutzend Meter weit zwischen den Felsen hindurch. Immer dem Licht nach. Die Stirnlampen der anderen wobbeln durch die Dunkelheit. Tiefer und tiefer in die Höhle hinein.

Rund 20 Führungen bietet der Höhlenverein Heubach jedes Jahr an. Die meisten auf dem Rosenstein, wo es rund 40 Höhlen gibt. Aktivführungen, bei denen innerhalb von vier bis fünf Stunden zwölf Kleinhöhlen auf dem Programm stehen. Außerdem Höhlenwanderungen, bei denen man sich nicht ganz so schmutzig machen muss. Stattdessen gibt es viel zu sehen und viel zu lernen, über Höhlenforschung und -ausrüstung, Tropfsteine und Tiere. Bei archäologischen Führungen werden die Teilnehmer mit auf eine Reise in die Geschichte genommen. Und dann sind da natürlich die Begehungen einzelner Höhlen: Finsteres Loch und Falkenhöhle.

In der Halle am Ende des Canyons: riesige Matschpfütze. Rudi Penk

Die Schuhe saugen sich fest, lassen mit einem Schmatzen wieder los

Staunen. Sofort geht der Blick nach oben. So viel Höhe, so viel Raum. Hier mündet der Canyon in eine kleine Halle. Mittig thront ein riesengroßer Felsbrocken. Außenherum: eine gigantische Matschpfütze, zu breit um drüberzuhüpfen. Auf dem Weg ans andere Ufer findet sich nur vereinzelt ein felsiger Tritt, im Beige-Braun kaum sichtbar. Die Füße tasten voran. Suchend. Bis es doch daneben geht: Die Schuhe saugen sich fest, lassen mit einem Schmatzen wieder los.

Die Falkenhöhle als Ort des Verbrechens

Schauplatz eines grausigen Verbrechens war die Falkenhöhle im Jahr 1529. Auf dem Heimritt von einer Versammlung wurde Pfarrer Degen aus Bettlingen bei Nürtingen vom Aalener Stadtschreiber Hans Halm und einem weiteren Mann gefangen genommen und in der Falkenhöhle festgekettet. Für die Freilassung verlangten sie 500 Gulden. Bis das Geld eingetrieben war, sollte der Pfarrer von einem Mann namens Martin Zimmermann mit Lebensmitteln versorgt werden, was dieser aber nicht tat. Und so verhungerte und verdurstete der Pfarrer. Im Jahr 1531 wurde Hans Halm für das Verbrechen und hunderte andere Straftaten zum Tod verurteilt.

„Bei uns im Verein haben wir gerade kein eigenes Projekt“, sagt Gabriele Bitzer. Aber: Man sei gut vernetzt mit anderen Vereinen, viel unterwegs, viel am Helfen. Ein Mitglied etwa war kürzlich im Toten Gebirge in Österreich an der Erforschung einer neuen Höhle beteiligt. Bitzer selbst half in den Pfingstferien zwei Wochen lang bei der Vermessung einer Höhle in Südfrankreich. „Alles geschafft haben wir nicht“, sagt sie, aber immerhin sieben Kilometer. Schon eine Hausnummer.

Am Ende des Canyons: ein Spalt, ein Versuch, Rückzug

Eng. Der Spalt ist so eng, dass man sich fragt, wer überhaupt je auf die Idee gekommen ist, sich dort hineinzuzwängen. Neugierige Höhlenforscher. Biegsame Leute. Jedenfalls wissen sie: Am Ende dieses Spalts an der Rückwand der kleinen Halle befindet sich ein Hohlraum. Angeblich so groß wie eine Telefonzelle, mehrere Telefonzellen hoch. Ein Versuch. Aber nach wenigen Schritten ist Schluss. Der Fels näher als je zuvor, den Kopf zur Seite gedreht, vorwärts ist nicht genug Platz. Rückzug.

Auch die Kamera brauchte nach der Tour eine Grundreinigung. Rudi Penk

Der Zugang zur Falkenhöhle ist jederzeit möglich. Nur im Winter wird der Eingang mit einem Gitter versperrt, zum Schutz der Fledermäuse. „Allein in eine Höhle zu gehen, ist aber immer eine schlechte Idee“, sagt Gabriele Bitzer. „Da findet einen keiner. Das Handy funktioniert ja nicht. Und die Schreie hört auch keiner.“ Besser gehe man zu dritt. Wenn dann etwas passiere, könne einer beim Verletzten bleiben und der andere Hilfe holen. Bei den Touren des Heubacher Höhlenvereins war noch keine Rettungsaktion nötig. „Aber allgemein passiert so was schon“, sagt Bitzer, teilweise mit freibaggern, teilweise über zwei Tage lang.

Wieder draußen: Hitze, Stolz und Euphorie

Wieder draußen. Die Hitze drückt. Nach gut eineinhalb Stunden unter der Erde fühlen sich die 27 Grad an wie eine Wand. Die Stimmung unter den Teilnehmern ist ausgelassen. Euphorie ist zu spüren. Und Stolz. Auf die Kinder, die Enkel, auf sich selbst. Dass man sich überwunden hat, in die Enge zu kriechen. Oder wie im Fall eines circa 13-jährigen Mädchens: Dass sie es beim vierten Versuch doch noch in den engen „Telefonzellen“-Spalt geschafft hat. Als eine von ganz wenigen. Blaue Flecken im Gepäck, von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt geht es zu Fuß zurück zum Parkplatz. Erfahrungen werden ausgetauscht, andere Höhlengeschichten erzählt. Ein schöner Ausklang für eine erlebnisreiche Tour.

Der Höhlenverein Heubach

Die Höhlenkundliche Arge Rosenstein/Heubach, kurz der Höhlenverein Heubach, wurde vor 40 Jahren gegründet. Aktuell hat der Verein 32 Mitglieder, davon zwölf bis 14 aktive. Infos zum Verein und den angebotenen Führungen gibt es online unter www.hoehlenverein-heubach.de.

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