In Bartholomä kann man mit Huskys fahren, wandern und kuscheln
Zwei Meter dreißig ist der Zaun hoch. Für Suna kein Problem. Die Hürde nimmt die Alaskan-Malamute-Hündin aus dem Stand. Schließlich müssen die Besucher begrüßt und Suna gestreichelt werden. Dem verbliebenden Rudel hinter dem Zaun schmeckt das nicht wirklich. Es wird lautstark geheult. „Das machen sie nur, wenn Besuch da ist“, sagt Simone Kaiser. „Sie denken dann, dass gleich die Arbeit losgeht und sind ungeduldig bis etwas passiert.“ 16 nordische Hunde umfasst das Rudel in Bartholomä – allesamt Schlittenhunde, überwiegend Huskys. „Das sind einfach Arbeitstiere. Born to run, also geboren, um zu rennen. Sie brauchen Auslastung – körperlich und geistig. Eine Stunde spazieren gehen, das reicht nicht.“
Die Idee von Qingmiq ist, den Tieren eine Heimat und eine Aufgabe zu geben.
Simone Kaiser
Um dem Bewegungsdrang der Energiebündel gerecht zu werden, unternimmt Kaiser mit ihnen Ausfahrten – im Winter mit dem Schlitten und wenn nicht genügend Schnee liegt mit einem Trainingswagen. Und sie möchte dieses Musher-Erlebnis auch anderen ermöglichen. Musher ist der Fachausdruck für den Menschen, der ein Hundeschlittengespann lenkt. Unter dem Label Qingmiq-Huskytrail bietet sie aber nicht nur Fahren, sondern auch Wandern und Kuscheln mit Huskys an. Qingmiq nennen die kanadischen Ureinwohner den Husky bzw. den Schlittenhund. „Die Idee von Qingmiq ist, den Tieren eine Heimat und eine Aufgabe zu geben“, sagt Kaiser. „Huskys sind Rudeltiere und ihrem Wesen entsprechend sollten sie nicht alleine gehalten werden."
Nicht jeder ihrer Hunde eignet sich für jedes der Angebote, insbesondere das Kuscheln ist nicht für jeden etwas. Die Hunde stammen allesamt aus dem Tierschutz und kamen etwa aus Rumänien, Spanien oder der Türkei nach Bartholomä. „Man weiß nicht, welche traumatischen Erlebnisse sie hatten. Manche Hunde sind schwierig im Umgang, das muss man einschätzen können“, sagt Kaiser. Zu einem Zwischenfall oder gar Unfall sei es, Simone Kaiser klopft auf Holz, aber noch nie gekommen.
Nun scheint die Türkei grundsätzlich keine geeignete Heimat für Hunde zu sein, die die Kälte lieben? „Natürlich nicht“, sagt Kaiser. „Leider ist das in manchen Ländern Prestigesache, einen wolfsähnlichen Hund zu halten. Aber je wärmer ihr Umfeld ist, in dem sie gehalten werden, desto weniger sind sie dafür geeignet. Wer treibt schon im Pelzmantel Sport bei 30 Grad?“ Die nordischen Rassen seien für zweistellige Minus-Grade ausgelegt. „Die Energie der Tiere sinkt mit steigenden Temperaturen. Fahren kann man mit ihnen nur bis maximal 14 Grad. Im Sommer liegen und schlafen sie viel. Sie brauchen Ruhe und die muss man ihnen geben.“ Dann genüge ihnen auch der Auslauf mit seinen rund 1000 Quadratmetern auf dem Grundstück in Bartholomä.
Im Alter von zwölf Jahren trat der erste Hund in Simone Kaisers (heute 42) Leben. Ein Dackel. Zu ihrem ersten Husky kam sie viele Jahre später „wie die Jungfrau zum Kinde“. „Ich wollte eigentlich keinen, weil ich dachte, ich kann der Rasse nicht gerecht werden.“ Aber eine Bekannte hatte einen Wurf und nicht alle fanden ein gutes Zuhause. Also zog 2012 der erste Husky ein und der zweite ließ nicht lange auf sich warten. „Ich habe mich der Rasse dann einfach verschrieben.“ Und dafür zählt sie auch mehrere Gründe auf: „Die nordischen Rassen sind intelligent und auch sehr eigenständig. Sie treffen Entscheidungen selbst. Das ist nicht immer leicht, aber es fasziniert mich und man braucht es auch für die Arbeit im Gespann.“
Simone Kaisers Kundschaft in Bartholomä ist bunt gemischt
Und wer sind die Kunden? „Groß und Klein, Jung und Alt“, sagt Kaiser. „Manche haben psychische oder körperliche Probleme. Manche sind einfach Husky-Fans.“ Manchmal wird eine Ausfahrt oder eine Wanderung zum Junggesellen-Abschied verschenkt. Oder es kommen Menschen, die ihre latente Angst vor Hunden verlieren möchten. Und zwar aus allen Winkeln der Republik. Bis zum Ausbruch der Pandemie lebte Kaiser vier Jahre lang von Qingmiq. Weil die Einnahmen einbrachen, nahm sie eine Stelle an einer Rezeption in Bartholomä auf. Denn die Ausgaben für 16 große Hunde, sind natürlich beträchtlich. Pro Quartal braucht das Rudel etwa 500 Kilogramm Futter. Und so ein großes Rudel zu halten und zu beschäftigen, ist nicht nur kosten-, sondern auch arbeitsintensiv. „Alleine ist das eigentlich nicht zu schaffen. Man braucht ein Netzwerk an Freunden, das ich zum Glück habe. Und mein Partner unterstützt mich auch.“