Wo die Liebe hinfällt, da bleibt sie liegen, sagt eine Redensart. Wenn man Glück hat. Harold und Maude, die beiden Hauptfiguren aus dem gleichnamigen Kultfilm und dem Roman von Colin Higgins, haben dieses Glück. Und wie beglückend das anzusehen sein kann, das zeigt derzeit das Theater der Stadt Aalen im Schloss Wasseralfingen.
Die Inszenierung des Klassikers sprüht nur so vor Witz und Esprit, ohne dabei die Zartheit der eigenwilligen Freundschaft zwischen dem jungen Harold und der betagten Maude zu erdrücken. Und ohne die zwei gesellschaftlichen Tabuthemen außer Acht zu lassen, die das Stück beherrschen: den Selbstmord und die Liebesbeziehung bei großem Altersunterschied.
Ersteres ist das Ziel des jungen, suchenden Harold (ganz hervorragend zurückgenommen und eben darum höchst wirkungsvoll gespielt von Kai Götting), und zweiteres sein ganz unverhofftes Glück, das ihn von den auch in Gesellschaft – auch des Publikums – immer wieder unternommenen Suizidversuchen abbringt. Denn Maude, die Zufallsbekanntschaft auf einer Beerdigung, steckt ihn an mit geradezu sinnlicher Lebensfreude, überbordendem Übermut und nie versiegender Hoffnung, die sie beherzt einen Baum pflanzen, eine Robbe klauen und Jodeln lernen lässt. Verena Buss, die die Maude spielt, infiziert mühelos auch das Publikum damit.
Fein nuancierte Darstellungskunst
Die Inszenierung trägt ganz offensichtlich die Handschrift Julius Max Ferstls, der bereits in seinen Amateurtheatertagen beim Naturtheater Heidenheim mit seinem Spiel- und Regietalent überzeugen konnte. Sein Studium der Kultur- und Medienbildung hat das noch intensiviert, auch das zeigt diese seine Regiearbeit. Denn „Harold und Maude“ hatte er schon für das Naturtheater inszeniert, mit großem Erfolg. Seine jetzige Regiearbeit ist aber nicht etwa eine bloße Nachbildung, sondern eine Verfeinerung und Intensivierung. Sie kommt fast gänzlich ohne Requisiten aus und besticht durch fein nuancierte Darstellungskunst in allen Rollen. Den beiden exzellenten Hauptdarstellern in den Titelrollen ebenbürtig sind Larissa Wagenhals als Pater Finnegan, Philipp Dürschmid als Doktor Mathews und Inspektor Bernard, Julia Sylvester als die drei Heiratskandidatinnen und vor allem Margarete Lamprecht als egozentrische Luxus-Mama. Sie alle miteinander schwirren herrlich überspitzt um die beiden Hauptfiguren herum, dass diese, doch eigentlich die Sonderlinge der Gesellschaft, ganz natürlich und normal wirken. Und das ist vielleicht der größte Coup der Inszenierung: Dass sie in dieser Umkehrung immer wieder neue Denkanstöße zu den zentralen Themen Leben und Tod, Liebe und Freundschaft geben.
Ganz feinsinnig unterstützt wird das Geschehen durch Live-Musik, die das Ensemble „Hackberry“ – in Heidenheim ebenfalls nicht unbekannt – liefert. Und nicht nur die drei Musiker Markus Braun, Steffen Köble und Flo Neukamm, sondern gesungen wird auch: „Sound of silence“ etwa und „If you want to sing out, sing out“ und schließlich auch „Voyage, Voyage“, dem Discokracher der achtziger Jahre, hier ganz weich und sanft die letzte Reise Maudes begleitend. Das ist dann doch ein sehr berührender Moment in der ansonsten völlig unsentimentalen Inszenierung, freilich auch dann ohne jeglichen Kitsch, ohne effekthaschende Gefühlsduselei.
Wunderwerk an Schlichtheit
Kostüme und Bühnenbild im Übrigen tragen auch die Handschrift eines Heidenheimers: Christian Horn, der bereits für das Naturtheater unzählige Male für die Ausstattung gesorgt hat, hat auch hier wieder ganze Arbeit geleistet von überdimensionalen Goldpuffärmeln der Mutter bis hin zu den Gräsern und Blumen in den Schnürsenkeln von Maude. Und das Bühnenbild ist ein Wunderwerk an Schlichtheit, das sowohl die Illusion des Wohnzimmers, des Friedhofs, Maudes souvenirreicher Wohnung als auch eines Autos geben und darüber hinaus auch Dinge wie Maudes Odorophon hervorbringen kann. Und noch zwei weitere Heidenheimer sind mit von der Partie: Iris Trevisan hat die Gesangseinstudierung übernommen und Arjann Härtner, Träger des Roland-Riegger-Preises für junge Künstler, Assistenz.
Letztlich eine Ode an das Leben selbst und an das Glück in der Begegnung ist diese Inszenierung, der man viele Besucher wünscht. Und noch viele Nachfolge-Inszenierungen von Julius Max Ferstl. Und nachdem Ferstl ja nun beim Theater der Stadt Aalen das Junge Theater leitet, ist diese Hoffnung ja nicht unbegründet.
Zu sehen bis zum 4. August
Die Inszenierung läuft noch bis zum 4. August und wird im Schloss Wasseralfingen gezeigt. Gespielt wird bei jedem Wetter. Und wenn auch das Publikum unter Schirmen sitzt, so empfiehlt es sich doch, wetterfeste Kleidung und eine Decke mitzunehmen. Karten gibt es unter anderem an der Theaterkasse im Alten Rathaus, unter Telefon 07361.522600 und unter kasse@theateraalen.de.