Titel "Geboren unter jedem Himmel"

Mit "Tosca" startet die neue Spielzeit am Theater Ulm

Die neue Spielzeit am Ulmer Theater beginnt mit Giacomo Puccinis Oper "Tosca" und bietet dabei musikalisch und szenisch, was das Herz begehrt.

Mit "Tosca" startet die neue Spielzeit am Theater Ulm

„Mit Tosca kam die Zärtlichkeit.“ So viel zum Wahrheitsgehalt von Werbeslogans und zur Botschaft eines der bekanntesten Reklamesprüche der 1970er Jahre, der ein Parfüm anpries. Puccinis „Tosca“ aber, die Oper, das Original, handelt nicht von Wohlgerüchen, Puccinis „Tosca“ riecht nach Blut, Schweiß und Tränen, nach Gift und Galle und Dolch, nach der abstürzenden Primadonna ebenso wie nach dem im Todeskampf röchelnden Bariton und dem sich gegen den Tod aufbäumenden Tenor. „Tosca“ kennt alles, nur keine Zärtlichkeiten. Und keinen Sieger. Vom Publikum einmal abgesehen.

Das wiederum sitzt diesmal in Ulm, wo am vergangenen Samstag Giacomo Puccinis „Tosca“ Premiere hatte. Tja, und eines darf man wohl ganz allgemein schon einmal festhalten: Nachdem sich der Weg an die Donau in Sachen Theater bereits in der vergangenen Saison jedes Mal gelohnt hatte, so beginnt auch die neue Spielzeit schon mal sehr verheißungsvoll. Wer sich für die neue „Tosca“ am Karajan-Platz entscheidet, wird das jedenfalls nicht bereuen.

Eiseskälte statt Dämonie

Regie führt Christian Poewe. Nun könnte man zwar behaupten, dass man eine „Tosca“ inszenatorisch eigentlich gar nicht in den Sand setzen kann. Damit langweilen allerdings, das kann man schon. Davon jedoch ist Christian Poewe glücklicherweise meilenweit entfernt. Er erzählt die Geschichte nicht nur ohne Umschweife und Abschweifungen, sondern auf den Punkt fesselnd. Und gleichzeitig reichert er sie darüber hinaus durch einige gleichsam illustrierend eingesetzte Details an, die uns beispielsweise auch den perversen Lüstling im großen Bösewicht Scarpia beleuchten oder ebenso die hinterhältigen Gemeinheiten der kleinen Handlanger und Vollstrecker des Grauens. Dies alles geht einher mit einer die Spannung nicht nur unterfütternden, sondern tatsächlich verdichtenden kongenialen Ausstattung (Maike Häber) und Beleuchtung (Johannes Gräbing).

Scarpia jedenfalls ist bei Christian Poewe eindeutig Polizist, weil er Sadist ist. Und dieser wiederum ist bei Dae-Hee Shin nicht nur darstellerisch in besten Händen. Auch gesanglich ist der Koreaner ein Scarpia von enormem Format, wenngleich sein hoher Bariton eher nach Verdi klingt. Insofern kommt diesmal der gemeingefährliche Polizeichef weniger über die bodenlos tiefe dämonische Wucht, als vielmehr über die eigentlich noch ekligere Eiseskälte der Hinterhältigkeit.

Tenorale Allzweckwaffe

An De Ridder hat die gesangliche Herausforderung der gewaltigen Partie der Titelheldin mit vergleichsweise lyrisch-jugendlicher Soprandramatik sicher und überzeugend im Griff und wird dabei von Minute zu Minute intensiver. Und einmal mehr zieht man den Hut vor Ulms erstaunlicher tenoraler Allzweckwaffe Markus Francke, der mit seiner klug geführten Stimme unverdrossen auch einen Cavaradossi auf die Bühne stellt, dem es an nichts fehlt. Die kleineren Gesangspartien sind ebenfalls durchweg gut besetzt, wobei allerdings der Mesner-Bass des Milcho Borovinov eindeutig herausragt. Diese Stimme jedenfalls klingt eindeutig nach viel, viel mehr und ruft nach deutlich größeren Herausforderungen.

Hervorragend klingt das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm unter der Leitung von Generalmusikdirektor Felix Bender, wobei dieser, was durchaus ja Sinn und beim Hören sowieso erst recht großen Spaß machen könnte, nicht unentwegt auf die vergleichsweise harte musikalische Diktion setzt, die in dieser Partitur eigentlich vorherrscht – auch das in dreifachem forte und robustissimo notierte Scarpia-Motiv klingt bei ihm keineswegs programmatisch und weit weniger gewalttätig als gewohnt –, sondern, wo möglich, nach Empfindungen und Empfindlichkeiten in der Musik sucht und diese auch findet.

Mitunter klingt das dann tatsächlich beinahe zärtlich, aber niemals parfümiert, sondern immer interessant, dynamisch gut durchdacht und mit ständigem Blick auf den regelmäßigen Puls, den die Konstruktion braucht, der aber gleichzeitig der latenten Unruhe, die, dem Stück und dessen Vorgängen geschuldet, hier notwendigerweise auch komponiert ist, keinesfalls pedantisch in den Weg gestellt werden darf. „Tosca“ in Ulm – dafür kann man ruhig ein bisschen Reklame machen.

Weitere Vorstellungen und Informationen

Weitere Vorstellungen von „Tosca“ folgen am  29. September, am 6., 11., 13., 15., 20., 25. und 28. Oktober, am 5., 18., 23. und 26. November sowie am 23. und 25. Dezember. Kartentelefon: 0731 1614 444. Mehr Details sind im Internet unter www.theater-ulm.de erhältlich.