Wenn ein ausgewachsener Strauß seinen Kopf reckt, dann kann er mehr als 2,30 Meter messen. Ihre riesigen Füße, das schöne Gefieder und die großen Schnäbel tragen ebenfalls zu ihrem imposanten Erscheinungsbild bei. Wenn der Fotograf seine Kamera durch den Zaun streckt, dann sieht man dem einen oder anderen Exemplar an, dass es nicht nur per se neugierig, sondern Publikumsverkehr gewohnt ist: Die Tiere stolzieren auf die Besucher zu und posieren nahezu professionell vor der Linse.
Bitte nicht füttern – und anfassen auf eigene Gefahr
Die drei Ställe der Straußenfarm Lindenhof mit den weiträumigen Ausläufen gehören rund um Steinenkirch und Böhmenkirch zu einer Spazierrunde dazu. Die Familie Bosch, die den Hof betreibt, ist es gewohnt, dass Neugierige vor den Zäunen stehen bleiben und sich die großen Tiere aus der Nähe ansehen wollen. „Das ist auch völlig in Ordnung“, sagt Chefin Henrike Bosch. Nur füttern solle man die Tiere nicht. „Höchstens mit etwas Gras.“ Und streicheln? „Das kann man tun, allerdings auf eigene Gefahr. Es kann schon sein, dass ein Strauß auch mal pickt.“
Nun sind die Strauße auf der Straußenfarm aber nicht nur zum Ansehen und Streicheln da, sondern vor allem als Fleischlieferanten. Alle zwei Wochen, sagt Henrike Bosch, wird geschlachtet – bei einer befreundeten Straußenfarm in Leipheim. Im Vergleich zu einem Rind liefert ein Vogelstrauß deutlich mehr Fleisch, das für Kurzgebratenes geeignet ist: Steaks beispielsweise oder Filet. „Das Fleisch hat zudem die diätetischen Eigenschaften von Geflügel- und die sensorischen Eigenschaften von Rindfleisch“, erklärt die 46-Jährige. Das heißt: gesund und mager wie Geflügel, rot und intensiv wie Rind.
Im Hofladen gibt es alles rund um den Strauß
Bis zu 450 Tiere leben, je nach Jahreszeit, auf dem Gelände der Straußenfarm. Vor allem im Frühjahr und Sommer kommen die Jungtiere zur Welt. Die Produkte der Straußenfarm werden im Hofladen verkauft. Erst im vorigen Jahr wurde der deutlich größere Laden mit angeschlossenem Café eröffnet. Seitdem arbeitet neben einem fest angestellten Metzger auch eine Konditorin auf der Farm. Neben Fleisch- und Wurstwaren gibt es im Laden alles rund um den Strauß zu kaufen: von Nudeln aus Straußenei über Lampen aus Straußeneischale bis hin zu Kuscheltieren und Eierlikör. Zudem hat die Familie Bosch etliche Produkte aus regionaler Erzeugung im Laden: Joghurt vom Talhof etwa, Mehl von der Geislinger Straub-Mühle oder Holzarbeiten eines Schreiners aus Böhmenkirch.
Die große Festscheuer trägt ebenso zum Umsatz des Betriebs bei: Nahezu jedes Wochenende finden hier Privat- oder Firmenfeiern für bis zu 160 Personen statt – von der Hochzeit über die Geburtstags- bis hin zur Weihnachtsfeier. Urlaub gibt es für die Familie Bosch also so gut wie keinen.
Immerhin: Es gibt die Aussicht darauf, dass der Betrieb auch in der nächsten Generation weitergeführt werden kann. Der älteste Sohn, 19 Jahre alt, hat Interesse angemeldet: „Er macht derzeit seinen Grundwehrdienst und will danach Landwirtschaft studieren“, sagt Henrike Bosch.
Eine Generation früher war die Zukunft des Lindenhofs nicht ganz so klar. „Meine Schwiegermutter hat den Betrieb mit 20 Milchkühen über Jahrzehnte alleine geführt“, erzählt die 46-Jährige. Von den Kindern habe aufgrund des Sanierungsstaus zunächst keines Interesse daran gehabt, ihn fortzuführen. Bis sich Sohn Michael, eigentlich Zimmermann, entschlossen hat, es doch zu tun. Dabei war aber schnell klar: Nur mit einer Handvoll Milchkühen würde sich das wirtschaftlich nicht lohnen. „Man muss sich in der Landwirtschaft heutzutage sehr genau überlegen, wohin man möchte und wie“, sagt Bosch. Für den Lindenhof sollte es der Strauß sein.
Gras, Getreide, Ackerbohnen – und keine Antibiotika
2006 startete die Familie mit den ersten Jungtieren und nach fast 20 Jahren hat sich daraus ein großer, gut laufender und bei der Kundschaft sehr beliebter Betrieb entwickelt – gerade weil der Strauß auf der Ostalb nach wie vor ein Exot ist. Gefüttert werden die Tiere mit eigenem Gras auf der Wiese sowie mit eigenem Getreide und Ackerbohnen. „Bei uns gibt es auch keine Antibiotika oder sonst etwas“, sagt Bosch. Der Strauß sei nicht anfällig für Krankheiten. „Tierärzte sind bei uns meistens nur für die regulären Kontrollen des Veterinäramtes auf dem Hof.“
Dass ihr Mann Michael sie vor 20 Jahren fast schon überreden musste, mit in die Landwirtschaft einzusteigen, merkt man Henrike Bosch heute nicht mehr an. Sie führt gerne über die Straußenfarm und erzählt stolz von den Anfängen und davon, wie sich der Betrieb nach und nach entwickelt und vergrößert hat. Die Tiere, die sie halten, mögen nach wie vor eher ungewöhnlich sein. Doch eines verbindet die Familie Bosch mit allen anderen landwirtschaftlichen Betrieben: Um den Hof zukunftssicher für die nächste Generation zu machen, muss man sich einiges einfallen lassen. „Man sollte sich nicht auf äußere Einflüsse wie die Politik verlassen“, sagt Henrike Bosch. „Im Zweifel wird sie nicht hinter den Landwirten stehen. Wir wollten nie Getriebene sein, sondern selbst entscheiden und die Preise für unsere Produkte auch selbst bestimmen.“
Laden, Café und Führungen
Der Hofladen und das Café auf der Straußenfarm haben täglich (außer sonntags) von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen über den Hof werden für Gruppen von Mai bis Oktober angeboten.