Warum "frischer Fisch" bei der Forellenzucht in Oberkochen nicht nur eine Phrase ist
250 bis 300 Tonnen Fisch verlassen jedes Jahr die Forellenzucht in Oberkochen. Wie viele Fische das sind? Sven Fischböck muss bei dieser Frage nicht lange überlegen: "Kommt aufs Gewicht an. Etwa eine Million, pi mal Daumen", schätzt der 34-Jährige. Er hat den Betrieb 2022 von seinem Vater übernommen und führt ihn nun bereits in dritter Generation. Die Forellenzucht ist ein klassischer Familienbetreib. Soll heißen: Jeder packt mit an. "Anders geht es auch gar nicht", erklärt Fischböck. Wochenenden, Feiertage, Urlaubszeit: "Die Forellen interessiert das nicht." Sie müssen betreut und gefüttert werden. Vieles geht mittlerweile auch in der Fischzucht automatisch. Die Fütterung beispielsweise oder die Überwachung des Sauerstoffgehalts in den Becken. Das hat aber auch seine Tücken: "Technik kann auch mal ausfallen und dann muss es schnell gehen", erklärt der gelernte Fischwirt: 15 bis 30 Minuten bleiben im Zweifel, um die Anlagen wieder zum Laufen bringen. Ansonsten verenden Forelle, Saibling und Co zu Tausenden.
Fische aus Oberkochen gehen nach ganz Süddeutschland
Die Forellenzucht am Kocherursprung ist viel größer als man denken würde. "Was die Menge an Fischen anbelangt gehören wir zu den Top Ten in Deutschland", sagt Fischböck. Lediglich zehn Prozent der Tiere werden im betriebseigenen Laden verkauft, der Rest wird in ganz Süddeutschland ausgeliefert, beispielsweise auch an Zuchtbetriebe, die selbst nicht genug eigene Fische haben und zukaufen müssen.
Die Forellen interessiert nicht, ob Wochenende oder Feiertag ist.
Sven Fischböck
Was Fischböck selbst einkauft, sind neben Futtermitteln und Sauerstoff auch die Fischeier, aus denen die Forellen und Saiblinge schlüpfen. In einem Bereich des Geländes befindet sich das Bruthaus, quasi die Kinderstube der Forellenzucht. In mehreren Becken, die die Größe einer überdimensionierten Badewanne haben, wuseln die kleinen nur mehrere Zentimeter großen Baby-Fische. Etwa 60.000 pro Becken. In diesem Bereich sind sie geschützt vor Witterungseinflüssen und können so zuverlässig großgezogen werden bis sie nach etwa drei Monaten in eines der Becken unter freiem Himmel umziehen können.
Das Wasser, in dem die Forellen, Saiblinge und Lachsforellen schwimmen, stammt direkt aus der Kocherquelle. "Eine bessere Wasserqualität gibt es eigentlich nicht", sagt Fischböck. Das Wasser fließt vom Kocherursprung einmal durch die Fischzucht und dann wieder in den Kocher zurück. Für den Betrieb ist das in mehrerlei Hinsicht ein großer Vorteil. Nicht nur die Wasserqualität ist gleichbleibend hoch, auch die Temperatur bleibt weitestgehend konstant. Acht Grad hat das Wasser aus der Quelle, selbst im Sommer steigt die Temperatur nicht über zehn, im Winter sinkt sie nicht unter sechs Grad.
Trockenheit macht auch dem Kocher zu schaffen
Trotz allem muss in einem Teil der Becken auch mit zusätzlichem Sauerstoff gearbeitet werden. Der wird in einem großen Tank gelagert und über Sauerstoffeintragsgeräte ins Wasser gepumpt. Sensoren überwachen den Sauerstoffgehalt. Die Fütterung der Fische läuft mittlerweile auch automatisch: Die Pellets werden, abgestimmt auf die Menge und Größe der Fische, mit Luftdruck in die Teiche geblasen. "Wir verwenden nur das hochwertigste Futter", versichert der junge Betriebsinhaber. Auch deshalb, weil das Wasser aus der Fischzucht am Ende wieder im Kocher landet.
Seit 2016 verfügt die Fischzucht am Kocherursprung über eine Anlage zur Wasseraufbereitung, die dafür sorgt, dass weniger Wasser aus dem Kocher benötigt wird. In diesem Bereich des Betriebs leben derzeit rund 60 Tonnen Fische. "Die Becken mussten ohnehin saniert werden. Deshalb haben wir die Anlage aufgerüstet." Und so funktioniert es - einfach erklärt: Die Anlage arbeitet mit kleinen schwarzen Kunststoffteilen, etwa so groß wie Legosteine. Daran haften bestimmte Bakterien, die sich vom Amonium, das die Fische über die Kiemen ausscheiden, ernähren. Auf diese Weise wird das Wasser quasi biologisch gereinigt und kann nach der Aufbereitung wiederverwendet werden. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die vergangenen, teils sehr trockenen und niederschlagsarmen Jahre auch nicht gut für den Wasserstand des Kochers waren. Aber auch hier: Die Technik muss funktionieren und sie muss permanent im Auge behalten werden. "Der Schaden wäre ansonsten wirklich enorm", sagt Fischböck.
Für den Jungunternehmer und seine Familie bedeutet das ein Leben mit und im Betrieb: 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche muss jemand im Betrieb in Bereitschaft sein. Unterstützt wird Fischböck dabei von seinem Vater Thomas, der ihm auch nach wie vor bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite steht. Zwar hat der Junior an der Spezialschule in Starnberg die entsprechende Ausbildung zum Fischwirt absolviert und danach seinen Meister gemacht, die jahrzehntelange Erfahrung des Seniors fehlt ihm aber natürlich noch. "Ich bin sehr froh, dass er mich so gut unterstützt", sagt Sven Fischböck. Das gilt wiederum nicht nur für seinen Vater, sondern für die ganze Familie und insbesondere für seine Frau Marina, die gemeinsam mit ihm die beiden kleinen Töchter großzieht. "Ohne sie und ihr Verständnis würde das alles gar nicht gehen."
Druck, das Familienunternehmen einmal zu übernehmen, bekam Fischböck nicht. Nach der Schule hat er zunächst Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt, sich dann entschlossen, ein Jahr lang intensiv im Familienbetrieb mitzuarbeiten, um eine fundierte Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. Die Entscheidung dafür hat er nicht bereut, trotz der vielen Arbeit und der wenigen Freizeit. "Für mich ist es ein Traumberuf, gerade weil ich jeden Tag neue Herausforderungen erlebe."
Zu erfolgreich? Auch das gibt es
Gegründet wurde die Forellenzucht am Kocherursprug von Sven Fischböcks Großvater im Jahr 1976. Er begann mit einem einzelnen Teich. Über die kommenden fast fünf Jahrzehnte wurde das Unternehmen nach und nach weiter ausgebaut und modernisiert.
Zur Forellenzucht gehörte von 2005 bis 2013 auch ein Imbiss, in dem man frisch zubereitete Fischgerichte kaufen konnte. Das konnte der Betrieb laut Sven Fischböck aber irgendwann nicht mehr leisten: "Über Mittag hatten wir aus den umliegenden Unternehmen teilweise 150 bis 200 Kunden da. Das konnten wir irgendwann nicht mehr stemmen." Deshalb hat der Betrieb den Gastro-Teil wieder eingestellt.