Warum sich Dr. Julia Hummel aus Staufen in der geschlechtssensiblen Forschung engagiert
Nicht wenige Frauen kennen es: Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Monat kann man der Schokolade und den Chips einfach nicht widerstehen. Warum das so ist, ist wissenschaftlich noch nicht belegt, aber ein Forscherteam am Universitätsklinikum Ulm, zu dem auch die 32-jährige gebürtige Staufenerin Dr. Julia Hummel gehört, versucht, Licht ins Dunkel zu bringen.
Ihr Ansatz: Aus Studien mit schlanken Männern ist bekannt, dass das Gehirn auf Insulin reagiert. Und diese Reaktion ist von enormer Bedeutung, denn das Stoffwechselhormon Insulin steuert nicht nur die Aufnahme von Zucker in die Körperzellen, sondern hat auch wichtige Funktionen im Gehirn. Von hier aus steuert Insulin den Stoffwechsel im ganzen Körper, beeinflusst aber auch die Stimmung und den Appetit. „Insulin sendet uns ein Sättigungssignal, das dazu führt, dass man eher aufhört, zu essen“, erklärt Julia Hummel. Ebenso das Verlangen nach schmackhaften Nahrungsmitteln. „Wenn das Gehirn sensibel auf Insulin reagiert, hilft das dabei, die Mahlzeit zu beenden und trotz des guten Geschmacks nicht über das Sättigungsgefühl hinweg weiter zu essen.“
Insulin im Gehirn beeinflusst die Stimmung und den Appetit
„Weil bislang nur Forschungsergebnisse zu Männern vorliegen, war es uns wichtig, zu untersuchen, ob die Wirkung bei Frauen genauso ist“, so Hummel. Um das herauszufinden, verabreichten die Forschenden elf Frauen jeweils vor und nach ihrem Eisprung ein Insulin-Nasenspray. Die Ergebnisse wurden mit der Reaktion auf ein Placebo-Nasenspray verglichen. Der Befund der Studie: Je nach Menstruationsphase reagiert das Gehirn von Frauen unterschiedlich empfindlich auf das Hormon Insulin. Vor dem Eisprung war es empfänglicher dafür als nach dem Eisprung.
Nicht an der Studie beteiligte Forschende sehen durch die Arbeit deutliche Hinweise, die teilweise erklären könnten, warum sich bei vielen Frauen mitunter der Appetit und das Verlangen nach Essen kurz vor und während der Monatsblutung verändern, was im Endeffekt auch Einfluss auf die Regulierung des Körpergewichts haben könnte. „Mit unserer Studie wollten wir verstehen, wie der Menstruationszyklus den Stoffwechsel beeinflusst und die zugrundeliegenden Mechanismen aufdecken“, relativiert Hummel. „Man muss erst die biologischen Prozesse verstehen, um die Ergebnisse dann später irgendwann für therapeutische Zwecke zu nutzen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.“
Frauen werden Bilder von Essen im MRT-Scanner gezeigt
Zusätzliche MRT-Hirn-Scans von Frauen bestätigen jedenfalls die Ergebnisse der Studie. „Wir haben Frauen in der ersten und zweiten Zyklushälfte im MRT-Scanner Bilder von Essen gezeigt“, beschreibt Hummel. „Die Gehirnreaktion auf die Essenbilder ist in der zweiten Zyklushälfte, also nach dem Eisprung, höher. Diese Reaktion des Gehirns könnte sich auch auf das Essverhalten auswirken und zu höherer Nahrungsaufnahme in der zweiten Zyklushälfte führen.“
Aber ist eine Studie mit nur elf Teilnehmerinnen überhaupt aussagekräftig? „Bei der Planung einer Studie wird eine Berechnung gemacht, aus der hervorgeht, wie viele Teilnehmer gebraucht werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen“, so Hummel. „Das bedeutet aber nicht, dass unsere Ergebnisse nicht in noch weiteren und größeren Studien bestätigt werden sollten. Das ist aber allgemeingültig für die Wissenschaft.“
Maßstab vieler medizinischer Studien: der Mann
Generell ist es auch so, dass es in Medizin und Forschung noch immer überwiegend um Männer geht. Der Maßstab vieler medizinischer Studien ist ein 75 Kilogramm schwerer Mann. Warum werden Frauen häufig nicht berücksichtigt? „Bei Männern ist der Zeitpunkt der Untersuchung nicht so relevant, weil es keine hormonellen Schwankungen in einem regelmäßigen Zyklus gibt“, erklärt Hummel. „Bei Frauen ist es viel komplexer, weil mehrere Untersuchungen in den verschiedenen Zyklusphasen gemacht werden müssen. Das ist zeit- und kostenintensiver.“ Außerdem seien die Ergebnisse durch die Hormonveränderungen auch schwieriger zu interpretieren.
Hummel sieht wie viele ihrer Kollegen ein großes Problem darin, dass Frauen nicht in gleichem Maße untersucht und verstanden werden wie Männer. „Das kann durchaus Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Medikamenten und Behandlungsmethoden haben.“ Ihr Wunsch: „Es braucht mehr geschlechtersensible Forschung.“ In der Arzneimittelforschung würden zwar Frauen miteinbezogen, aber nur Frauen in der Menopause oder diejenigen, die mit der Pille oder anderen hormonellen Mitteln verhüten. „Es muss sichergestellt sein, dass die Frauen während der Zeit der Studie nicht schwanger werden, um den Embryo zu schützen. Es ist also schwierig, Daten von Arzneimittelstudien auf alle Frauen zu übertragen.“
Das ist die Forscherin
Staufen ist die Heimat von Julia Hummel. Ihr Abitur machte die 32-Jährige in Heidenheim an der Maria-von-Linden-Schule, dem ernährungswissenschaftlichen Gymnasium. Im Anschluss studierte sie in Bonn Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften. Ihren Master machte sie an der Uni Hohenheim im Fachbereich Ernährungsmedizin und schrieb anschließend ihre Doktorarbeit in Tübingen, wo sie in der klinischen Forschung rund um die Themen Adipositas und Diabetes tätig war. Derzeit arbeitet sie an der Uniklinik Ulm in der Sektion für Endokrinologie und Diabetologie und ist am Aufbau eines Studienzentrums für Stoffwechselforschung beteiligt. „Das Thema Ernährung und Stoffwechsel fand ich persönlich schon immer spannend“, sagt sie. „Und jetzt einer Arbeit nachgehen zu können, die Spaß macht und bei der man zusätzlich noch einen Beitrag zur Wissensbildung und der medizinischen Forschung leisten kann, ist natürlich super.“