Spaziergang mit Tieren

Warum sich Jochen Krauß aus Günzburg in Alpakas verliebt hat

Jochen Krauß bietet in Günzburg-Riedhausen Wanderungen mit Alpakas an. Auch im Winter kann man sich dabei von der beruhigenden Art der Tiere verzaubern lassen.

Die Gegend um die Mooswaldseen kann man wahrhaft als idyllisch bezeichnen. Aber wenn man ein Alpaka als Begleiter hat, hat man kaum einen Blick für die Landschaft. Eigentlich hat man nur Augen für die Tiere mit ihren großen Ohren und dem punkig-wuscheligen Haupthaar. Ein Anblick, der einem ganz unwillkürlich ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Anzuraten ist bei einem geführten Spaziergang mit den Tieren aber, dem Alpaka-Papa Jochen Krauß etwas Aufmerksamkeit zu schenken und seinen Ausführungen zu lauschen. Auf der Wanderung in Günzburg-Riedhausen, gleich hinter Niederstotzingen, erklärt er alles Wissenswerte rund um die ursprünglich aus den südamerikanischen Anden stammende Kamelart.

Und da gibt es allerhand zu wissen: Etwa, dass ein Alpaka bis zu 50 Kilometer pro Stunde schnell sein kann. Beim Spaziergang durch das Donaumoos merkt man davon allerdings recht wenig. Um nicht zu sagen: gar nichts. Sehr gemächlich geht es voran. Wenn es überhaupt vorangeht. Das vom Schnee gezuckerte Gras ist einfach ein zu großer Leckerbissen für die Tiere und es müssen einige Snackpausen eingelegt werden.

Bei einem Spaziergang mit Alpakas müssen einige Snackpausen eingeplant werden. Foto: Markus Brandhuber

Und wenn ein Alpaka fressen will, ist man als sein Spazierführer abgemeldet. Oder besser: noch abgemeldeter als sonst. „Das ist nicht, wie mit einem Hund Gassi zu gehen“, erklärt Krauß. „Ein Hund will dem Menschen gefallen, einem Alpaka ist der Mensch völlig egal.“ Ganz glauben will man das als sein zweibeiniger Begleiter natürlich nicht. Man hofft doch insgeheim, dass man das Zutrauen der Tiere gewinnen kann.

So auch Leonie. Sie ist elf und hat sich mit ihren Eltern und ihrer Tante für eine einstündige Wanderung angemeldet. Die ganze Woche sei sie deshalb schon aufgeregt, sagt ihr Vater schmunzelnd. Die Familie aus dem Kreis Reutlingen macht in der Gegend für ein paar Tage Urlaub und hat sich die Wanderung als Highlight für die tierliebende Leonie ausgedacht.

„Alpakas sind erhabene, königliche Tiere“

Leonie ist Reiterin, aber das prädestiniert sie offenbar nicht für den Umgang mit einem Alpaka. „Du musst Dich etwas zurücknehmen“, erklärt ihr Jochen Krauß gleich zu Beginn. „Alpakas sind erhabene, königliche Tiere, sie mögen Dominanz nicht.“ An der Leine oder am Halfter ziehen sei also ebenso nicht angeraten wie sinnlos. Zumal Leonie den Chef der Herde, Sandro, führt. „Der hat 95 Kilo“, sagt Krauß. „Wenn man an ihm zerrt, macht er zu und stellt sich dagegen.“

Leonie geht mit Herdenchef Sandro voran. Foto: Markus Brandhuber

Mit ihrer punkigen Frisur und dem flauschigen Fell sehen Alpakas zwar allerliebst und kuschelig aus, anschmiegsam und kuschelbedürftig sind sie aber nicht. „Sie sind eher distanziert und mögen die menschliche Hand nicht besonders. Der Kopf und die Schnauze sind ohnehin tabu“, sagt Krauß. Das Kennenlernen eines Alpakas vergleicht er mit einem ersten Date unter Menschen. „Erst verbringt man Zeit miteinander, gibt einen Cocktail aus und danach kann ein bisschen gefummelt werden, aber eben nicht sofort.“

Und gefummelt wird auch nur, wenn das Alpaka es mag. Das Fell auf dem Rücken von Bonito, dem Schönen, ist teddybärweich und man würde sich am liebsten hineinlegen. Aber bei den ersten Annäherungsversuchen, legt Bonito die Ohren an und wirft einem einen abschätzenden Blick zu. Wahrscheinlich muss man sich doch erst noch besser kennenlernen. Aber ist eine Wanderung dann doch eher Stress für die Tiere? „Es ist Arbeit für sie“, erklärt Krauß. „Wenn ich ihnen das Halfter anlege, wissen sie, dass es losgeht.“ Um die Tiere nicht zu vergrämen, macht Jochen Krauß aber nicht mehr als eine Wanderung pro Tag und das auch mit wechselnden Tieren. „Sie sollen keinen Widerwillen entwickeln.“

Ganz unwillkürlich zaubern die Tiere einem ein Lächeln ins Gesicht. Foto: Markus Brandhuber

Stehenbleiben muss man während des Spaziergangs übrigens auch, wenn nicht der Hunger, sondern die Natur ruft. Dass die Alpakas ihr Geschäft auf der offenen Wiese verrichten, ist laut Krauß aber eher untypisch. „Sie sind Heimscheißer“, sagt er. „Und im Stall machen sie nicht irgendwo hin, sondern alle machen an einer bestimmten Stelle.“ Aber warum diese Reinlichkeit? Immerhin haben die 45 Tiere auf dem Hof bei Günzburg vier Hektar Fläche zur Verfügung und können jederzeit entscheiden, ob sie drinnen oder draußen sein wollen. „Alpakas leben ursprünglich auf einer Höhe von 3000 bis 6000 Metern“, erklärt Jochen Krauß. „Da wächst nicht viel und das bisschen, das da wächst, verunreinigt man besser nicht.“

Zu fressen gibt es nur Gras und Heu

Weil sie in der freien Wildbahn nur Gras fressen, bekommen sie auch im Donaumoos nichts anderes als Gras oder Heu. „In den Anden wachst kein Apfelbaum in dieser Höhe, Gras und Heu sind das einzige, was sie vertragen. Man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man ihnen etwas anderes gibt“, sagt Jochen Krauß. Und apropos Essen. Alpakas werden in Deutschland nicht geschlachtet. Sie sind für den Verzehr nicht zugelassen. „Und wer es nicht schafft, über die Wolle einen Ertrag zu erwirtschaften, der hat die Alpakas einfach nicht verdient“, sagt Krauß. Leben können er und seine Frau von den Touren und dem Verkauf im Hofladen allerdings nicht. Beide arbeiten Vollzeit.

Jochen Krauß ist seit 13 Jahren großer Alpaka-Fan. Foto: Markus Brandhuber

Wie kamen sie überhaupt dazu, Alpakas zu halten? „Ich habe vor 20 Jahren den Hof meiner Eltern geerbt“, sagt Krauß. Dass er die Landwirtschaft aufgrund seines Berufs als Betriebswirt nicht einfach weiterführen können werde, sei von Anfang an klar gewesen. „Aber ich wollte Tiere halten und etwas von ihnen nutzen, ohne sie zum Schlachter bringen zu müssen.“ Er habe eine Sendung im Fernsehen über Alpakas gesehen und sich sofort schockverliebt. Das war vor etwa 13 Jahren und quasi die Geburtsstunde von der „Alpakas im Donaumoos GbR“. „Zu der Zeit habe ich auch meine Frau kennengelernt. Ich habe sie gefragt, ob sie es sich mit mir und den Alpakas vorstellen kann und sie hat ,Ja‘ gesagt.“ Und das sei auch genau das Richtige gewesen. „Ich liebe einfach die ruhige und beruhigende Art und Ausstrahlung der Tiere. Wenn ich einen schlechten Tag auf der Arbeit hatte, muss ich nur eine halbe Stunde am Zaun stehen und sie beobachten. Dann ist alles wieder gut.“

45 Alpakas leben auf dem Hof in Günzburg-Riedhausen. Foto: Markus Brandhuber

Die meisten Alpakas sind im Laufe des Spaziergangs aufgetaut und lassen sich problemlos anfassen. Wenn sich das Huftier aber auch nach einer Stunde nicht kuscheln lassen will, findet man im Hofladen jede Menge Felliges und Wolliges. Natürlich Socken und Mützen, aber auch Bettflaschenbezüge, Kissen und Handtaschen. Einmal pro Jahr, Ende Mai, werden die 45 Alpakas geschoren. Ihr Fell ist viel weicher als das von Schafen. Laut Jochen Krauß liegt das daran, dass es viel dichter ist und auch das Wollwachs, das Schafe vor Wind und Wetter schützt, ist im Vlies der Alpakas nicht vorhanden. Wolle von den Günzburger Alpakas kann man im Hofladen erwerben, vieles andere kauft Monika Schneider-Krauß aber auf Messen für Naturtextilien ein. Sie veranstaltet auf dem Hof auch Strickkurse mit der Wolle, die siebenmal so warm wie Schafswolle sein soll. „Wer im Winter friert, hat eindeutig zu wenig Alpaka an“, lacht Jochen Krauß.

Nach einer guten Stunde geht es zurück in den Stall. Und wie war’s? „Superschön“, kommt es wie aus einem Mund. Und Leonie ergänzt mit einem liebevollen Blick auf Sandro: „Ich hatte aber auch ein superfeines Alpaka. An Dich könnte man sich wirklich gewöhnen.“

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