Den „totalen Krieg“ soll Alice Weidel auf dem jüngsten AfD-Parteitag der Windkraft erklärt haben, als sie den Abriss der „Windmühlen der Schande“ angekündigte. Dieser Ansicht ist der Bundesverband Windenergie (BWE) und übt daran massive Kritik. Denn nicht zuletzt seien deutsche Unternehmen auf Windkraft angewiesen, führte Erhard Schulz, stellvertretender Vorsitzender des BWE-Landesverbands, in der jüngsten Landespressekonferenz in Stuttgart aus. „Und die Wirtschaft will diesen Weg in die energetische Unabhängigkeit gehen, auch mit eigenem Geld.“
Zehn Windkraftanlagen und eine 42-Hektar-PV-Anlage bei Ebnat
Das beste Beispiel dafür und Vorreiter in der Region ist die Carl Zeiss AG. Denn das Oberkochener Unternehmen beschreitet genau diesen Weg derzeit. „Der Zugang zu regenerativen Energien ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“, machten auch Felix Neuschwander, Geschäftsführer der Carl Zeiss Energie GmbH, und seine Kollegin Nicole Ziegler, Leiterin des Bereichs Nachhaltigkeit Zeiss, als Gäste der Landespressekonferenz deutlich.
Der Zugang zu regenerativen Energien ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
Felix Neuschwander, Geschäftsführer der Carl Zeiss Energie GmbH
Zeiss will nahe dem neuen Entwicklungs- und Produktionsstandort für Messtechnik und Mikroskopie nördlich von Ebnat zehn Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 70 Megawatt errichten lassen. Und nur einen weiteren Katzensprung entfernt soll eine Freiflächen-PV-Anlage mit einer Leistung von 40 Megawatt entstehen. Erst vor wenigen Tagen hatte der Ortschaftsrat der 42-Hektar-Anlage (das entspricht etwa 60 Fußballfeldern) an der A 7 grünes Licht gegeben. Betreiber der Anlage, die voraussichtlich ab 2027 ans unternehmenseigene Stromnetz angeschlossen werden könnte, wird die Zeiss Energie GmbH.
Direkte Stromleitungen von Ebnat nach Oberkochen
Das Unternehmen strebt gezielt eine energetische Unabhängigkeit durch den Einsatz eigener regenerativer Energiequellen an, erläuterte Felix Neuschwander. „Bis 2035 wird Zeiss in der Region stark wachsen und der Strombedarf wird sich in den kommenden zehn Jahren verdoppeln.“ Ziel sei es, 50 Prozent des Strombedarfs in Deutschland aus den grünen und regionalen Anlagen auf der Ostalb zu decken und durch die Eigenversorgung auch Entgeldkosten zu sparen. Die Produktionsstandorte in Oberkochen sollen über Stromleitungen direkt von Ebnat aus versorgt werden. Außerdem errichtet Zeiss dort ein Umspannwerk, das den Strom an Unternehmensstandorte in Jena und Wetzlar transportieren soll. Der Investitionsumfang beträgt mehr als 100 Millionen Euro.
Von einem Leuchtturmprojekt sprach Matthias Pavel vom Ellwanger Unternehmen Uhl Windkraft. Das Familienunternehmen mit 30 Mitarbeitern plant, errichtet und betreibt selbst Windkraftanlagen. Seit 2021 arbeite man gemeinsam mit Zeiss am Energiekonzept für das Unternehmen, an dem außer dem Regionalverband, dem Staatsforst und privaten Waldbesitzern auch zwei Landkreise und fünf Kommunen beteiligt sind. Neuschwander sprach von einem Kraftakt, der jedoch gelungen sei.
„Bürgerinitiative begleitete konstruktiv“
Große Unterstützung habe man erfahren, bestätigte auch Matthias Pavel. „Man hat verstanden, dass das Projekt im Zusammenhang mit Arbeitsplätzen in der Region steht.“ In der Bevölkerung sei eine relativ hohe Grundakzeptanz für Windkraft vorhanden, die allerdings abnehme, sobald Projekte konkret würden. Die örtliche Bürgerinitiative habe das Projekt jedoch nicht pauschal bekämpft, sondern „konstruktiv begleitet“. „Und so erzielt man dann auch sehr gute Lösungen.“ Nicht zuletzt auch, weil Kommunen und private Waldbesitzer vom Windpark in Form von Pacht profitieren können.
Windkraft ist ein wichtiger Standortfaktor für die Zukunft
Felix Neuschwander, Geschäftsführer der Carl Zeiss Energie GmbH
Ursprünglich waren zwölf Windkraftanlagen geplant, so Pavel. Nun werden es wohl zehn werden, doch für Baden-Württemberg sei es dennoch ein großes Projekt. Produziert werden die leistungsstarken Anlagen mit einer Nabenhöhe von 179 Metern von einem deutschen Hersteller aus Rostock. „Hier geht es um Stromerzeugung und nicht um Kapitalerträge. Und diese riesige Investition ist auch ein Standortbekenntnis von Zeiss.“ Im ersten Halbjahr wolle man in das Genehmigungsverfahren einsteigen und hofft, dass 2028 die ersten Windkraftanlagen Zeiss mit Strom versorgen werden. Auch das Thema Stromspeicherung habe man im Blick, so Neuschwander, allerdings gebe es hier noch „erhebliches Kostensenkungspotenzial“.
„Windkraft ist ein wichtiger Standortfaktor für die Zukunft“, betonte Neuschwander. Und Pavel ergänzte: „Zeiss baut so etwas nicht aus Spaß an der Freude, sondern weil es für ein Wirtschaftsunternehmen enorme Bedeutung hat, eine verlässliche Stromquelle mit gleichzeitiger Preissicherheit auf Jahrzehnte zu haben.“ Pavel und Neuschwander plädierten dafür, Unternehmen den Zugang zu Flächen für Windkraft zu erleichtern, auch wenn sie nicht „in Sichtweite“ zum Firmenstandort liegen.