Wie Assistenzhund Paco dem kleinen Lenox den Alltag erleichtert
Paco ist 13 Wochen alt und stapft durch den Garten seines neuen Zuhauses in Oberkochen wie es ein Hundewelpe in seinem Alter nun einmal tut: In dieser Ecke gibt es etwas Spannendes zu schnüffeln, im Sandkasten wird gebuddelt und verbotenerweise wird gleich die Plastikfolie unterm Sand auch angeknabbert. Und doch ist Paco kein normaler Welpe. Denn egal, womit der kleine American Collie gerade so beschäftigt ist, eines seiner neuen Familienmitglieder scheint er dabei immer im Blick zu behalten: den neunjährigen Lenox. Paco ist noch ein Hundebaby, aber offenbar hat er jetzt schon begriffen, was seine Aufgabe ist und für den Rest seines Lebens auch bleiben wird: ein Assistenzhund zu sein.
Lenox aus Oberkochen: bis zu 70 Anfälle am Tag
Der junge Oberkochener Lenox leidet nicht nur an einem Gendefekt, sondern an gleich zweien. Weltweit, so sagt seine Mama Nathalie Vandrey, ist diese Kombination einzigartig. Für den Jungen und seine Familie bedeutet das eine enorme Belastung: Zwischen drei und 70 Krampfanfälle hat Lenox - und das jeden Tag. Es gibt kein Medikament, das sie verhindern kann. "Alles was wir tun können, ist aufzupassen, dass er sich während eines Anfalls nicht verletzt", sagt Mama Nathalie. Die 38-Jährige ist alleinerziehend, hat neben Lenox noch eine 14-jährige Tochter. Arbeiten zu gehen, ist für sie eigentlich unmöglich: Jemand muss 24 Stunden am Tag bei Lenox sein. Der Neunjährige hat sich in der Vergangenheit schon verletzt bei seinen epileptischen Anfällen: Die Zähne hatte er sich schon einmal ausgeschlagen, auch schon einen Arm gebrochen. Wenn er aber wie an diesem Nachmittag gerade im Sandkasten sitzt, kann Mama Nathalie für einen Moment durchatmen. Dort kann er sich kaum verletzen.
Als Lenox 2013 auf die Welt kam, spürte Nathalie Vandrey bald, dass etwas nicht stimmte. Der Junge bekam Krampfanfälle, die Ärzte vermuteten zunächst, dass es sich um Fieberkrämpfe handelte. Nach einer Impfung mit drei Jahren verlor Lenox plötzlich die Fähigkeit zu sprechen und zu gehen. Mühsam und zum Erstaunen der Mediziner erkämpfte sich der kleine Junge mithilfe von Logopädie und Ergotherapie diese Fähigkeiten zurück. Doch die Krampfanfälle, sie bleiben.
Für Nathalie Vandrey war irgendwann klar, dass nur ein Assistenzhund ihrem Sohn helfen kann, ein Stück weit selbstständig zu werden. Die speziell ausgebildeten Hunde können einen herannahenden Anfall spüren und zeigen ihn an. So haben Epilepsiekranke die Möglichkeit, sich auf einen Anfall vorzubereiten und sich vor potenziell lebensgefährlichen Stürzen zu schützen. "Paco ist gerade einmal 13 Wochen alt, aber hat schon zwei Anfälle von Lennox angekündigt", sagt Vandrey. Es scheint also zu funktionieren, auch wenn Pacos Ausbildung mit einer speziellen Trainerin für Assistenzhunde noch zwei Jahre lang dauern wird. Diese Ausbildung wiederum ist nicht nur aufwändig, sie ist auch teuer. Werden andere Assistenz- und Begleithunde, etwa für Sehbehinderte, von der Krankenkasse bezuschusst, gilt das nicht für auf Epilepsie spezialisierte Hunde. Einen Hund wie Paco aus der eigenen Tasche zu finanzieren, war für die alleinerziehende Mutter aber völlig unmöglich.
Spendenaktion über das DRK Steinheim
Und so kam eben die Steinheimerin Rosalia Tietböhl ins Spiel. Die Chefin der Steinheimer DRK-Bereitschaft hat nicht nur bekanntermaßen ein sehr großes Herz, sondern ist gleichzeitig auch eine Bekannte von Nathalie Vandrey. Sie startete 2022 gemeinsam mit ihren DRK-Helfern eine Spendenaktion für Lenox und hat bis dato 18.000 Euro gesammelt, um dem kleinen Jungen seinen Traum zu erfüllen. Parallel dazu begann die Suche nach möglichen Züchtern und einem geeigneten Welpen - was schwieriger ist, als man vermuten würde. "Nicht jeder Hund ist geeignet dafür, Assistenzhund zu werden", sagt Rosalia Tietböhl. Paco kam mit sieben Wurfgeschwistern zur Welt. Er war der einzige für die Ausbildung geeignete Welpe, der bereits von Geburt an diese besonderen Fähigkeiten mitbringt. "Als wir die Nachricht bekamen, dass es für uns einen Welpen gibt, war das unbeschreiblich", sagt Nathalie Vandrey: "Ich konnte es gar nicht fassen."
Nun ist er aber da, der kleine Paco. Und im Moment stellt er das Leben der Vandreys noch ein kleines bisschen mehr auf den Kopf als bisher. Er ist und bleibt eben noch ein Baby, trotz seiner Fähigkeiten, nahende Anfälle quasi zu riechen. "Im Moment ist er mein drittes Kind", sagt die Oberkochenerin.
Die komplette Ausbildung von Paco mit allem Drum und Dran wird sich am Ende auf insgesamt 24.000 Euro summieren. "Wir sind jedem unendlich dankbar, der bisher für uns gespendet hat", sagt die alleinerziehende Mutter. Irgendwann einmal wird Paco soweit sein, dass er zuverlässig auf Lenox aufpassen und frühzeitig Alarm schlagen kann. Für Nathalie Vandrey bedeutet Paco, dass sie irgendwann einmal wieder schlafen kann, ohne mit einem Auge und einem Ohr wach zu bleiben. Und was Paco wiederum für ihren Sohn bedeutet, kann sie kaum in Worte fassen: Er sei noch einmal richtig aufgeblüht, seit der kleine Hund bei ihnen eingezogen ist. Immer wieder spüre man die besondere Bindung, die der Hund zu dem kleinen Jungen aufbaut. "Ich nenne das unsere ,Wunder-Momente'", sagt die 38-Jährige. Mindestens genauso wichtig wie die Freude und Unterstützung, die Paco noch für Lenox' zukünftiges Leben bedeuten wird, findet Vandrey aber auch die Erfahrung, die ihr Sohn bereits jetzt machen durfte: "Das alles hat Lenox gezeigt, dass Wünsche eben doch in Erfüllung gehen können - selbst wenn man es im Leben nicht leicht hat."
Spenden für Lenox und Assistenzhund Paco
Die komplette Ausbildung von American Collie Paco zum Assistenzhund ist noch nicht vollständig finanziert. Wer dem neunjährigen Lenox und seiner Familie dabei helfen möchte, kann das über eine Spendenaktion auf www.unsere-hilfe-zaehlt.de tun.