Alltagsengel

Wolfgang Hundt: unermüdlich im Einsatz für die Kapverden

Wolfgang Hundt, 76 Jahre alt und aus Landshausen, hat in seinem Engagement für die Kapverden seine große Lebensaufgabe gefunden. Aktuell hat er zwei gesundheitlich angeschlagene Frauen zu Gast – und hilft ihnen, wo er nur kann.

Wolfgang Hundt: unermüdlich im Einsatz für die Kapverden

Man mag ihn einen Engel nennen, einen Menschen, der sich für andere einsetzt und ihnen hilft. Wenn er denn tatsächlich ein Engel ist, dann ein äußerst beherzter, einer, der wie der Teufel kämpft für die, die seine Hilfe brauchen. Er ist keiner, der im Stillen wirkt. Er wirbelt und tut und macht und ist bekannt wie ein bunter Hund. Ein Hansdampf in allen Gassen. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich Wolfgang Hundt für die Menschen auf den Kapverden. Kein Tag vergeht, an dem er nicht im Einsatz ist – zuhause in Landshausen oder direkt vor Ort auf den Inseln vor der Westküste Afrikas.

Filomena Miranda ist eine von denen, der er hilft. Vor 20 Jahren verlor die 65-Jährige ihren Unterschenkel bei einem Unfall. Die Operation wurde damals wohl von einem Stümper gemacht, der auf sensibles Gewebe, auf Knochen und Nerven keine Rücksicht nahm. Seit 20 Jahren kann sich die ehemalige Lehrerin deshalb nur unter großen Schmerzen fortbewegen. Die Prothese, aus Holz geschnitzt und mit Pappe gepolstert, drückte derart auf den Stumpf, dass Filomena die meiste Zeit des Tages im Liegen verbrachte.

Von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik: Der lange Weg von Wolfgang Hundt und Patientin Filomena

Nun ist die Frau von den Kapverden seit einigen Wochen in Deutschland. Wolfgang Hundt und sein Verein „Freunde helfen Freunden“  haben die Reise organisiert. Tag für Tag sind Filomena und der 76-Jährige nun unterwegs – von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik, von Fachmann zu Fachmann. Hundt ist ein Klinkenputzer. Er kennt unzählige Menschen, die ihm und seinen kapverdischen Schützlingen irgendwie weiterhelfen.

Die neue Prothese hat Wolfgang Hundt bereits besorgt, aber noch steht Filomena Miranda eine Operation bevor. Claudia Hammer-Rehm

Filomena hat inzwischen eine neue Prothese. Wolfgang Hundt hat sie vom Sanitätshaus Häussler in Ulm bekommen. Noch weiß er nicht genau, was das Teil kosten wird. „Zwischen fünf- und zehntausend Euro“, meint er. Viel Geld für den kleinen Verein „Freunde helfen Freunden“, dem Wolfgang Hundt vorsitzt und der gerademal 55 Mitglieder hat. Er weiß, dass ihm das Sanitätshaus entgegenkommen wird, und er hofft auf Spenden. Hoffnung hat er auch, dass Filomena in einer der großen Kliniken in Ulm kostengünstig operiert werden kann, so dass der Stumpf nicht mehr schmerzt und sie mit der neuen Prothese endlich ein beschwerdefreies Leben führen kann.

Vor einigen Jahren hat Wolfgang Hundt auch São unter seine Flügel genommen. Damals hatte die inzwischen 34-Jährige ein neues Glasauge bekommen. Mit dem Auge wuchsen ihr Selbstbewusstsein und ihre Lebensfreude. Doch Sãos Leidensweg ist noch nicht zu Ende. Sie leidet an einer Autoimmunkrankheit – Kollagenose, die durch eine Fehlbehandlung in ihrer Heimat ausbrach. In Deutschland hat Wolfgang Hundt Ärzte gefunden, die Sãos Krankheit richtig diagnostizierten und auch korrekt behandeln. Immer wieder muss sie deshalb hierherkommen und medikamentös neu eingestellt werden.

Vorübergehendes WG-Leben bei Wolfgang Hundt in Landshausen

São und Filomena wohnen momentan in der Wohnung von Wolfgang Hundt in Landshausen. Neben all den Terminen, die die drei haben, kümmert sich der Rentner auch um den täglichen Einkauf und ums Kochen. Normalerweise lebt er alleine. Nach seiner Scheidung und dem Ende des Berufslebens hat er in seinem Engagement für Kap Verde einen neuen Lebensinhalt gefunden, der ihn restlos fordert, aber es scheint so, als würde ihm dieses vorübergehende WG-Leben auch guttun.

Gleich gibt es Mittagessen in der Dreier-WG: Wolfgang Hundt, São und Filomena. Claudia Hammer-Rehm

Hinter all dem Lauten und Aktiven und oftmals Hektischem erahnt man eine sensible, sehr besorgte Seele, eine, die sich Gedanken macht. Wolfgang Hundt ist 76 Jahre alt. Er hatte einen Schlaganfall, und er hat Probleme mit dem Herz. „Ich habe doch eine Fürsorgepflicht“, sagt er. „Wer kümmert sich, wenn ich nicht mehr lebe?“ Wer sorgt dafür, dass São weiterhin die Behandlung bekommt, die sie braucht? Wahrscheinlich, so meint er, ist es in jedem Fall besser, keine neuen Patienten mehr hierher zu bringen. Und die Aktionen mit den Containern will er ganz aufgeben. Vor vier Wochen hat er die letzte Riesenkiste auf den Weg nach Cabo Verde geschickt.  Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Oktober in die Portugiesische Republik flog, hätte Wolfgang Hundt eigentlich mit an Bord sein sollen. Es gab aber Probleme mit dem Container. Hundt musste sich kümmern, er musste wirbeln, er musste seine Kontakte spielen lassen, und so flog er halt nicht mit in der Regierungsmaschine.

Mehr als 230 Tonnen OP-Material, medizinisches Gerät, Sauerstoffgeräte, Schulbänke und vieles mehr hat er im Laufe der Jahre über zig Ecken und unzählige Spenden und mit Hilfe vieler Unterstützer organisiert, in 40-Fuß-Stahlkisten verpackt und auf die Inseln im Atlantik geschickt.

Ärger über Korruption und Willkür auf den Kapverden

Herzprobleme hin oder her – er kann sich ganz ungeheuer aufregen, wenn seiner humanitären Hilfe Steine in den Weg gelegt werden. Im letzten Container war ein teures Mammographiegerät, Spende eines Stuttgarter Krankenhauses. Außerdem 500.000 OP-Masken, 6.000 Schutzkittel und 30 Paletten Desinfektionsmittel, die Wolfgang Hundt vom Katstrophenschutzzentrum Baden-Württemberg "abgestaubt" hat. Wenn dann ein Despachante, ein kapverdischer Zollbeamter, tausende Euro bei der Einfuhr verlangt, obwohl es sich ganz klar um eine humanitäre, zollfreie Hilfslieferung handelt, dann wird der Landshausener wütend. Die Korruption und Willkür auf den Kapverden ärgern ihn maßlos. Die Papiere seiner Container sind stets in Ordnung. Dafür fährt er auch schnell mal nach Berlin zur Kapverdischen Botschaft und ins Auswärtige Amt. Er nimmt den Zug, denn so richtig fit fühlt er sich nicht, um mit dem Auto zu fahren.

Der Container vom Oktober wird wohl sein letzter gewesen sein. Er schafft es einfach nicht mehr, sich um die Beladung beinahe alleine zu kümmern. Die selbstgebauten Holzkisten sind alle schwer, ohne Gabelstapler ist medizinisches Gerät kaum zu bewegen. Es fehlt an Helfern, und auch eine selbstgebaute Rampe erleichtert die Arbeit nur marginal. Wolfgang Hundt ist müde. Er ist nicht mehr der Jüngste, und er ist nicht gesund. Auch Engel dürfen sich irgendwann zur Ruhe setzen. „Mal sehen“, sagt der ewige Hansdampf und denkt wahrscheinlich schon an die nächste Aktion.

Wer Wolfgang Hundt, den Verein und die Menschen auf den Kapverden unterstützen möchte, findet Informationen im Internet unter www.freunde-helfen-freunden.com.

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