Die Energiewende hat uns im Griff. Quer durch die Republik wird an klugen Lösungen getüftelt. Und wenn wir von Energie sprechen, geht es immer auch um Wärme. Darum, wie wir unsere Häuser heizen und warmes Wasser bekommen.
Ein Baustein, wie wir unsere Versorgung umstrukturieren können, sind Wärmenetze. Einheiten, die ein Gebiet oder gar einen ganzen Ort mit lokal erzeugter Wärme versorgen. Gas und Öl sollen damit hinfällig oder zumindest wesentlich reduziert werden. Energieunabhängigkeit ist das Schlagwort. Spätestens seit dem Ukraine-Krieg hat das an Brisanz gewonnen.
Und nicht zuletzt seit der kommunale Wärmeplan Städte und Gemeinden verpflichtet, sich mit künftigen Szenarien zur Wärmeplanung auseinanderzusetzen, dürfte so manch einer in die bayerische Nachbarschaft schielen.
Netz soll im Februar/März 2025 in Betrieb gehen
Hier in Zöschingen, in der kleinsten Gemeinde des Nachbarlandkreises, ist man nämlich vielen einen Schritt voraus. Hier soll aller Voraussicht nach im Februar oder März kommenden Jahres das eigene Wärmenetz in Betrieb gehen. Das Ziel: Regenerative und lokal erzeugte Wärme soll den 780-Einwohner-Ort unabhängig von Gas und Öl versorgen können. Zöschingen könnte damit die sogenannte und viel zitierte Wärmwende schaffen – und Vorreiter sein.
Um das Prinzip zu verstehen und auch Fakten abzuklären, lohnt sich ein genauer Blick.
Wie kam Zöschingen dazu? Nachdem in Zöschingen die Sanierung der Ortsdurchfahrt angestanden hatte und der Breitbandausbau voranzutreiben war, kamen auch Gedanken über eine Nahwärmeversorgung auf. Den entscheidenden Aha-Moment hatte Zöschingens Bürgermeister Tobias Steinwinter bei einer Dienstreise des Gemeindetags. „Wir haben einen Ort besucht, der sich selbst versorgt. Ich dachte mir: Wenn die das können, können wir das auch.“ Weil bereits die Ausschreibungen für die Ortsdurchfahrt unmittelbar bevorstanden, war Eile geboten. „Wir waren uns im Gemeinderat aber schnell einig“, sagt der Bürgermeister. So wurde ein Partner gesucht, wurden laufende Wärmenetze besichtigt, Beschlüsse gefasst – und in die Tat umgesetzt.
Was ist der aktuelle Stand? Wer in Zöschingen wohnt, erlebt es hautnah, wer jemanden besuchen oder einfach nur durchfahren möchte, bekommt es zu spüren: Zöschingen ist seit einiger Zeit Dauer- oder besser gesagt Wanderbaustelle. Neben der Sanierung der Ortsdurchfahrt und der Breitbanderschließung wird sukzessive der Leitungsbau für das Wärmenetz vorangetrieben. An der Forststraße wird zudem das Herzstück des Wärmenetzes gebaut – hier entsteht die Heizzentrale mit Wärmepumpe, Speicher, Spitzenlastgaskessel und Steuerung. Die Freiflächen-PV, die die Heizzentrale künftig mit Strom versorgen soll, wird voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren installiert werden. Sie entsteht auf einer knapp vier Hektar großen Fläche, am südwestlichen Rand von Zöschingen rund um die ehemalige Bauschuttdeponie.
Ziel ist es, jedem Haushalt Zugang zum Netz zu ermöglichen
Wie können Bürger profitieren? An das Wärmenetz sind alle kommunalen Gebäude angeschlossen. Zudem haben die Zöschinger Bürger die Möglichkeit, ihre Häuser anzuschließen. Neben dem Vollanschluss gibt es auch andere Möglichkeiten der Vorverlegung. Je nach Nachfrage werden die Straßen nach und nach mit den nötigen Leitungen versorgt. Fakt ist, dass nur dort ein Ausbau erfolgt, wo auch genügend Interessenten da sind. Bürgermeister Steinwinter erklärt: „Am Ende muss es natürlich auch immer wirtschaftlich sein.“
Photovoltaikanlage soll nötige Energie liefern
Was kostet das Wärmenetz? Für den Bau des Wärmenetzes fallen hohe Kosten an. Bürgermeister Tobias Steinwinter beziffert den Einsatz auf rund 9,6 Millionen Euro. Anteilig trägt die Gemeinde rund 250.000 Euro. Investor ist die eigens gegründete Renergiewerke GmbH, die das Netz betreibt. Sie ist eine Tochtergesellschaft der GP Joul GmbH, die das gesamte Projekt geplant hat. GP Joule ist ein Spezialist für erneuerbare Energie und hat bereits Nahwärmenetze realisiert. Die Gemeinde Zöschingen hält selbst 25 Prozent der Anteile an den Renergiewerken. Auch der Aufsichtsrat ist mit Zöschinger Gemeinderäten besetzt.
Wie funktioniert das Wärmenetz? Im Mittelpunkt steht eine Luft-Wärmepumpe, die regenerative Wärme erzeugt. Diese Wärme gelangt über ein Leitungsnetz in die Haushalte. Eine Übergabestation überträgt die Wärme an den Heizkreislauf im Haus. Die Heizzentrale soll weitgehend mit eigens produziertem Photovoltaik-Strom betrieben werden. Bis zur Installation und auch wenn nicht genügend PV-Strom zur Verfügung steht, wird die Heizzentrale mit grün zertifiziertem Netzstrom gespeist. Spitzenlasten können künftig mit einem Gaskessel abgedeckt werden. Steht mehr Wärme bereit, als verbraucht wird, kann diese in einem Wärmespeicher bevorratet werden. Zukunftsmusik ist noch der Anschluss der bestehenden Windkraft ans Netz. Hierfür fehlt bislang aber noch die nötige Infrastruktur. Steinwinter: „Dann würden die Bürger direkt und unmittelbar spüren, wofür sich das Windrad dreht.“
Gut die Hälfte der Haushalte will aktuell einen Anschluss
Wie ist das Interesse seitens der Bürger? Von den 275 Wohngebäuden in Zöschingen wollen aktuell 150 angeschlossen werden oder zumindest die Vorkehrungen dafür treffen. „Das ist gut die Hälfte“, sagt Steinwinter. Ziel sei es, dass jeder, der einen Anschluss ans Wärmenetz haben möchte, auch einen haben kann.
Wann soll die erste Nahwärme fließen? Der Bürgermeister und GP Joule gehen davon aus, dass ab Februar/März 2025 die erste Nahwärme fließt. Bis Mitte 2025 sollen die Bauarbeiten so fortgeschritten sein, dass man drei Viertel des Ortes versorgen könnte. Parallel läuft die Akquise weiterer Kunden.
Was, wenn die Technik bald nicht mehr ausreicht oder überholt ist? Philip Kraus, der seitens der GP Joule verantwortlich ist, sagt: „Die Heizzentrale kann gegebenenfalls erweitert werden, wenn die Nachfrage wächst.“ Hierfür gibt es auch bereits Pläne. Und Tobias Steinwinter ergänzt: „Sollte sich mit den Jahren eine ganz neue Technologie auftun, können wir umsatteln. Vorteil ist, dass der Bürger es nicht selbst tun muss.“
Blickt man in den Kreis Heidenheim, ist Gussenstadt ein Paradebeispiel in Sachen Nahwärme. Hier gibt es eine Genossenschaft, die das Dorf versorgt. In Sachsenhausen versorgt ein privater Landwirt etwa die Hälfte der Haushalte mit „grüner“ Nahwärme. Auch in Hausen speist ein Privatmann Wärme ein.