Kommunalpolitik

Mirjam und Bernd Steiner sind zusammen 40 Jahre im Bürgermeisteramt in Syrgenstein

36 Jahre lang leitete Bernd Steiner die Geschicke Syrgensteins. Dann beerbte ihn seine Tochter. Zusammen zählen sie nun 40 Amtsjahre. Ein Doppel-Porträt.

Die Verbundenheit zur Gemeinde ist schon auf dem Parkplatz sichtbar. Während andere ihre Initialen oder die ihrer Kinder durch die Straßen fahren, stellen Bernd und Mirjam Steiner mit einem „SY“ im Kennzeichen klar: Sie sind im Sinne der Gemeinde unterwegs. Immer. Beziehungsweise noch immer.

Im Besprechungszimmer navigiert Bernd Steiner die Jalousien zurecht. So routiniert, als ob er sich im heimischen Wohnzimmer befände. „Er hat noch alles drauf“, sagt Tochter Mirjam Steiner. Beide müssen lachen.

Bernd Steiner stand 36 Jahre lang an der Spitze der bayerischen Bachtal-Gemeinde. Dann folgte ihm seine Tochter Mirjam Steiner. Eine ungewöhnliche Geschichte, die sicher weit und breit ihresgleichen sucht.

Bernd Steiner kam 1979 von Esslingen nach Syrgenstein

Doch von Anfang. 1979 war Bernd Steiner mit seiner Frau von Esslingen nach Syrgenstein gezogen. Sie hatten einen Hof gekauft, die Frau sich ihren Traum von der Landwirtschaft erfüllt. Bernd Steiner – studierter Elektro- und Wirtschaftsingenieur – trat 1980 eine Stelle bei WMF in Geislingen an.

In die Kommunalpolitik ist er „so reingeschlittert“, wie er sagt und wie das eben oft ist in der Politik. Eine Woche vor der Wahl 1984 ließ er sich als Bürgermeisterkandidat aufstellen. Man hatte ihn gefragt, er hat eingewilligt. 56 Prozent stimmten nach einer angesetzten Neuwahl wegen zahlreicher ungültiger Stimmzettel für ihn. Das war wegweisend.

Nach sechs Jahren im Amt wurde er hauptberuflicher Bürgermeister

Sechs Jahre war Bernd Steiner ehrenamtlich im Dienst. Neben einem 40-Stunden-Job, Hof-Umbau und Familie stemmt er die politische Verantwortung vor allem abends und an den Wochenenden. Er selbst trat schließlich dafür ein, dass man eine 3000-Seelen-Gemeinde nicht einfach nebenbei leiten kann. Vor der Wahl 1990 beschloss der Gemeinderat, einen hauptamtlichen Bürgermeister einzusetzen. Steiner wurde erneut gewählt.

Mit der Zeit im Rücken konnte Steiner viele Projekte realisieren

Bernd Steiner war eine Konstante. Ein Macher und Stratege. Unter ihm ist die große Umgehung (1999) realisiert worden, die Sanierung der kommunalen Infrastruktur und fast aller Gemeindegebäude, der lang ersehnte und mehrfach verschobene Bau der Bachtalhalle (2006) – um nur einiges zu nennen. Pläne wie die zum Feuerwehrhaus-Neubau, der jetzt angegangen werden soll, lagen schon in seiner Schublade.

Geplant und vorbereitet hat er auch die Sanierung der Schulstraße, die als erstes großes Bauprojekt von Tochter Mirjam realisiert wurde. Hier erfolgt ein beidseitiges Lob an den Gemeinderat: „So viel ist und war nur möglich, weil wir ein mutiges, vertrauensvolles und weitsichtiges Gremium haben“, sagt Mirjam Steiner.

Bernd Steiners großes Plus war das große Vertrauen der Bürger. Mit Zeit im Rücken kann man Projekte langfristiger planen, finanziell klug jonglieren und Visionen realisieren. „Über einen längeren Zeitraum kann man auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten“, sagt der Altbürgermeister. Viele seiner Amtskollegen haben diese Möglichkeit nicht.

Mirjam Steiner beerbte ihren Vater 2020 mit 58 Prozent der Stimmen

2020 stellte sich Bernd Steiner nicht mehr als Kandidat zur Verfügung. Nach vorangegangener politischer Tätigkeit im heimischen Gemeinderat (übrigens als Stimmenkönigin) und im Kreistag folgte ihm seine Tochter Mirjam Steiner. Sie holte 2020 in einer Stichwahl 58 Prozent der Stimmen. Steiner folgte auf Steiner. Und aus dem „Bügermeisterle“, wie Mirjam Steiner in Kindertagen genannt wurde, ist eine Bürgermeisterin geworden.

Mirjam Steiner kennt faktisch kein anderes Leben als ein politisches. Seit sie denken kann, ist ihr Vater politisch aktiv. Sie hat sich nicht blauäugig in ein unbekanntes Abenteuer gestürzt. Arbeiten am Wochenende, Abendtermine, 365 Tage im Jahr Verantwortung – sie wusste, was sie tat. Dass man so viel gestalten und bewegen kann, unterschiedliche Parteien an einen Tisch holen und die Zukunft der Heimat mitbestimmen kann – das treibt sie an.

Sie will ihren eigenen Politikkurs gehen

Die 45-Jährige war ein Novum und eine Konstante zugleich. Sie ist die erste Bürgermeisterin der Gemeinde. Und während sie im Namen für Kontinuität sorgte, wollte sie inhaltlich gleich von Beginn an ihren eigenen Politikkurs gehen. Das sorgte in der Übergangsphase für die eine oder andere Reiberei zwischen Vater und Tochter. „Wir mussten unsere Rollen schon erst finden“, räumt Mirjam Steiner ein.

Auch im Gemeinderat selbst und bei den Bürgern musste ankommen: Mirjam Steiner trifft ihre eigenen Entscheidungen. „Es musste erstmal deutlich werden, dass nicht der Papa im Hintergrund die Fäden zieht“, sagt die Bürgermeisterin. Diese Klarheit hat Kraft und auch Kämpfe erfordert.

Bernd Steiner über seine Tochter: „Sie ist ein Dickkopf“

Mirjam Steiner ist nicht zimperlich. Das darf sie auch nicht sein in ihrem Amt. Ihr Vater nennt sie „Dickkopf“ – das sei sie schon immer gewesen. Standfestigkeit und Beharrlichkeit scheinen ihr in die Wiege gelegt. „Das befähigt sie wirklich für dieses Amt“, sagt Bernd Steiner. Mirjam Steiner resümiert: „Ich bin eben ein ausgeprägter Widder.“

Für die Bürgermeisterin spielt im Amt Integrität eine große Rolle. „Das haben wir schon früh gelernt“, erinnert sie sich. Sich im öffentlichen Leben bewegen, bedeutet auch, dass alle Handlungen bewertet und beäugt werde. Auch die der Familie. „Wir haben früh gelernt, dass man für seine Entscheidungen und Handlungen geradestehen muss“, sagt sie.

Von Kindesbeinen an politisch sozialisiert

Von klein an war ein „Hallo“ an alle Dorfbewohner Pflicht, das von Bernd Steiner ins Leben gerufene Kinderferienprogramm war Quality-Time mit dem Papa und Diskussionen am Familientisch normal. Mirjam Steiner ist sozusagen von Kindesbeinen an politisch sozialisiert. Und sie war im Gemeindewesen immer integriert, durchlief Bildungs- und Vereinsstationen. Sie hat ihre engsten Freunde hier. Ihr Arbeitgeber ist ihr Zuhause.

Dabei hatte sie es nie forciert, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. „Das war so nicht geplant“, sagt sie und lacht – wie sie es eigentlich ständig tut. Es ist ein sonniges Lachen, kein aufgesetztes. Gute Laune im Arbeitsalltag ist ihr wichtig.

Bürgermeisterin ist selbst ernannte Schnäppchenjägerin

Ihr politischer Kurs ist gesetzt. Ihr Augenmerk liegt weiter darauf, die finanziellen Ressourcen der Gemeinde gut aufzustellen. Sie will sich nicht auf die immer schwerer zu kalkulierenden Gewerbesteuern verlassen, im Gegenzug eher einen eigenen finanziellen Sockel aus Pacht- und Mieteinnahmen zimmern.

Zugutekommt dem sicherlich, dass Mirjam Steiner eine selbst ernannte Schnäppchenjägerin ist. Sie weiß die Prozesse zu steuern und die bestmögliche Finanzierung für Projekte zu finden. So kann es durchaus geschehen, dass sie Vorhaben länger zurückhält, sollte sich eine bessere Finanzierung abzeichnen. „Ich schaue wirklich immer, wo ich noch ein Schippchen schlagen kann. Wenn etwas dafür nochmal warten muss, nehme ich das gerne hin“, sagt sie. Auch wenn dies bedeute, den Unmut der Bürger auszuhalten.

Bachtal-Schwimmbad ist die große Vision

Ob sie Visionen hat? Durchaus. „Wenn ich unsere großen Projekte wie Feuerwehrhaus-Neubau und Verwaltungssitz-Neubau realisiert habe, wenn ich so weit bin, dass ich unsere Infrastruktur gut unterhalten kann, dann will ich ein Schwimmbad bauen“, sagt Mirjam Steiner. Die Quittung vom Vater, der im Juli 71 Jahre alt wird und mittlerweile im Allgäu lebt, kommt: „Das wäre mir jetzt als Letztes eingefallen.“

Im März 2026 ist in Bayern Kommunalwahl. Ob die Steiners hier die Weichen stellen für die gemeinsame 50-Jahr-Hürde? Wir werden es sehen.

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