Zwischen Heimwerkerstolz und Waffenrecht

Waffenhandelsprozess gegen ein Ehepaar aus Neresheim: Bohrungen im Fokus des Ellwanger Landgerichts

Können Heimwerker Dekowaffen scharf machen? Im Waffenhandelsprozess gegen ein Ehepaar aus Neresheim ging es vor dem Ellwanger Landgericht um technische Fähigkeiten und die Feinheiten des Waffenrechts.

Womöglich wären Heimwerker, wie es sie im Ländle zahlreich gibt, am vergangenen Mittwoch in der Verhandlung des Ellwanger Landgerichts unruhig geworden. Es ging um die Frage, ob es bereits vertiefte handwerkliche Fähigkeiten braucht, um mittels Handbohrmaschine, Bohrständer, Maschinenschraubstock und Metallbohrern ein Loch durch die Längsachse eines etwa fingerlangen Metallstücks zu bohren.

Die eingangs erwähnten Heimwerker würden sich das sicherlich in großer Zahl zutrauen, aus Perspektive eines Juristen ist solches Selbstvertrauen freilich wenig stichhaltig – zumal die Frage über Wohl und Wehe des Angeklagten entscheiden könnte.

Vor dem Landgericht steht derzeit ein 48-Jähriger aus Neresheim, der unter anderem wegen Waffenhandels vor Gericht steht (wir berichteten). Ihm wird in mehr als einhundert Fällen der Handel mit wesentlichen Teilen von Schusswaffen zur Last gelegt. Seine mitangeklagte Ehefrau soll an den Taten beteiligt gewesen sein.

LKA-Experte konnte Deko-Lauf scharf machen

Am Mittwoch, dem zweiten Verhandlungstag, sagte ein Waffensachverständiger des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA) aus. Er hatte anhand sogenannter Laufbündel untersucht, ob diese mit allgemein gebräuchlichen Mitteln aufgebohrt und damit „scharf“ gemacht werden könnten. Bei diesen Laufbündeln handelt es sich um miteinander verbundene Stahlprofile, die zum Teil aufgebohrt waren und den realen Läufen echter Colt-Modelle ähnelten.

Die Anklage geht davon aus, dass der 48-Jährige, der sich derzeit wegen Waffenhandels bereits in Haft befindet, damit waffenfähige Teile an seine Kunden geliefert hat, die diese mit Hobbywerkzeug zu schussfähigen Läufen umrüsten konnten. Der Angeklagte sieht sich lediglich als Lieferant dekorativer Bauteile für eine Szene von Waffenliebhabern.

Ohnehin spricht der Mann gerne über Waffen. Mehrmals traten die Prozessbeteiligten am Mittwoch am Zeugentischchen zusammen, um sich beschlagnahmte Laufbündel anzusehen. Mittendrin der Angeklagte, diesmal in Springerstiefeln, gemäß rechtsextremer Codes geschnürt, in Armeehose und erneut einem T-Shirt mit rassistischen Parolen. Er gefällt sich sichtlich darin, mit dem Sachverständigen quasi auf Augenhöhe zu parlieren, hält ihm vor, wie er solche Bohrungen bewerkstelligt habe – nämlich mithilfe einer Drehbank.

Waffenrecht kennt den „Faktor Mensch“ nicht

Im Kern des Verfahrens steht dennoch die Frage, welchen Aufwand die Käufer gehabt hätten, um die Laufbündel im heimischen Hobbykeller aufzubohren. Und selbst wenn, handelt es sich dann im juristischen Sinne um eine „wesentliche Nacharbeit“? Hätten Käufer nämlich die Läufe erst mit wesentlicher Nacharbeit schussfähig machen können, hätten die Angeklagten wiederum keine dezidierten Waffenteile vertrieben. Es ist kompliziert.

Für Laien sei es „absolut undenkbar“, die Dekoläufe aufzurüsten, sagte der Angeklagte überzeugt. Auch sein Anwalt Gerhard Jung befindet, „nur sehr wenige Menschen“ könnten einen Bohrer entsprechend ansetzen, dafür brauche es handwerkliches Geschick.

Der Sachverständige hielt entgegen, jeder Mensch mit einer Mechanikerausbildung sei ihm weit überlegen. „Ein engagierter Heimwerker mit Metallerfahrung sollte das hinbekommen“, so seine Einschätzung. Außerdem: Der „Faktor Mensch“ sei nicht Bestandteil des Waffenrechts, dort sei lediglich aufgeführt, welche Werkzeuge „allgemein gebräuchlich“ sind – siehe schwäbischer Bastelkeller.

Dem LKA-Fachmann war es immerhin gelungen, einen Lauf aufzubohren und mittels Feile so herzurichten, dass er einen Schuss durch den Lauf abfeuern konnte. Ob das auch den Kunden des angeklagten Paares gelungen ist, ob sie es überhaupt im Sinne hatten, blieb am Mittwoch zunächst offen.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch, 19. Februar, fortgesetzt.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar