„Überwältigend“ nannte Günther Paschaweh vom gastgebenden Nattheimer „Museumsverein Geschichtswerkstatt“ die Resonanz: Fast 100 Interessenten hatten sich angemeldet, der Vortrag „Von Grabhügeln und Viereckschanzen – Die Kelten auf dem Härtsfeld“ musste vom Alten Schulhaus in die Nattheimer Gemeindehalle verlegt werden. Der Referent war freilich kein Archäologe, sondern Pfarrer: Michael Rau, seit sechs Jahren in Herbrechtingen und gebürtiger Gerstetter, hat sich aber tief in die Frühgeschichte eingearbeitet, seit er 2003 nach Bopfingen berufen wurde und dort die langjährige und sehr ergiebige Grabungskampagne am Ipf aus großer Nähe verfolgen konnte.
Werkstatt im Keller des Herbrechtinger Pfarrhauses für keltische Nachbauten
Dabei ist Rau, wie er augenzwinkernd bekannte, nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch des praktischen Tuns: Er tauchte mit seiner Frau nachvollziehend ein in die (vorchristliche) Welt der Kelten und baute in seiner Werkstatt im Keller des Pfarrhauses Fibeln oder Metallgürtel nach: „Ich wollte mit eigenen Händen nachschaffen, was da so rostig oder grünstichig aus dem Boden geborgen wurde“. Seine Frau war hingegen im textilen Bereich kreativ rekonstruierend tätig.
Natürlich ging Rau auch auf die (europäische) Geschichte der Kelten ein, aber er konzentrierte sich doch immer wieder auf deren regionale Welt. So gibt es um Nattheim und Fleinheim eine Vielzahl von Grabhügeln – und, immerhin, drei Viereckschanzen. Doch diese markanten Hinterlassenschaften stammen aus ganz unterschiedlichen Epochen – „dazwischen liegen fünf oder sechs Jahrhunderte“.
Woher kamen die Kelten überhaupt? „In unserem Raum waren die schon immer da“, meinte Rau und machte deutlich, dass deren kultureller Schwerpunkt maßgeblich im heutigen südwestdeutschen Raum lag. Er verwies auf die Bohnerzvorkommen rings um Nattheim. Funde etwa von eisernen Fibeln, ansonsten meist aus Bronze hergestellt, verweisen auf den „Stolz“ der hiesigen Kelten, die sehr schwierige Kunst der Eisenverarbeitung zu beherrschen. Man brachte es dadurch zu regionalem Reichtum, kontrollierte die durch die Region führenden wichtigen, handelsstiftenden Fernverbindungen. Rau sprach von den „250 goldenen Jahren der Kelten“, in denen unweit sogar „die erste Stadt Europas“ gebaut wurde, die sogenannte Heuneburg mit wohl stattlichen 5000 Bewohnern. Und dort gab es, in knapper Entfernung, auf einem Bergrücken eine riesige Kultstätte. Und es entstand damals eine spezifische, glattwandige und bemalte „Ostalbkeramik“.
1902 wurde ein eiserner Dolch bei Fleinheim ausgegraben
Aus dieser Zeit stammt auch der 1902 von Eugen Gaus bei Fleinheim ausgegrabene eiserne Dolch, für dessen spezielle und sehr seltene Form Rau fünf weitere, an verschiedenen europäischen Orten gefundene Belege dokumentierte: Ungeeignet für den Kampf, waren sie vielleicht im Einsatz bei Menschenopfern. Und Rau schlussfolgerte: Das könnte ein Instrument des „Druiden von Fleinheim“ gewesen sein.
Rau kam auch zu sprechen auf „die dunklen Jahre“ der Kelten, die zu Armut und „massenhafter Auswanderung“ führten – wohl maßgeblich verursacht durch ein sich erheblich abkühlendes Klima. Aus dieser Zeit stamme auch „ein Giengener Glücksfund“: eine (wiederum eiserne) Fibel, gefunden in einem Neubaugebiet Richtung Oggenhausen.
Zwei Viereckschanzen bei Nattheim, eine bei Fleinheim
Dann kam, in der kurzen Phase einer erneuten „Hochkultur“, die Zeit der Viereckschanzen, von denen es zwei im Wald bei Nattheim und eine bei Fleinheim gibt. Rau legte, sein Vortrag war gut illustriert, eine Skizze auf, die auf Forschungen des Heidenheimers Kurt Bittel fundierte. Waren das Kultstätten? Heiligtümer? Oder, was neuere Untersuchungen eher nahelegen, umgrenzte Herrenhöfe mit integriertem Heiligtum? Letzteres, da kehrte Rau wieder in seine frühere Heimat zurück, legen ausführliche Grabungen in Bopfingen-Flochberg nahe. Rau hatte sich für den „Heimattage“-Vortrag sorgsam vorbereitet. Die Zuhörer folgten den anderthalb Stunden mit großer Aufmerksamkeit. Und mit starkem Beifall reagierten sie auf Raus Vorschlag, wieder mal in Nattheim zu referieren: „Vieles ist offen – die Kelten sind spannend. Und in zehn Jahren wissen wir mehr.“
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