Greifen Sie mal nach dem nächstbesten elektrischen Gerät. Schauen Sie genau hin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entdecken Sie darauf abgedruckt ein großes „C“, direkt gefolgt von einem Euro-ähnlichen „E“. Wenn ein Gegenstand eine solche CE-Kennzeichnung trägt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass darin ein Stück Nattheim steckt.
Der Ursprung dieses Umstands liegt in der Daimlerstraße. Dort ist seit nunmehr 25 Jahren das Unternehmen Albatross Projects angesiedelt. Dass dieses Unternehmen international tätig ist, ist vielen Menschen in der Gemeinde quasi unbekannt. Was genau wird denn dort gemacht? „Schwierig, das runterzubrechen“, sagt Matthias Berger, einer der beiden Geschäftsführer. Schwierig, aber nicht unmöglich.
Vereinfacht gesagt entwickelt Albatross Projects elektromagnetisch abgeschirmte und absorbierende Räume, in denen andere Unternehmen ihre Produkte testen, lange bevor sie auf den Markt kommen. Als Grundlage dient dafür der sogenannte faradaysche Käfig. Das Prinzip selbst ist simpel: Innerhalb dieses Käfigs sollen elektromagnetische Felder weder eindringen noch nach außen gelangen. Geräte werden darauf getestet, dass sie in ihrer elektromagnetischen Umwelt störungsfrei funktionieren und gleichzeitig keinerlei Störungen bei anderen Geräten verursachen.
Zweck dieser Raumkonstruktionen ist es also, stabile Untersuchungsbedingungen, aber auch abhörsichere Kommunikation herzustellen. Sie finden primär Verwendung in den Branchen Medizin, Automotive, Telekommunikation und Verteidigung. Ein Anwendungsbereich, der wohl vielen Menschen bekannt ist, sind MRT-Untersuchungsräume in Praxen und Krankenhäusern. Denn neben der klassischen Röhre benötigt ein MRT-Raum spezielle Wände, Türen und Fenster, um mögliche Störfaktoren zu verhindern. Und das muss vorher eben getestet werden.
Die ideale Umgebung dafür wäre das Weltall.
Matthias Berger, einer der Geschäftsführer von Albatross Projects
„Die ideale Umgebung dafür wäre das Weltall“, sagt Matthias Berger und lacht. „Nur kommt man da so schlecht hin.“ In Nattheim selbst werden die Räume zwar konzipiert, der Ausbau erfolgt jedoch vor Ort bei den jeweiligen Unternehmen. Da diese oftmals ganz unterschiedliche Anforderungen, aber auch Möglichkeiten haben, muss jeder Raum im Prinzip individuell konstruiert werden.
„Das Mindestmaß ist eine zirka 1,5 Meter breite und hohe Box“, berichtet Timo Greiner, ebenfalls einer der beiden Geschäftsführer. Wenn es jedoch darum geht, Flugzeuge oder Satelliten in sterile Testbedingungen zu verfrachten, nimmt das Ganze gleich andere Ausmaße an. Etwa 35 Meter breit und hoch sowie 60 Meter lang messe eine der größten Raumkonstruktionen, die jemals von Albatross Projects entwickelt wurde. Greiner erzählt: „Für eine Satellitenanlage haben wir mal ein Tor gebaut, das so groß ist, dass es 25 Minuten braucht, um es zu öffnen.“
Nattheim als Basis, weitere internationale Standorte
Natürlich kann sich nicht jedes Unternehmen einen eigenen Testraum leisten, weswegen sie sich oftmals an sogenannte Testhäuser wenden – die wiederum ebenfalls auf Albatross Projects zurückgreifen. „Das bedeutet, dass wir manchmal gar nicht wissen, dass unsere Arbeit Teil eines neuen Produktes ist“, so Berger.
Das Nattheimer Unternehmen hat sich in einer Marktnische breitgemacht, sein größter Wettbewerber sitzt in den USA. In Nattheim selbst arbeiten 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie drei Externe für Albatross Projects, wenn man sämtliche internationalen Zweigstellen des Unternehmens mitrechnet, sind etwa 225 Menschen beteiligt. Weitere Standorte befinden sich im US-amerikanischen Dallas, im chinesischen Shanghai, im indischen Ghandinagar sowie im belgischen Westerlo. Was die Frage aufwirft: Warum gerade Nattheim als Basis?
Die Antwort liegt in der Geschichte des Unternehmens. Ursprünglich war dieses ein Teil der Siemens & Halske AG, welche unter anderem 1931 für die Schirmung des elektrischen Systems beim Luftschiff Graf Zeppelin verantwortlich war. Aus der AG wurde 1989 die Siemens Matsushita Components GmbH, die auch in Heidenheim ansässig war. 1999 wurde die Siemens-Sparte durch dessen Management aufgekauft; aus ihr ging schließlich Albatross Projects hervor.
„Wir waren damals auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten und haben uns in der Umgebung von Heidenheim umgesehen“, berichtet Timo Greiner. In der Daimlerstraße seien sie aufgrund der Größe der Räumlichkeiten fündig geworden, ausschlaggebend sei zudem die Nähe zur Autobahn gewesen. „In dieser Branche findet man seine Mitarbeiter nicht unbedingt alle in nächster Nähe.“ Je nach Funktion sei es generell nicht immer einfach, Personal zu finden, ergänzt Berger – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es für diesen Nischenmarkt bisweilen detailliertes technisches Wissen brauche.
Endverbraucher bekommt von der Arbeit meistens nichts mit
Heutzutage würden sich die Aufgaben immer mehr vermischen, was insbesondere im Bereich Smart-Geräte zu beobachten sei – so manche Waschmaschine braucht heute zwingend W-Lan, was im Vorfeld eben untersucht, gemessen und getestet werden muss. Der Endverbraucher bekommt von all dem in der Regel nichts mit. Dabei steckt in vielem, was er tagtäglich nutzt, oftmals ein Stück Nattheim drin.