Mit dem Mountainbike nach Spanien: 32 Tage auf dem Jakobsweg
„Ich bin dann mal weg“: So betitelte der Komiker Hape Kerkeling vor fast 20 Jahren seine Pilgerreise nach Santiago de Compostela. „Ich bin dann mal weg“: Diesen Satz denkt sich Horst Ludwig wohl ebenfalls regelmäßig. Mit dem Mountainbike an seiner Seite besteigt und „beradelt“ er seit Jahren die Berge dieser Welt – von den Alpen bis zum Kilimandscharo. Vor wenigen Monaten nahm sich Ludwig ein etwas anderes Ziel vor: den Jakobsweg. Dieses Mal war er also wirklich „mal weg“. 32 Tage lang. Über mehr als 2400 Kilometern hinweg. Von Nattheim nach Spanien.
Die Pilgerreise habe ihn schon immer interessiert, gerade der spirituelle Aspekt, so der 71-Jährige. Lediglich mit einem Rucksack und einer kleinen Tasche, die er am Sattel befestigt hatte, ausgestattet, machte sich Horst Ludwig von Nattheim aus auf den Weg. So – vergleichsweise – leicht bepackt, war es ihm möglich, rund 80 Prozent der Strecke auf dem ausgezeichneten Pilgerweg zurückzulegen, den sonst primär Fußpilger begehen.
Seinen ersten Stempel für den Pilgerpass holte sich Ludwig in Auernheim ab. In der Schweiz bewegte er sich auf der Via Jacobi fort, von Genf an über die Via Gebennensis bis in die französische Stadt Le Puy-en-Velay. „Dort beginnt erst das richtige Pilgern“, findet Ludwig. In der Schweiz habe bei ihm das Gefühl für den Jakobsweg noch nicht so recht aufkommen wollen – das liege schlichtweg an der fehlenden Infrastruktur des Landes, wenn es um den Jakobsweg gehe.
70 bis 80 Kilometer Distanz hatte sich Horst Ludwig täglich vorgenommen. Ein straffes Programm, das keinen Tag Pause zuließ. Gleichzeitig hatte der Nattheimer mit den Elementen zu kämpfen. Bis zu 44 Grad Außentemperatur erschwerten ihm die Tagesetappen. „Einmal hatte ich meine Wasserflasche morgens nicht komplett aufgefüllt“, erzählt Ludwig. Ein kurzer Abstecher in den nächsten Supermarkt gestaltet sich auf dem Jakobsweg nun aber als schwierig. Erst viele Kilometer weiter konnte er auf einem Bauernhof seine Flasche auffüllen.
Begegnungen mit herzlichen, interessanten, intelligenten Menschen
Für den erfahrenen Mountainbiker war das zwar kein Zuckerschlecken, „doch ich hatte am Ende des Tages immer noch Reserven. Bei jeder Tour ist es wichtig, sich nicht komplett zu verausgaben“, erklärt Ludwig. Energie spendete ihm nicht nur Wasser, sondern auch der Weg selbst. „Es ist unglaublich, was da mit einem geschieht. Ich war total berührt.“ Die Landschaft, die Kultur, aber vor allem die Begegnungen hätten es ihm angetan.
Menschen, die den Jakobsweg mit dem Fahrrad bestreiten, bleiben laut Horst Ludwig eher für sich. Fußgänger würden viel eher Kontakt zueinander finden. Er selbst sei vor allem in Herbergen und Privatunterkünften mit Menschen ins Gespräch gekommen – „mit ganz herzlichen, interessanten und intelligenten Menschen aus aller Herren Länder“. Gerade in Jugendherbergen sei es üblich gewesen, dass sämtliche Gäste abends gemeinsam gespeist hätten. „Das waren vor allem junge Leute. Ich war mit Abstand der Älteste“, erinnert sich Ludwig und lacht.
Das absolute Gegenteil der Einsamkeit der Strecke erlebte Horst Ludwig in Santiago de Compostela selbst. Tausende Menschen, vornehmlich Touristen, hätten sich in dem Wallfahrtsort getummelt – ein zu diesem Zeitpunkt ungewohnter Anblick für den Nattheimer, nach so viel Stille auf den Wegen. Über die Via Podiensis und den Camino Francés gelangte er letztlich in die spanische Stadt. Die Pilgerreise hätte dort nicht enden müssen, wenn es nach dem Mountainbike-Enthusiasten geht. „Ich wäre ewig weitergefahren.“ Allerdings wartete sein bereits gebuchter Rückflug auf ihn – für Horst Ludwig war die Reise damit zu Ende.
Nach mehr als vier Wochen und zirka 26.500 Höhenmetern kehrte der Nattheimer nach Hause zurück. Lange Touren ist Ludwig zwar gewohnt, die Pilgerreise wird ihm aber wohl als besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben: „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Reise so emotional sein kann.“