Amtsanmaßung lautete der Vorwurf gegen einen 35-jährigen pensionierten Polizisten, der letztes Jahr im Juli ein französisches Fahrzeug in Fleinheim auf eigene Faust kontrollierte, weil ihm der Fahrer verdächtig erschien. Gegen einen Strafbefehl legte der ehemalige Polizist Widerspruch ein, deshalb wurde die kuriose Angelegenheit jetzt vor dem Heidenheimer Amtsgericht verhandelt.
Einen Verteidiger hatte der Angeklagte dabei nicht an seiner Seite. Immer wieder machte er deutlich, dass es für ihn völlig unverständlich sei, dass er sich überhaupt vor Gericht verantworten müsse, obwohl er doch eine mögliche Straftat habe verhindern wollen.
Dem Angeklagten war damals in Fleinheim ein französisches Fahrzeug mit Werbung für Reinigungsarbeiten aufgefallen. Ein Freund von ihm sei Opfer eines solchen Anbieters geworden und habe viel Geld bezahlt, aber keine Leistung erhalten, berichtete der 35-Jährige vor Gericht. Dabei habe es sich um genau dieses Fahrzeug, mit diesem Kennzeichen gehandelt, war sich der Angeklagte sicher. Er habe den Fahrer deshalb angesprochen, sich seine Papiere zeigen lassen und diese und die Fahrzeugschlüssel einbehalten. Laut Anklage hatte der Angeklagte sogar das Innere des Wagens durchsucht. Auf die von ihm alarmierte Streife habe er aus terminlichen Gründen nicht warten können und die Sachen deshalb einem Anwohner übergeben, der sie den Beamten weitergeben sollte, erklärte der Angeklagte.
Bewusst den Anschein erweckt, ein Polizist zu sein
Als „Legitimation“ zeigte der Angeklagte dem französischen Handwerker seinen Polizei-Pensionärsausweis, der das Landeswappen von Baden-Württemberg trägt und einen offiziellen Eindruck erweckt. Er habe dem Mann aber gesagt, dass er pensionierter Polizist sei, betonte der Angeklagte. Ob der Franzose das allerdings verstanden habe und dies auch richtig einordnen konnte, bezweifelte Richter Dr. Christoph Edler. Vielmehr habe der Angeklagte wohl sehr bewusst den Anschein erwecken wollen, dass er Polizeibeamter sei.
Im Laufe des Prozesses wurde immer wieder deutlich, dass der Angeklagte sich schwer mit seiner Rolle als nicht mehr aktiver Polizist abfinden kann. Vor acht Jahren habe er einen Motorradunfall gehabt und sei nunmehr seit eineinhalb Jahren pensioniert, berichtete er. Er hoffe allerdings, bald wieder als Polizist arbeiten zu können.
Selbst in der Freizeit „Unrecht verhindert“
Der 35-Jährige legte viel Wert darauf, dem Gericht zu vermitteln, dass der Beruf für ihn immer eine Berufung gewesen sei. Mit Leidenschaft habe er sich viele Jahre dafür eingesetzt, „Unrecht zu verhindern“. Selbst in seiner Freizeit sei er im Einsatz gewesen. So habe er einmal während einer Zugfahrt einen Drogendealer festgenommen, ein anderes Mal einen Verdächtigen verfolgt, der sich tatsächlich als Einbrecher entpuppt habe. „Die Zusammenarbeit mit den aktiven Kollegen ist immer noch sehr gut“, betonte der Angeklagte. Er gebe ihnen immer wieder Tipps.
Zu seiner Verteidigung verwies der Mann auch darauf, dass er im Fall des berechtigten Verdachtes einer Straftat schließlich entsprechend des Jedermann-Festnahmerechts tätig werden dürfe.
Warum er dann überhaupt seinen Pensionärsausweis vorgezeigt habe, hakte Richter Edler nach. Eine wirkliche Antwort darauf gab es nicht, aber wortreiche Erklärungen dazu, dass er aufgrund seiner „kriminalistischen Erfahrung“ sicher gewesen sei, dass es sich bei dem Vorkommnis in Fleinheim um eine Straftat auf frischer Tat gehandelt habe. Dass es sich bei dem vorgezeigten Ausweis nicht um einen richtigen Polizei-Dienstausweis gehandelt habe, hätte außerdem jeder erkennen können, der sich Krimis im Fernsehen anschaue.
Die Polizeifamilie macht keinen Unterschied, ob aktiv oder nicht
Also er hätte das nicht unterscheiden können, so der Staatsanwalt, der dem Angeklagten vorhielt, dass es ihm klar gewesen sein müsse, dass der französische Handwerker gedacht habe, dass er einen Polizisten vor sich habe. Der Angeklagte habe vermutlich sogar genau darauf gebaut. „Warum rufen Sie nicht einfach die Polizei an und werden selber tätig?“, fragte der Staatsanwalt, der zudem nachhakte, warum sich der Angeklagte auch beim Notruf-Telefonat als „Kollege“ vorgestellt habe. Man sei eine „Polizeifamilie“, in der man keinen Unterschied mache, ob aktiv oder nicht, das sei Polizeijargon, so der Angeklagte.
Als Zeuge konnte lediglich ein Polizeibeamter gehört werden. Dieser schilderte, dass der Anwohner, der nach dem Vorfall Autopapiere und -schlüssel an ihn übergeben habe, offenbar davon ausgegangen sei, dass es sich beim Angeklagten um einen Polizisten gehandelt habe. Der Anwohner sowie der Bruder des Angeklagten, der ihn an diesem Tag begleitet hatte, waren beide verhindert.
Auch der betroffene französische Handwerker erschien nicht. Ob ihn die Ladung überhaupt erreicht hatte, blieb unklar. Der Beamte erklärte aber vor Gericht, dass er den Mann überprüft habe und er keinerlei Anhaltspunkte für mögliche Straftaten gefunden habe. Blieb also die Frage, ob weitere Zeugen mehr Licht in die Angelegenheit bringen könnten. Der Staatsanwalt bezweifelte das und regte an, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 2100 Euro einzustellen.
Verfahren am Ende eingestellt
Damit tat sich Richter Dr. Edler zwar schwer, er wolle dem Angeklagten aber auch keine Steine in den Weg legen. Dafür gab er ihm aber deutliche Worte mit auf den Weg: „Sie sind übers Ziel hinausgeschossen“, hielt er den Angeklagten vor. Es habe keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Straftat gegeben, und sich als Polizist auszugeben, gehe gar nicht. Der Handwerker habe darauf vertraut, dass das Vorgehen korrekt sei und deshalb alle Maßnahmen hingenommen. „Da verliert man das Vertrauen in den Rechtsstaat“, warnte Edler. Der Angeklagte müsse aufpassen, dass er in seiner Übermotivation nicht die Regeln überschreite, und akzeptieren, dass seine Zeit als aktiver Polizeibeamter vorbei sei. „Halten Sie sich zurück, nicht dass wir uns hier noch mal sehen“, warnte ihn der Richter.
Einsicht gab es vonseiten des Angeklagten allerdings nicht. Er sei ein „Vorzeigepolizist“ gewesen und habe „eine gute Tat vollbringen wollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht, dass man dafür bestraft wird.“ Das Gericht stellte das Verfahren gegen den Angeklagten gegen eine Zahlung von 2100 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein ein.
Jedermann-Festnahmerecht
In bestimmten Fällen dürfen auch Bürger einen Straftäter vorläufig festnehmen, der auf frischer Tat ertappt wird, wenn keine Polizei vor Ort ist. Das ist im Paragraf 127 der Strafprozessordnung geregelt, der auch als „Jedermann-Festnahmerecht“ bekannt ist. Ob dazu auch ein Tatverdacht ausreichend ist, ist umstritten.