„Wo hast du das denn bitte gelernt?“, fragt mich mein Großvater, während ich mit einer kleinen Handkreissäge ein paar Holzbalken zersäge. Dem Mann, der mich seit 21 Jahren kennt und ganz genau weiß, dass ich als designiertes Stadtkind zwei linke Hände habe, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht, steht die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Meine Antwort: Ich war beim 2Takt-Aufbau.
Ankunft auf dem 2Takt-Gelände
2Takt ist inzwischen ein bekannter Begriff: An einem Straßensperrungsschild vorbei geht es die nahezu komplett auto- und menschenleere Landstraße entlang in Richtung Zöschingen. Doch meine Fahrt führt nicht in das knapp 800-Seelen-Örtchen, sondern an einer Gabelung links auf einen Schotterweg. Dieser führt zur ersten Anlaufstelle eines jeden Techno-Fans aus der Region, wenn nicht sogar weit darüber hinaus: den Festplatz Trieb der Sportfreunde Fleinheim. Einmal im Jahr verwandelt sich dieser in das größte Techno-Festival der Ostalb.
Damit das 2Takt-Festival hier seit nunmehr vier Jahren stattfinden kann, braucht es die Unterstützung von dutzenden Freiwilligen – und es werden immer mehr. Im Schnitt sind rund 200 Menschen daran beteiligt. In diesem Jahr bin ich einer von ihnen. Auf die Idee kam ich durch eine Kollegin. Vor Ort muss ich mich allerdings alleine zurechtfinden. Als eher introvertierter Mensch nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen.
Nicht so auf dem 2Takt: Die ersten Menschen, die ich auf dem Gelände sehe, zeigten mir direkt, an welcher der etlichen Baustellen Hilfe nötig ist. Am hinteren Ende des großen Festplatzes steht eine kleine Holzkonstruktion. An dieser treffe ich zwei junge Männer, Felix und Paul, die mich schon aus der Ferne begrüßen. An diesem Donnerstagabend ist das Gelände noch relativ leer, denn die Aufbauarbeiten laufen erst seit einigen wenigen Tagen.
Mitarbeit auf dem Gelände
Beide Helfer sind regelrechte Urgesteine des 2Takt-Kollektivs. Felix ist der Tontechniker und hat die Anfangszeiten der Gruppe mitbekommen, als die Idee des 2Takt-Festivals bei einer Party in Oggenhausen geboren wurde. „Was daraus einmal werden sollte, konnten wir uns damals nicht erträumen“, erzählt er. In diesem Jahr ist der gebürtige Heidenheimer extra aus Freiburg in seine Heimat zurückgereist: „Dafür nimmt man sich gerne Urlaub. Wir alle helfen, wo wir können“.
In dieser frühen Phase des Aufbaus kann sich Felix jedoch noch nicht um sein Spezialgebiet kümmern, sondern er arbeitet zusammen mit Paul am Fundament des sogenannten „Front of House“-Gebäudes. „Dort können sich Künstler und Mitarbeiter zurückziehen und haben einen guten Blick auf die Menge“, sagt Felix. Schwer zu glauben, doch aus der kleinen Holzkonstruktion wird später ein zweistöckiger Turm.
Auch Paul ist schon seit Jahren Mitglied der Whild Stage, jenes Kollektiv, das hinter dem 2Takt-Festival steckt. Zusammen mit ihm und ein paar anderen Helfern lade ich einen Anhänger voll Gerüstteile ab. Im Gegensatz zu mir ist das für die anderen nicht die erste körperlich anstrengende Tätigkeit des Tages. Fast wie aus einem Guss scheint hier die gemeinsame Arbeit abzulaufen. Beim Schleppen kann ich nicht so viel falsch machen, bei meiner nächsten Aufgabe aber schon: Zurück an der wie ein Rondell aufgebauten Holzkonstruktion gibt mir Felix eine kurze Einweisung ins Sägen, Schrauben und Bohren. Für mich als Stadtkind keine erprobte Tätigkeit, daher übernimmt Paul die meiste Arbeit.
Die Bedeutung des Ehrenamtes
Später erzählt mir Paul, warum er das alles auf sich nimmt. Der 21-Jährige verbringt dieser Tage jede freie Minute auf dem Festivalgelände und zeltet dort sogar. „Für mich und die anderen Helfer ist das selbstverständlich“, erklärt er. Der erste Besuch einer Techno-Party hat ihn seinerzeit in einen Bann gezogen. Mit dabei auf der Party damals in Oggenhausen: die anderen Kerngruppenmitglieder der Whild Stage.
Hier fühle ich mich wohl
Paul Pfrommer, 2Takt-Kollektiv-Mitglied
Mittlerweile ist die Gruppe für Paul wie eine Familie geworden. „Die Leute hier haben sich mittlerweile als mein einzig richtiger Freundeskreis etabliert. Hier fühle ich mich wohl“, sagt er. Auch für andere ist die Gruppe und das Festival eine gute Anlaufstelle, um Anklang zu finden, wie auch mir an diesem Abend mehr und mehr klar wird. Paul selbst macht die harte ehrenamtliche Arbeit auf dem Festivalgelände nichts aus. Ein gelungenes Festival sei für ihn die beste Entlohnung.
Sägespäne und Mückenstiche
Ein wenig später am Abend fragt mich Felix, ob ich die verbliebenen Holstücke zersägen will. Zögerlich sage ich zu, schließlich bin ich ja auch zum Helfen da. Geduldig erklärt er mir, wie die Säge funktioniert und was ich beachten soll. Zum Einsatz kommen meine neu erlernten Sägekünste am Ende jedoch kaum. Und doch: Die Ratschläge, die Felix mir mit auf den Weg gibt, nehme ich mir zu Herzen und wende sie wenige Tage später direkt an. Schließlich möchte ich bei der nächsten handwerklichen Tätigkeit nicht nur ratlos daneben stehen und große Reden schwingen.
Handwerkliches Können ist nicht das Einzige, was ich vom Aufbau des 2Takt-Festivals mitnehme. Neben gehörig Sägespänen, sowohl in den Haaren als auch auf und in der Kleidung, werde ich die Mückenstiche und Wassereinlagerungen in den Beinen noch tagelang spüren. Am meisten hallen jedoch Pauls Worte nach: Aus den liebsten Aktivitäten soziales Engagement zu ziehen, ist nicht schwierig. Daher beschließe ich noch am selben Abend: Ich werde auch ehrenamtlich tätig.