Verwaltungsgericht Stuttgart

Streit landet vor Gericht: Anwohner klagen gegen zwei Mehrfamilienhäuser im Nattheimer Eberhardsweg

Der Streit um den Bau von zwei Mehrfamilienhäusern im Nattheimer Eberhardsweg ist vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gelandet. Dort geht es vor allem um die Breite der Zufahrtsstraße. Der zuständige Richter Dr. Frank Wenger kritisiert die Gemeinde Nattheim stark.

Während im Nattheimer Eberhardsweg die ersten Bewohnerinnen und Bewohner Umzugskisten auspacken, wird zeitgleich diskutiert, ob der Bau ihres neuen Zuhauses, zwei Mehrfamilienhäuser, überhaupt legitim war. Ja, findet der Bauherr. Nein, protestieren umliegende Anwohner. Dieser Dissens wurde am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart verhandelt.

Grundsätzlich beanstanden die Anwohner die Baugenehmigung. Diese hätte ihrer Ansicht nach gar nicht erst erteilt werden dürfen. Denn die beiden Mehrfamilienhäuser samt Tiefgarage fügen sich laut der Nachbarn nicht in die von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägte Umgebung ein. Von einer „erdrückenden Wirkung“ war vor Gericht die Rede.

Streit um Stellplatzsituation im Nattheimer Eberhardsweg

„Das Nicht-Einfügen allein wäre jedoch keine Rechtsverletzung“, erklärte der zuständige Richter Dr. Frank Wenger. Grund dafür ist, dass es für dieses Gebiet in Nattheim keinen Bebauungsplan gibt. Vorgegeben ist dort lediglich, dass die Fläche für Wohngebäude genutzt werden muss. „Die Wohnungszahl ist irrelevant“, erläuterte Wenger, wenngleich er Verständnis dafür äußerte, dass die beiden Mehrfamilienhäuser die einzigen ihrer Art in dieser Nachbarschaft sind. An der „erdrückenden Wirkung“ der Gebäude hatte Wenger Zweifel. Die sehe er, wenn überhaupt, eher in dem "wehrturmartigen" Anbau der Kläger an deren Haus.

In der Verhandlung fokussierte sich Andreas Kübler, Rechtsanwalt der Kläger, primär auf die Verkehrssituation im Eberhardsweg. Die Zufahrtsstraße sei zu schmal und biete keine ausreichenden Wendemöglichkeiten für Lkw, so der Vorwurf der Anwohner. Zudem seien mit den sieben oberirdischen Stellplätzen nicht genügend Parkmöglichkeiten gegeben – die beiden Mehrfamilienhäuser verfügen zusätzlich über eine Tiefgarage. Kübler berief sich auf einen Beschluss des Nattheimer Gemeinderats von 2021, demnach hier pro Wohnung zwei Stellplätze bereitgestellt hätten werden müssen, tatsächlich sind es aber weniger.

Es ist ja normaler Lebensalltag, dass es in Wohngebieten mal eng ist.

Dr. Steffen Waitzmann, Rechtsanwalt des Nattheimer Bauherren

Wenger bestätigte diese Zahl, merkte jedoch an, dass die Gemeinde das Stellplatz-Minimum überhaupt nicht beschließen könne. Das bestätigt auch Dr. Samuel Thomann, Pressesprecher und Richter am Verwaltungsgericht: „Wie viele Stellplätze vorgesehen sind, ist länderrechtlich geregelt.“ Allerdings ist geplant, diese Entscheidung künftig tatsächlich auf die Kommunen zu übertragen. Frank Wenger bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass der Bauherr der beiden Mehrfamilienhäuser sogar noch weniger Stellplätze hätte bereitstellen können, als tatsächlich geschehen.

Größter Streitpunkt sollte in der Verhandlung folgende Frage sein: Haben Lkw und Transporter in der Straße genug Platz, um zu wenden, oder nicht? Laut Rechtsanwalt Dr. Steffen Waitzmann, der vor Gericht für den Bauherren sprach, gibt es dabei keine Probleme: „Die Wendeplatte funktioniert. Es ist ja normaler Lebensalltag, dass es in Wohngebieten mal eng ist.“ Wie zwei Mitarbeiterinnen des Landratsamts Heidenheim erklärten, ist die Straße zudem nur für Anliegerverkehr bis 3,5 Tonnen freigegeben. Bald solle ein entsprechendes Schild aufgestellt werden.

Gefährlich enge Zufahrtsstraße im Nattheimer Eberhardsweg?

Nicht genug, finden die Anwohner. Vor allem Paketzulieferer haben ihrer Ansicht nach erhebliche Probleme, an dieser Stelle zu wenden. „Das ist natürlich alles sehr eng“, gab auch Richter Wenger zu bedenken und verwies auf eine mögliche Gefahrenquelle, sollten Zulieferer rückwärts herausfahren, statt zu wenden. Das Argument, dadurch entstehe viel Lärm, wies Wenger jedoch zurück. „Ein gewisses Maß an Lärm muss zulässig sein, sonst dürften Sie beispielsweise nachts gar nicht mehr aus Ihrer Garage fahren. Aber ich beneide Sie in dieser Situation nicht“, sagte er an die Kläger gerichtet.

Kaum ein gutes Haar ließ der Richter in dieser Angelegenheit an der Gemeinde Nattheim. Insbesondere den fehlenden Bebauungsplan kritisierte Wenger: „Solche Pseudo-Dinge gibt es nur in Nattheim.“ Die Aktenführung der Gemeinde bezeichnete er als unordentlich. Aufgrund zunächst fehlender Unterlagen war laut Wenger anfangs der Eindruck entstanden, die Kläger seien präkludiert – die Klage wäre unter Umständen also zurückgewiesen worden. Rechtsanwalt Kübler habe die Unterlagen nachgereicht. „Für die Gemeinde ist das eine ziemliche Blamage“, urteilte Wenger.

Ein gewisses Maß an Lärm muss zulässig sein.

Dr. Frank Wenger, Richter am Verwaltungsgericht

Wie geht es nun weiter? Die Klage richtet sich gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten wurde dieses vor dem Verwaltungsgericht in Form der beiden Landratsamt-Mitarbeiterinnen. Der Bauherr war zwar ebenfalls anwesend, sobald die Wohnungen jedoch alle verkauft sind, hat er keine Einflussmöglichkeiten mehr. Richter Frank Wenger hat angekündigt, noch vor Jahresende eine Entscheidung zu fällen. Diese ergeht schriftlich an alle Beteiligten. Ein Bericht über das Urteil folgt.

Zufahrtsstraße im Eberhardsweg ist Streitpunkt

Die Zufahrtsstraße zu den Mehrfamilienhäusern wurde laut einem der Kläger einst von dessen Vater an die Gemeinde Nattheim verkauft, „in dem Vertrauen, dass hier nur Einfamilienhäuser entstehen“, wie der Kläger vor Gericht äußerte. Die Gemeinde hat jene Straße letztlich an den Bauherren verkauft.

„Ich kann diesen Ärger gut verstehen“, entgegnete Richter Frank Wenger auf das Dilemma. Allerdings habe der Vater des Klägers keinen Kaufvertrag abgeschlossen. „Hier wurden eher Sie von der Gemeinde über den Tisch gezogen. Das ist eine verlorene Schlacht.“

Kritik mussten sich auch die Kläger selbst anhören: Laut Rechtsanwalt Dr. Steffen Waitzmann ist in der Zufahrtsstraße ein Gehweg geplant gewesen, dieser sei jedoch von den Anwohnern überbaut worden. Auch die Mauer, die dort von den Klägern errichtet wurde, sei nicht zulässig. Laut einem der Kläger gibt es dafür jedoch einen Vertrag mit der Gemeinde.