Leserbrief

Totholz führt nicht zum Klimakollaps und ist eine ökologische Kinderstube

Leserbrief zu einem Interview mit der für Nattheim und Dischingen zuständigen Revierförsterin Beatrix Diedering und einem daraufhin erschienenen Leserbrief:

Wenn ich der Logik im Leserbrief von Herrn Krägeloh zur Freisetzung von CO₂ durch Verrottung von Totholz folge, werde ich zukünftig mit Vollgas und so schnell als möglich mit meinem Auto über die Straßen rasen, damit die Dauer des CO₂-Ausstoßes so kurz als möglich ist. Totholz ist nicht tot, im Gegenteil, es lebt und ist eine ökologische Kinderstube. Totholz speichert viel Feuchtigkeit, die in Trocken- und Hitzeperioden an die Umgebung abgegeben wird, es wirkt regulierend auf Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Der Zersetzungsprozess kann nach Holzart, Dicke, Bodenbeschaffenheit und Habitat viele Jahre oder Jahrzehnte dauern. Es ist auch eine Grundlage der Öko-Pyramide, mit breitem Sockel bis hin zur Spitze.

Das Absterben der Bäume, ob stehend oder liegend, setzt eine Besiedlungskette in Gang. Pilze, Bakterien, Insekten usw. besiedeln das Totholz. Viele Arten leben davon, es ist ihre Nahrungsgrundlage, auch die Reihenfolge ist nicht willkürlich, es dient ebenso als Unterschlupf und Lebensraum. Besonders für Tierarten, die eine gewisse Grundfeuchtigkeit zum Überleben benötigen, zum Beispiel Kröten und Lurche, im Schatten können Jungpflanzen Fuß fassen. Viele Arten zersetzen gleichzeitig das Holz. Dieses Zusammenspiel führt dem Wald über die Neubildung von Humus wieder wichtige Nährstoffe zu, die Bäume, Sträucher und andere Pflanzen zu ihrem Wachstum benötigen und zur Vitalität des Waldes beitragen.

Es wurde von den Verantwortlichen erkannt, dass leergefegte Wälder weder ökologisch noch ökonomisch wertvoll sind. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt und die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg haben gemeinsam mit Art-Experten und Fachleuten verschiedener forstlicher und naturschutzfachlicher Disziplinen ein integratives Alt- und Totholzkonzept entwickelt, das seit 2010 von Forst BW umgesetzt wird und ein wichtiger Baustein im Waldbau ist.

Wälder gibt es seit Millionen von Jahren, deren Rückstände wir heute als Öl, Gas oder Kohle kennen. Was in diesen langen Zeiträumen entstand, wird seit Mitte des 18. Jahrhunderts ungehemmt verbrannt und führt durch massenhaften CO₂-Ausstoß mit zu den derzeitigen klimatischen Problemen. Verbrennen setzt das gebundene CO₂ sofort frei, während dies beim Totholz in sehr langen Zeiträumen geschieht. Niemand sollte ernsthaft behaupten, dass das Totholzkonzept zum Klimakollaps führt. Und wenn wir eine Zeitlang weniger Leberblümchen sehen, werden wir das ganz sicher verkraften können.
Georg Schabel, Gerstetten