Traumjob Wisent-Sitter? Wie Michael Abele sich um die Tiere kümmert
Dalida ist die Chefin im Ring. Wenn sie die Hörner schwingt, folgen die anderen. Bis auf Sporona. Eigentlich wäre sie gerne die Chefin, die Leitkuh der Gruppe. Je länger man die insgesamt sechs Wisente beobachtet, desto offensichtlicher werden ihre jeweiligen Persönlichkeiten. Seit knapp einem Jahr kann man die Wisentweide zwischen Nattheim und Neresheim besuchen. Einer, der das tagtäglich tut und die sechs Pflanzenfresser inzwischen besonders gut kennt, ist Michael Abele. Seit Beginn des Projekts betreut der Landwirt aus Auernheim die Wildtiere.
Michael Abele betreibt zwei Höfe im Landkreis Heidenheim
Jeden Tag fährt Abele zu dem Gelände nordöstlich von Auernheim. Er füttert die Tiere mit Getreideschrot und kontrolliert den unter Strom stehenden Zaun – eigentlich eine übersichtliche Aufgabe, findet Abele selbst. "Die Wisente zu betreuen, ist auch mehr ein Hobby", so der Auernheimer. Entlohnt wird er dafür nicht, auch ist Abele nicht etwa bei der Stadt Neresheim angestellt. Was also hat ihn motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen? Ganz einfach: Neugierde.
Über die Gemeinde Nattheim erfuhr Abele von dem Projekt Wisentweide. Daraufhin habe er Interesse an der Betreuung bekundet. Dabei mangelt es dem Landwirt wahrlich nicht an an anderen Bestimmungen. In unmittelbarer Nähe zur Wisentweide steht der Biohof Abele, der ökologisch bewirtschaftet wird und auf dem sich unter anderem ein Schweinemastbetrieb befindet. Zusätzlich betreibt Abele das Hofgut Bernau in Herbrechtingen, welches sich unter anderem der Mutterkuhhaltung verschrieben hat und darüber hinaus in einem angrenzenden Mischwald Rotwild hält. Abeles Kenntnisse der Tierhaltung sowie die räumliche Nähe zur Wisentweide sollten letztlich ausschlaggebend dafür sein, dass er sich seither um die Wisente kümmern darf. "Es ist zum einen eine neue Herausforderung für mich", findet Michael Abele. Zum anderen habe er diese Aufgabe aus einem weiteren, ganz simplen Grund übernommen: aus Liebe zur Natur.
Wisente bei Neresheim: keine Kuscheltiere
Vielleicht keine Liebe, aber zumindest ein gewisses Maß an Zutrauen verspüren die Wisente inzwischen zu dem Landwirt. Der kennt mittlerweile die Eigenarten der sechs Rindtiere. Neben Sporonas Leitkuh-Ambitionen gibt es da etwa Dalida, die diesen Rang voll auskostet und etwa jeden einzelnen Krümel aus den Futtertrögen aufschleckt. Bei aller Zuneigung bleibt dennoch stets ein Zaun zwischen Michael Abele und den Wisenten. "An die Tiere kann man nicht ran, auch ich nicht." Es gebe zwar keine Garantie dafür, dass die Tiere aggressiv auf menschliche Besucher reagieren würden, ganz auszuschließen sei es trotzdem nicht.
Auch wenn Abele tagtäglich zu den Wisenten fährt, ist er nicht der einzige, der die Tiere jemals zu Gesicht bekommt. Ein Tierarzt untersucht die Gruppe von Zeit zu Zeit, zu dem begutachten Vertreterinnen und Vertreter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) regelmäßig den Fortschritt des Projekts.
Wisente: in Europa einst fast ausgerottet
Vor rund 100 Jahren gab es nur noch ein Dutzend Exemplare des letzten freilebenden Wildrinds in Europa. Über Zuchtprogramme wurde die Anzahl der Wisente auf heute rund 6000 zeugungsfähige Tiere erhöht. Die sechs Härtsfeld-Wisente kommen ursprünglich aus dem altbayrischen Donaumoos.
Nur zum Spaß wurde die Wisentweide nicht etabliert. Sie soll in erster Linie dem Naturschutz dienen und gleichzeitig ein Forschungsprojekt sein. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) untersucht den Einfluss der Wisente auf ihre Umgebung. Unter anderem wird analysiert, wie die Tiere durch ihr Fressverhalten und ihre Bewegungen Wald und Wiesen beeinflussen. Gefragt sind dabei auch Dungkäferexperten – sie untersuchen die Insekten im Kot der Wisente – sowie Fledermausexperten – sie beobachten die Auswirkungen der Wisente auf den Wald und die daraus resultierenden Veränderungen auf die Fledermauspopulation.