Kommunalwahl in Nattheim

Warum Günther Paschaweh nach 44 Jahren nicht mehr für den Nattheimer Gemeinderat kandidiert

44 Jahre gehörte Günther Paschaweh dem Nattheimer Gemeinderat an. Bei der Kommunalwahl am Sonntag tritt er nicht mehr an. Im Interview erklärt Paschaweh, warum jetzt wirklich genug ist, warum er kein Querulant ist und warum er doch gerne Kontra gibt.

Ein Rekord ist es womöglich nicht, eine Besonderheit aber schon: 44 Jahre lang saß Günther Paschaweh ohne Unterbrechung im Nattheimer Gemeinderat – mit eine der längsten Amtszeiten eines Gemeinderatsmitglieds im Kreis Heidenheim. Bei der Kommunalwahl am Sonntag tritt er nicht mehr an. Im Interview erzählt Paschaweh, welche Standpunkte er vehement vertreten hat und warum er sich dennoch nicht als Querulanten bezeichnen würde.

Herr Paschaweh, Sie sind seit 44 Jahren ohne Unterbrechung Mitglied des Nattheimer Gemeinderats. Bei der Wahl an diesem Sonntag treten Sie nicht mehr an. Wieso?

Günther Paschaweh: Weil ich der Meinung bin, dass es jetzt genug ist. Ende dieses Jahres feiere ich meinen 70. Geburtstag. Nach 44 Jahren habe ich wirklich genug für die Gemeinde getan.

Nehmen Sie uns mit in die Vergangenheit. Wie fing damals alles an?

Ich bin 1976 in die SPD eingetreten, weil mich die Ostpolitik von Willy Brandt überzeugt hat. In der Nattheimer SPD war damals noch nicht viel los. Ich habe mich dort engagiert und wurde kurze Zeit später zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt. Das ging alles ruckzuck. Diesen Vorsitz hatte ich bis Anfang der Achtzigerjahre inne, ehe ich mit 25 Jahren in den Gemeinderat gewählt wurde.

Damals gab es aber noch keine SPD-Fraktion, richtig?

Die Fraktion nannte sich Freie Wählervereinigung. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich mit einem Überhangmandat reingekommen bin. Ab da wurde ich jedoch immer mit einem ordentlichen Sitz gewählt. Anfang der Neunziger haben wir uns erstmals dazu entschlossen, Farbe zu bekennen und unter dem Namen der SPD anzutreten.

Bis vergangenes Jahr kannte man die Gruppe als Unabhängige/SPD. Nach internen Streitigkeiten haben Sie die Fraktion verlassen. Würden Sie diesen Schritt heute genauso machen?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das die richtige Entscheidung war. Damals sind Dinge vorgefallen, die ich so nicht stehen lassen konnte.

Wurde es dadurch um Sie herum einsamer?

Sagen wir es so: Bei dem einen oder anderen Fraktionskollegen merkt man, dass es Auseinandersetzungen gab. Zwei von ihnen geben mir nicht mehr die Hand. Wir sprechen miteinander, haben ansonsten aber keine großen Berührungspunkte mehr.

Reibungen gab es hin und wieder auch zwischen Ihnen und der Gemeindeverwaltung. Bei manchen Themen schienen Sie oft der einzige im Gemeinderat zu sein, der Bürgermeister Norbert Bereska auch mal Kontra gegeben hat.

Wenn das so war, dann immer nur aus meiner Überzeugung heraus, niemals willkürlich. Das waren einfach meine Standpunkte und die habe ich im Gremium vertreten.

Gibt es auch Stimmen, die Sie schlicht und einfach als Querulanten bezeichnen?

Das hat mir noch nie jemand gesagt. Im Gegenteil: Nachdem bekannt wurde, dass ich nicht mehr kandidiere, haben manche Bürger mir gegenüber geäußert, dass sie das bedauern. Sie meinten, dass es mit mir wenigstens einen gegeben hat, von dem der Bürgermeister auch mal Gegenwind bekommen hat.

Den gab es bis zuletzt beispielsweise beim Thema Kinderbetreuung, für die Sie seit jeher fordern, sie solle kostenlos sein. Bei welchen anderen Punkten lassen Sie sich nicht verbiegen?

Bei der Finanzpolitik der Gemeinde. Berufsbedingt hat es sich ergeben, dass ich mich in diesem Bereich besonders engagiert habe. Ich glaube, dass ich daher auch in Sachen Haushaltsplan immer gewusst habe, wovon ich rede. Deswegen ärgert es mich auch, dass wir bislang keinen Jahresabschluss der Gemeindefinanzen bekommen haben.

Auf welche Errungenschaft des Nattheimer Gemeinderats während Ihrer Amtszeit sind Sie am stolzesten?

Die wichtigsten Errungenschaften sind zum einen die Dorfkernsanierung. Das war und ist eine immense Aufwertung für den Ort und die Dorfmitte im Speziellen. Zum anderen ist da die Wiedervereinigung mit der Partnergemeinde Breitenbrunn.

Welches Thema aus 44 Jahren Gemeinderat hat Sie am meisten frustriert?

Furchtbar geärgert habe ich mich über das Wahlkampfthema 1984. Der Landkreis war damals dabei, die Müllproblematik aufzuarbeiten und möglichst viel Recycling zu betreiben. Die Lösungsvorschläge, die in diesem Zuge gemacht wurden, wurden auch in Nattheim diskutiert. Im Wahlkampf und in den Gemeinderatssitzungen fielen grenzwertige Aussagen wie: „Ochsenberg wird Luftkurort und Nattheim wird Müllort.“

Was noch?

Geärgert habe ich mich auch über die leidigen Diskussionen um Windräder im Jahr 2014. Die Personen, die das angeleiert haben, hätten genügend Möglichkeiten gehabt, ihre Einsprüche und Bedenken im Zuge des ordentlichen Verfahrens geltend zu machen. Stattdessen hat man es ein halbes Jahr vor der Gemeinderatswahl zum großen Thema gemacht.

Müll und Windräder: Mit dem geplanten Entsorgungszentrum auf dem Rinderberg und dem potenziellen Windrad-Ausbau durch den Regionalplan sind diese Themen heute so aktuell wie damals. Hat sich Ihr Blick darauf seither geändert?

Ich bin Windrädern gegenüber nach wie vor positiv eingestellt, auch wenn Nattheim und die Teilorte sicherlich nicht von Windparks eingekreist werden müssen.

Wenn Sie auf den Gemeinderat blicken, mit dem Sie 1980 angefangen haben, und auf den, den Sie zurücklassen: Was hat sich verändert?

Der Gemeinderat hat sich so verändert, wie sich unsere Gesellschaft in den vergangenen vier Jahrzehnten verändert hat. Früher gab es untereinander sicherlich noch mehr Gemeinsamkeit. Die sogenannten sozialen Medien sind natürlich auch im Nattheimer Gemeinderat als Instrumente der Diskussionsführung angekommen.

Gibt es etwas, das beständig geblieben ist?

Dass man nach der Sitzung gemeinsam in die Wirtschaft zum Absacker geht (lacht). Aber im Ernst: Der Austausch zwischen den Fraktionen hat immer sehr gut funktioniert. Ich habe viele Jahre lang mit dem Vorsitzenden der BWV/CDU-Fraktion, Dr. Manfred Schweikardt, gut zusammengearbeitet. Das hat sich im Prinzip auch mit dessen Nachfolger Wolfgang Bernhard fortgesetzt. Soweit ich mich erinnern kann, sind dabei nie harsche Worte gefallen. Das war immer ein Grundsatz meinerseits.

Am Sonntag wird gewählt. Was wünschen Sie dem neuen Gemeinderat? Was wünschen Sie sich selbst?

Dem neuen Gemeinderat wünsche ich, dass er weiterhin optimistisch an die Sache herangeht und die Finanzen im Blick behält. Ich selbst bin, denke ich, ein recht ausgewogener Mensch und habe noch genügend Arbeit. Denken Sie nur an den Museumsverein Geschichtswerkstatt. Mit dem sind wir dieses Jahr besonders gefordert, da wir uns in die Heimattage einbringen wollen.

Niederstotzinger Stadtrat ebenfalls seit 44 Jahren dabei

Mehr als vier Jahrzehnte ohne Pause Mitglied eines Gemeinderats zu sein, ist durchaus eine Besonderheit. Neben Günther Paschaweh hat etwa Theodor Feil ebenfalls seit 44 Jahren das Ehrenamt inne. Feil ist seit 1980 Stadtrat in Niederstotzingen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende kandidiert für eine weitere Amtszeit. Der Steinheimer Gottfried Braun wurde kürzlich für 40 Jahre Gemeinderatstätigkeit geehrt.

Weitere Artikel zur Kommunalwahl 2024 hier lesen.

undefinedundefined
Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar