Zwei Aufführungen

Wie das Kindertheater „Rika“ aus Charkiw ukrainische Kunst nach Nattheim bringt

Theatercamp in Nattheim: Geflüchtete ukrainische Künstler bieten Kindern aus Kriegsregionen eine kreative Zuflucht und Hoffnung durch Theater und Musik. Die Aufführungen am 24. und 31. August in der Heidenheimer Stadtbibliothek sind kostenlos.

Entfernte Bombeneinschläge, ständiger Luftangriffsalarm, schlaflose Nächte: für Menschen aus dem Osten der Ukraine ist das trauriger Alltag. Ein Alltag, aus dem gut ein Dutzend Kinder aus der Kriegsregion Charkiw mithilfe einer Nattheimer Theatergruppe entfliehen können. Die Gruppe, bestehend aus geflüchteten Künstlern und Musikern des in Charkiw ansässigen Kindertheaters „Rika“ bietet für ukrainische Kinder und Jugendliche ein Theatercamp an. Unterstützt wird das Theaterprojekt vom Verein „Heidenheim für Ukraine“.

Von Geflüchteten für Geflüchtete

„Wir arbeiten hier mit richtigen Profis, auf und neben der Bühne“, sagt Jasmin Glänzel-Seibold vom Verein „Heidenheim für Ukraine“ über die Künstlervereinigung, die hinter der Gruppe steht. Die Gruppenmitglieder, selbst geflüchtet aus der Kriegsregion im Osten der Ukraine, waren vor Ausbruch des Krieges Musiker, Regisseure und Schauspieler. „Wir waren schon vorher eng befreundet“, erklärt Yana Barkhatova die Zusammensetzung der Künstler. Zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns war sie mit ihrer Freundin Svitlana Lushch im Urlaub in Spanien. Zusammen mit ihren Familien flüchteten sie anschließend nach Deutschland.

Die Betreuer des Theatercamps von links nach rechts: Viacheslav Ropa, Antonyna Sanira, Yana Barkhatova, Svitlana Lushch und Jasmin Glänzel-Seibold des Vereins Heidenheim für Ukraine. Foto: Rudi Penk

Zufällig kamen sie nach Nattheim. Mithilfe der katholischen Kirchengemeinde „Zum Heiligsten Herzen Jesu“ konnten sie eine Unterkunft finden und im Bischof-Sproll-Haus und der Halle des Radsportvereins Proberäume nutzen. Mittlerweile zählt der Kreis der Betreuer sieben Künstlerinnen und Künstler sowie zwei ehrenamtliche Köchinnen. „Wir sind schon bei ungefähr 20 Aufführungen angekommen“, erzählt Glänzel-Seibold.

Feriencamp für Kinder aus nah und fern

Die Teilnehmenden sind sowohl geflüchtete Kinder, die bereits in Deutschland leben, als auch Kinder und Jugendliche, die noch im Kriegsgebiet leben. Zuständig für die Auswahl der Darsteller und die Kommunikation in die Ukraine ist Antonyna Sanira. Sie arbeitet noch im Kindertheater in Charkiw, soweit es die Umstände des Krieges zulassen und sucht vor Ort die Teilnehmer des Camps aus, das alle paar Monate stattfindet.

Sie verlassen uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Jasmin Glänzel-Seibold, Heidenheim-fuer-Ukraine.de

„Das Schwierigste ist dann immer der Abschied“, sagt Glänzel-Seibold. Nach den rund vier Wochen in Nattheim reisen die Jugendlichen zurück in das vom Krieg erschütterte Charkiw. „Für die Kinder ist das Theatecamp natürlich eine wundervolle Ablenkung. Jedoch verlassen sie uns immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, fügt sie hinzu.

Die Aufführungen des Kindertheaters „Rika“

Zwei Aufführungen entspringen dem Theatercamp: Das Kinderstück unter der Leitung von Svitlana Lushch mit dem Titel „Mit einem Traum im Herzen“ wird am Samstag, 24. August, um 17 Uhr in der Heidenheimer Stadtbibliothek aufgeführt. „Das Stück dreht sich vor allem um Liebe, Familie und Freundschaft. Sie spielen eine zentrale Rolle für die Kinder, seit dem Ausbruch des Krieges“, erklärt Lushch. Das Stück wird in Form von Gesang, Tanz und Gedichten vorgetragen.

Die jungen Schauspieler des Kinderstücks "Mit einem Traum im Herzen" halten die Motive des Stücks. Die Aufführung erfolgt am 24. August in der Heidenheimer Stadtbibliothek. Foto: Rudi Penk

Die Aufführung des Erwachsenenwerks „Gerettet“ findet am Samstag, 31. August, um 10 Uhr in der Stadtbibliothek Heidenheim statt. „Es handelt sich um die Geschichte der Ukraine des frühen 20. Jahrhunderts. Damals sollten die ukrainischen Intellektuellen vom Terror Stalins ausgerottet werden“, sagt Glänzel-Seibold. „Diese Zeit wird im Theaterstück aufgearbeitet und stellt natürlich einige Parallelen zur jetzigen Zeit dar.“ Die Jugendlichen aus den Städten Charkiw und Dnipro arbeiten somit ihre momentane Realität auf.

In beiden Stücken spielt auch Pantomime eine große Rolle, jedoch gibt es hin und wieder auch Text. Dieser wird für das deutsche Publikum parallel übersetzt, damit das Stück von jedem Zuschauer verstanden werden kann. An einem dritten Projekt arbeitet die Gruppe um Antonia Sanira: Das Stück wird derzeit geprobt und soll beim nächsten Camp aufgeführt werden.

Das Heidenheimer Publikum nimmt laut Glänzel-Seibold die Arbeit der ukrainischen Profis immer besser auf: Von den letzten acht Aufführungen in der Stadtbibliothek war lediglich ein Stück nicht vollends ausverkauft. „Wir hoffen sehr, dass dieses Stück Kultur weiter wächst und lebt. Schließlich gibt man damit den betroffenen Kindern ein kleines Stückchen Hoffnung“, so Glänzel-Seibold.

Kostenloser Eintritt

Beide Stücke des Kindertheater „Rika“ sind kostenlos und für jeden frei zugänglich. Am 24. August steht das Kinderstück „Mit einem Traum im Herzen“ um 17 Uhr in der Stadtbibliothek Heidenheim an. Das Erwachsenenstück „Gerettet“ am 31. August um 10 Uhr. Der Saal bietet für etwa 135 Menschen Platz. Freiwillige Spenden können für die Theatergruppe und den Verein „Heidenheim für Ukraine“ abgegeben werden.