Heimatkunde beim „Mund.art-Fescht“

Wie sich in Nattheim der schwäbische Charakter heiter bis naturtrüb zeigte

Ein schwäbisches „Mund.art-Fescht“ bot in Nattheim unterhaltsame Heimatkunde, Ulmer Lieder und oberschwäbischen Rock’n‘Roll

Ein „Mund.art-Fescht“, das sich in der zweiten Hälfte gar zur Party auswächst – das dürfte eher ungewöhnlich sein. In Nattheim war das jetzt zu erleben, wobei schon in der Schreibweise „Mund.art“ erkennbar sein sollte, dass diese Veranstaltung im Rahmen der Heimattage ein Schwäbisch gehobener Provenienz präsentieren sollte.

Der Verein „Schwäbische Mund.art“ (aha!) wird geleitet von Dr. Wolfgang Wulz, der nicht nur gebürtiger Heidenheimer ist (ein „Knöpfleswäscher“, wie er das selber beschreibt), sondern als Sohn des Heidenheimer Heimatforschers Hans Wulz (über den gerade ein Buch entsteht) von früh an schon mit der Materie vertraut wurde und in jungen Jahren auch schon Bücher veröffentlichte über die Ortsnecknamen der Ostalb.

Für den mittlerweile pensionierten Studiendirektor aus Herrenberg war es nun gleichzeitig Selbstverständlichkeit wie „Ehre“, den Abend zu eröffnen und all die Nattheimer „Breama“ sowie die interessierten Anderen in der gut besuchten Gemeindehalle zu begrüßen – pfiffig und programmatischem allem „G’schwollenen“ sehr abhold. Das Mundartfest qualifizierte er als „schwäbischen Höhepunkt und Abschluss der Heimattage“, wobei er augenzwinkernd das mundartliche Adjektiv besonders hervorhob.

Seine zartfühlenden und sprachbewußten Streicheleinheiten des schwäbischen Idioms folgte dann, als zweiter Programmpunkt, der Auftritt des Ulmer Liedermachers Walter Spira. Der 71jährige kam mit Gehhilfen auf die Bühne, er hatte sich einer Knie-OP unterziehen müssen. Spira ist wohltuend zurückhaltend temperiert in seinen Ansagen und Liedern; das Laute und plakativ Rechthaberische liegt ihm gar nicht. Er bekennt sich auch offen dazu, ein „von Haus aus naturtrüber Typ“ und auch schon mal von „tiefen Depressionen“ geplagt gewesen zu sein, gar schon mal auf einer „Psycho-Intensivstation“ gelegen zu haben.

Von dunkler Heiterkeit

Anrührend etwa sein Lied über Albrecht Berblinger alias „der Ikarus von Ulm“; von dunkler Heiterkeit war sein Lied über die angeblich hochtalentierte Chantal, die ob der unzähligen Ausbildungsansinnen des ehrgeizigen Vaters schließlich das seelische Flattern kriegt – Spira kitzelt dabei wortreich und nachdenklich vielfältige Klischees, ohne sie billig zu strapazieren. Der einstige Straßenmusiker wünschte sich schließlich, in einem weiteren Lied und sanft lächelnd, irgendwann einmal wiedergeboren zu werden als die „Yukka-Palme von Ursula“.

Nach der Pause geriet das „Fescht“ dann zur Party: Die oberschwäbische Rockband „Blamasch“ sorgte mit Virtuosität, mit Witz und lautstark-temperamentvollem Drive für mitreißenden Rock’n’Roll. Die vier Jungs fortgeschrittenen Alters spielten mit erkennbarem Spaß ihre Songs, in denen sie sich auf abwechslungsreiche und erfreulich unplumpe Weise dazu bekannten: „Ja, wir sind Schwoba“. Nach über 20jährige Bühnen- und Medienpräsenz wollen sie sich nimmer fremdsprachig „verbiega“. Das muntere Quartett beherrscht diverse Instrumente, insbesondere der virtuose E-Gitarrist riss mit. Doch soweit überhaupt verständlich, zeigten sie eine eher limitierte Vokalartistik – sowohl gesanglich wie inhaltlich. Da wird beispielsweise ein „Protestsong“ angekündigt, dessen Widerständigkeit allein den Biersorten ohne Alkohol gilt.

Doch derlei ist nicht tragisch, denn die schwäbische Rockmusik des „Dreamteams vom Donautal“ soll direkt in die Muskeln vordringen – und tatsächlich hielt es das (prinzipiell auch nicht ganz unbetagte) Publikum zeitweise nicht mehr auf den Sitzen und begann zu tanzen. Etwas peinlich freilich geriet die Zugabe, die nicht nur auf „Blamasch“-untypischen A-Cappella-Gesang setzte, sondern  effekthaschend-pseudomutig einen „Pickel am Arsch“ besang, den keiner ausdrücken wolle. Das wollte dann nicht nur kaum enden, sondern wurde nach der Selbstvorstellung der Musiker gar noch einmal wiederaufgenommen.

Der guten Laune des Publikums aber tat’s letztlich keinen Abbruch; es verließ, nach guten drei Stunden, wohlgelaunt die Nattheimer Gemeindehalle.

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