Niederstotzingen stellt das Carsharing-Angebot ein
Elfriede Tummoscheit ist verzweifelt. Sie gehört zu den regelmäßigen Nutzern des Niederstotzinger Leih-Elektroautos, sie fährt damit unter anderem zu ihren Facharztterminen nach Günzburg. „Für mich ist das existenziell.“ Als sie erfahren hat, dass der Gemeinderat darüber abstimmen wird, ob der Leasingvertrag für das Auto mit der SWU Energie GmbH, einer Tochterfirma der Stadtwerke Ulm, nicht mehr verlängert werden soll, ist sie persönlich zur Gemeinderatssitzung gegangen, um die Gremiumsmitglieder in der Einwohnerfragestunde darum zu bitten, doch für eine Vertragsverlängerung zustimmen.
Das Problem mit dem Niederstotzinger Elektroauto ist: Laut eigener Aussage rechne sich das Angebot für die SWU Energie nicht. Und das trotz wiederholter Werbung im Gemeindeblatt, einer Serienbriefaktion und einem direkten Anschreiben an die örtlichen Vereine. Momentan gebe es in ganz Niederstotzingen nur vier regelmäßige Nutzer des Leihautos, „davon ist einer die Stadt selbst“, so Bürgermeister Marcus Bremer.
ÖPNV sei keine Alternative
Elfriede Tummoscheit sagt, dass es eigentlich fünf und nicht nur vier regelmäßige Nutzer seien, da sie das Auto nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Nachbarin anmiete. Die ist nach einem Schlaganfall nicht mehr so mobil. Trotzdem muss sie natürlich regelmäßig Fachärzte aufsuchen. Der ÖPNV ist für die beiden keine Alternative, „der fährt morgens um sieben und kommt mittags um eins zurück. Das nützt mir gar nichts“, so Tummoscheit.
Konkrete Zahlen zur Auslastung des Fahrzeugs wollten die Stadtwerke Ulm aus „wettbewerblichen Gründen“ auf Nachfrage nicht nennen. Den Rückgang der Nutzung im Vergleich zum Startjahr 2019 erkläre man sich damit, „dass viele Bürgerinnen und Bürger swu2go nur ausprobieren wollten, jedoch (noch) nicht bereit dazu sind, ihr Mobilitätsverhalten zu verändern“, so die Pressestelle des Unternehmens.
Doch die SWU hatte der Stadt auch einen Vorschlag unterbreitet, wie das Fahrzeug trotzdem in der Gemeinde hätte verbleiben können. Die Lücke zur Kostendeckung betrage 4080 Euro netto. Würde sich Niederstotzingen dazu bereit erklären, diesen Fehlbetrag auszugleichen, könne man den Leasingvertrag verlängern. Die Stadtverwaltung schätzte das Kosten-Nutzen-Verhältnis allerdings als nicht wirtschaftlich ein.
Kontroverse Diskussion im Niederstotzinger Rat
In der Sitzung des Gemeinderates wurde der Beschlussantrag zur Einstellung des Carsharing-Angebotes kontrovers diskutiert. Dabei verlief die Frontlinie durchaus sogar innerhalb einzelner Fraktionen, was sich letztendlich auch im Abstimmungsergebnis widerspiegelte: Mit neun Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen bei einer Enthaltung beschloss der Gemeinderat die Einstellung zur Mitte des Jahres 2023.
Marianne Nikola, die Fraktionsvorsitzende der Bürger- und Wählerinitiative, sprach sich für eine Fortführung des Leasingvertrages aus. Bezüglich der Überbrückungssumme in Höhe von 4080 Euro verwies sie darauf, dass das nicht mal ein Euro pro Niederstotzinger pro Jahr sei. Sie stellte klar, dass nicht alle in der BWI-Fraktion für eine Verlängerung des Vertrages gewesen seien.
Auch Theodor Feil (SPD) gab zu Protokoll, dass man innerhalb der eigenen Fraktion keinen gemeinsamen Nenner habe finden können. Er persönlich sehe aber nicht, dass man drei Privatpersonen unterstützt hätte, „wir subventionieren ein Angebot“, so Feil. Wie so ein Angebot dann genutzt werde, sei eine ganz andere Frage. Das Carsharing-Angebot käme gezielt Älteren zugute, etwas, das generell ja auch gewollt sei. Menschen sollen zudem gezielt dazu motiviert werden, auf einen eigenen Pkw zu verzichten.
Carsharing sei eine kommunale Freiwilligkeitsleistung
Bernd Hegele (CDU) verwies darauf, dass man sich hier im Bereich der kommunalen Freiwilligkeitsleistungen befinde. Das Auslaufen des Carsharing-Angebots sei für die einzelnen Betroffenen zwar „sehr, sehr bitter“, so Hegele, aber man müsse die 4800 Einwohner sehen und nicht nur drei. „In der Summe geht es halt nicht.“
Über den CDU-Fraktionschef hat sich dann Elfriede Tummoscheit auch am meisten geärgert. Dessen ablehnende Haltung in der Gemeinderatssitzung passt für sie nicht zum christlichen Selbstverständnis der Partei. Wie sie ihr Transportproblem und das ihrer Nachbarin zukünftig lösen wird, weiß Elfriede Tummoscheit nicht. „Bis Ende Mai habe ich jetzt aber schon mal gebucht, das können die mir nicht wegnehmen.“