Wie der Niederstotzinger Gemeinderat die Schließung der Weltkulturerbestätte begründet
Groß war der Besucherandrang bei der vergangenen Sitzung des Gemeinderats Niederstotzingen, die in weiser Voraussicht gleich in die Stadthalle verlegt wurde. Dort blieb denn auch kaum ein Platz frei, denn auf der Tagesordnung stand ein Thema, das seit zwei Jahren, vor allem aber in den zurückliegenden Wochen für heiße Diskussionen gesorgt hatte: die Zukunft des Archäoparks Vogelherd. Unter den Besuchern waren auch zahlreiche Mitarbeiter des Parks, die letztlich Zeugen einer einstimmigen Entscheidung wurden: Der Betrieb des Archäoparks wird nicht mehr aufgenommen, die Schließung ist beschlossene Sache.
Beifall aus dem Publikum
Ausführlich und lang wurde der Tagesordnungspunkt behandelt. Nach eineinhalb Stunden, in denen Bürgermeister Marcus Bremer sowie die Fraktionsvorsitzenden Bernd Hegele (CDU), Marianne Nikola (BWI) und Theo Feil (SPD) ihre Stellungnahmen abgaben, war keine Aussprache, keine Diskussion mehr notwendig. Am Ende gab es auch keine Enthaltungen, geschweige denn Gegenstimmen. Die Fraktionen waren sich in allen Punkten einig – eine Einmütigkeit, die sogar von den Besuchern geteilt wurde: Nach jeder Rede gab es Beifall von den Zuschauern.
Einigkeit herrschte zum Beispiel darüber, das Angebot des Landes Baden-Württemberg auf Einrichtung eines Höhleninformationszentrums im Park gegen Jahresmiete von 35.000 Euro zunächst für fünf Jahre unter der Auflage, dass die Stadt den Park weiterbetreibt, nicht anzunehmen. Im Gegenteil: Deutliche Kritik hieran äußerten die Fraktionsvorsitzenden über das „lange Hinhalten“ (Feil), aber auch über die Höhe des Angebots: „Einfach nicht zu verstehen“, befand Marianne Nikola, dass nach den vielen und großen Wortes des Lobes für den Park von hochrangigen Politikern die monetäre Unterstützung ausbleibe. Sie gab ihrer Verwunderung Ausdruck, dass „Städte, die nicht Welterbe sind, mehr Unterstützung erhalten“ und schloss die Frage an, ob es Zufall sei, dass Ministerpräsident Kretschmann in deren Region wohne. Das Angebot zeige ihrer Ansicht nach deutlich, welche grundsätzliche Haltung das Land zu Kultur und Geschichte einnimmt.
Dass das Land keinen Präzedenzfall schaffen wollte, stieß bei Bernd Hegele noch auf Verständnis, allerdings hätte das Land seiner Meinung nach auch anders vorgehen können: „Im Rahmen der Wirtschaftsförderung für den strukturschwachen Raum hätte man das zarte Pflänzchen Tourismus nur weiter gießen müssen. Aber wenn man nicht will, dann läuft natürlich überhaupt nichts.“
Kein Freizeitpark, kein Heimatmuseum
Das Land widerspreche sich selbst, führte Theo Feil aus: Im Welterbeantrag 2016 habe das Land den Archäopark noch als wichtige Informationsquelle für Vermittlung von Wissen bezeichnet, jetzt werde er nur noch als kommunale Einrichtung gesehen – als „Vergnügungspark“ gewissermaßen, während die Stadt mit ihm ein Besucherzentrum zur Vermittlung des Welterbes geschaffen habe. „Das ist kein Heimatmuseum und auch kein Freizeitpark“, schloss sich Marianne Nikola an.
Dass CDU-Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi darauf verwiesen hatte, es handle sich um eine kommunale Einrichtung, deren Defizit nicht vom Land aufzufangen sei, dafür war Bernd Hegele dankbar: „Dann müssen wir uns auch von niemandem dreinreden lassen“.
Einigkeit herrschte auch in der Anerkennung der Arbeit, sei es durch Angestellte, durch ehrenamtlich Tätige, durch Sponsoren, Wissenschaftler und den Förderverein Eiszeitkunst im Lonetal, die zur stetigen Attraktivitätssteigerung des Parks geführt und die Eiszeit erlebbar gemacht habe. „Wir glauben nicht, dass dieser Ansatz durch Schautafeln und Filme gleichwertig ersetzt werden kann“, so Theo Feil. Allein die Funde, so Bürgermeister Bremer, lassen die Bedeutung für die Menschheit nicht erschließen. „Hierzu braucht es Kontext, Geschichten, Fakten und Emotionen“. Von Beginn an habe der Park auf diese Weise die Vermittlerrolle ausgeführt und gerade das Echo bei Kindern und Jugend zeige deren Gelingen. Ob das noch der Fall sei, wenn der Betrieb auf ein für die Stadt finanziell tragbares Maß abgespeckt werde, sei zu bezweifeln – auch ob der Archäopark tatsächlich getrennt vom Welterbe zu sehen sei. „Wir haben ein Angebot mit einem wissenschaftlich fundierten Konzept dazu geschaffen, wie es authentischer nicht sein kann“, so Marianne Nikola.
Mehr Zeit für Pflichtaufgaben
An den Fakten, die 2020 zum Schließungsbeschluss geführt hatten – nämlich drohender Abmangel von 300.000 Euro aufgrund Wegfalls der Förderung – , sahen die Fraktionen durch das Angebot des Landes damit keine signifikante Änderung, zumal dies lediglich auf die Dauer von fünf Jahren ausgelegt sei. Damit herrschte auch Einmütigkeit darüber, dass sich die Stadt ihren Pflichtaufgaben zuzuwenden habe, umso mehr als sich die Zeiten durch die Krisensituation geändert haben. Etwas anderes könne den Bürgerinnen und Bürgern nicht abverlangt und auch nicht zugemutet werden, führte Bremer aus, die ja in den letzten zehn Jahren den Park mit ihren Steuern, Gebühren und Beiträgen finanziert haben.
„Wir können nur hoffen, dass sich das Land seiner Verantwortung doch noch bewusst wird und eine der kulturpolitischen Bedeutung angemessene Lösung findet“, schloss Theo Feil seine Rede. Bernd Hegele unterbreitete hierzu noch das Angebot, wenn das Land ein Welterbe bespielen möchte, dann werde die Stadt nicht verwehren, Gebäude und das Drumherum zur Verfügung zu stellen.
Bedauern gegenüber Mitarbeiter
Die Schließung des Parks, so einhellig sie auch beschlossen wurde und so zustimmend sie auch von den Besuchern aufgefasst wurde, hinterließ doch allseits auch Wehmut: „Das war sicher nicht unser Ziel des Projekts Archäopark“, brachte es Marianne Nikola die Stimmung auf den Punkt, die Entscheidung sei aber wohlüberlegt und nicht leichtfertig getroffen. Zumal mit der Entscheidung auch einhergeht, dass die im Archäopark vorhandenen Planstellen im Stellenplan für das Haushaltsjahr 2023 mit einem Wegfallvermerk gekennzeichnet werden. Gerade für die Mitarbeiter hätte sich Bremer gewünscht, das Angebot des Landes hätte früher auf dem Tisch gelegen, so sehr er auch das Engagement der Landtagsabgeordneten Martin Grath (Grüne) und Andreas Stoch (SPD)