Seit 2020 steht das Gebäude Hohenzollernstraße 1 leer, und ansehnlicher ist es seither nicht geworden. Im Gegenteil: Das Wort „Schrottimmobilie“ fiel im Gemeinderat des häufigeren. Denn dieser hatte sich damit zu befassen, ob die Stadt das Vorkaufsrecht an diesem Gebäude erwerben solle.
Aufgepoppt war das Thema dadurch, dass sich ein Käufer gefunden hatte, der das Gebäude zum Preis von 76.000 Euro erwerben wollte. Nach Information durch den Notar, der die Frage gestellt hatte, ob die Stadt das Vorkaufsrecht ausüben wolle, hatte sich Bürgermeister Marcus Bremer, wie er berichtete, mit dem Käufer und dessen Dolmetscher in Verbindung gesetzt. Danach sei es die Absicht des Käufers selbst zu bewohnen. Ob der „bauliche oder städtebauliche Missstand“ (Bremer) durch den Käufer behoben werden könne, hänge von dessen finanziellen Möglichkeiten ab. Es sei davon auszugehen, dass dieser Missstand aufgrund des günstigen Kaufpreises in Kauf genommen wird. Dieser städtebauliche Missstand könnte allerdings die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt begründen. Dieses Vorkaufsrecht könnte der Käufer dadurch abwehren, indem er sich verpflichtet, das Gebäude herzurichten.
Straßen- und Ortsbild beeinträchtigt
Bremer wies auch darauf hin, dass das Quartier im Bereich der Berg- und Hohenzollernstraße in den Fokus städtebaulicher Bemühungen gestellt worden war, als bereits im Jahr 2014 die Anerkennung als Schwerpunktgemeinde im Entwicklungsprogramm ländlicher Raum gestellt worden war. Gerade der Erneuerung des Quartiers könnte das Grundstück Hohenzollernstraße 1 im Weg stehen, zumal das baufällige Gebäude das Straßen- und Ortsbild nicht unerheblich beeinträchtige. Das Vorkaufsrecht müsste bis zum 14. August ausgeübt werden.
Bernd Hegele, der Fraktionsvorsitzende der CDU, sprach sich dafür aus, das Vorkaufsrecht auszuüben. Die Stadt sei gerade dabei, das Quartier zu ordnen, daher könne man die Dinge nicht laufen lassen, die künftig unlösbare Probleme darstellen könnten. Der Preis sei freilich „nicht ohne“, tatsächlich würde sich dieser eher am Bodenrichtwert orientieren, wobei die Abbruchkosten in Abzug zu bringen wären. Dennoch müsse auch in die Bewertung einfließen, was die Stadt in diesem Quartier bereits investiert habe: „Wir dürfen nicht aus der Hand geben, was in diesem Bereich entstehen soll.“
Abbruch und Neubebauung?
Bärbel Noller, SPD, erkundigte sich danach, was die Stadt mit dem Gebäude vorhabe, was Bürgermeister Bremer mit den Möglichkeiten Abbruch und adäquater Neubebauung beantwortete, vor allem aber damit, dass darüber dann im Gemeinderat zu diskutieren sei, der eine Grundkonzeption beraten und beschließen müsse. So lange stünde das Haus leer oder man müsste das Grundstück baureif machen. Das Vorkaufsrecht könne nicht ausgeübt werden, um Bodenvorrat zu schaffen.
Während Helmut Kircher, der Fraktionsvorsitzende der BWI, ebenfalls das Vorkaufsrecht befürwortete, um die Entwicklung im Bereich Hasenberg in der Hand zu behalten, lehnte Theodor Feil, der Fraktionsvorsitzende der SPD, das Vorkaufsrecht ab. Der Kaufpreis sei zu hoch für das Gebäude im jetzigen baufälligen Zustand. Außerdem sei es mit dem Kaufpreis nicht getan, es kämen Abbruch- und Sicherungskosten hinzu, da auch die Grundstücksmauern schadhaft seien. Wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt werde, dann könne es sich die Stadt nicht leisten, den jetzigen Zustand zu belassen.
Die Lage sei seiner Meinung nach auch nicht für die Nachverdichtung geeignet, da das Grundstück nicht groß genug sei. Der Kaufpreis stehe im Übrigen in keinem Verhältnis zu anderen Grundstücks- und Gebäudekäufen: „Wenn wir diesen Preis zahlen, dann wird das den Preis für weitere Erwerbe in die Höhe treiben“. Er erinnerte daran, dass die Stadt zum sorgfältigen Umgang mit Steuermitteln verpflichtet sei. Martin Däumling, SPD, sah in dem Gebäude auch keinen Bezug zur Quartiersentwicklung, da es sich nicht um ein Nachbargrundstück handele. Es sei nicht Aufgabe der Stadt, für eine Freifläche zu zahlen. Es könne Jahre dauern, bis Pläne vorliegen und Genehmigungen vorliegen.
Verkehrsrechtlich schwierige Lage
Ein Solo-Grundstück, ein kleines noch dazu, räumte Berthold Wetzler, CDU, ein. Dennoch stecke mehr darin, denn es sei das ganze Drumherum in den Blick zu nehmen, wenn die Absicht bestehe, aus dem Areal etwas Neues, Größeres zu machen. Dabei könnte das Grundstück Hohenzollernstraße 1 hinderlich sein, nicht nur räumlich, sondern es könnte auch zu einem „Downgrading“ des Gebiets führen. Bürgermeister Bremer führte noch aus, mit dem Konzept Bergstraße 3/5 könnte ein ganzes Paket geschnürt werden, mit dem möglicherweise auch ein Investor zur Refinanzierung gefunden werden könne. Er verwies auch darauf, der Stadt obliege nicht nur die Finanzhoheit, sondern auch die Planungshoheit, die es untereinander abzuwägen gelte.
Für Stefan Mickley, BWI, relativiere sich der Kaufpreis dadurch, dass von einem Bodenrichtwert von 58.000 Euro auszugehen sei, sodass letztlich der Differenzbetrag von 18.000 Euro zu bewerten sei: „Ich glaube, das ist es wert“, zumal das Gebäude sich auch an einem verkehrsrechtlich schwierigen Punkt befinde.
Letztlich sprachen sich elf Räte für die Ausübung des Vorkaufsrechts aus, die damit bei vier Gegenstimmen beschlossen wurde.
Gesetz ist im Jahr 2021 in Kraft getreten
Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 BauGB betrifft Fälle, in denen auf dem zu veräußernden Grundstück ein städtebaulicher oder baulicher Missstand besteht und das Grundstück dadurch negative Ausstrahlungseffekte auf sein Umfeld verursacht. Insbesondere kann dies sogenannte „Schrottimmobilien“ betreffen, die durch Verwahrlosung, Insolvenzen oder ähnliches entstehen können und nicht selten in erster Linie aus spekulativen Gründen veräußert werden, weniger hingegen, um den bestehenden Missstand zu beseitigen. Das Gesetz ist im Jahr 2021 in Kraft getreten. Rechtssprechung hierzu ist noch nicht vorhanden.