Ritter, die hoch zu Ross und in ihren heraldischen Farben über einen Platz sprengen; Männer und Frauen in Leinengewändern, denen Trinkhorn und Dolch vom Gürtel hängen; ein Schmied, der auf Amboss und Esse Speerspitzen herstellt: Alles Anblicke, die nicht alltäglich sind, aber in Stetten auch nicht ganz ungewohnt. Denn im Rittergut am Rande des Dorfes findet einmal jährlich das große Turnier der Württemberger Ritter statt, das all diese Anblicke und noch mehr im Angebot hat.
Dass das Stettener Turnier etwas Besonderes ist, zeigte sich auch an den vielen Gästen, die am Wochenende das Rittergut besuchten. Während der Großteil aus dem Umland kam, waren andere aus entfernten Teilen Württembergs und Bayerns angereist. Andreas Windmüller, der Vorsitzende der Württemberger Ritter, kannte am Sonntagnachmittag noch nicht die genaue Anzahl der Gäste, war aber bereits gut gelaunt: "Wir sind absolut zufrieden, das war wieder eine erfolgreiche Veranstaltung."
Die Besucherinnen und Besucher bekamen ein Programm zu sehen, das darauf ausgelegt war, jeder Altersgruppe etwas zu bieten. Kinder kamen bei der Knappenausbildung auf ihre Kosten und konnten am Samstagnachmittag das Kinderritterturnier anschauen. Für die Falknervorführungen und das Turnier der Bogenschützen interessierten sich Jung und Alt.
Ebenfalls bei allen beliebt war der das Wochenende überspannende Markt, bei dem vor allem Kunsthandwerk aus Bronze, Steingut, Holz, Leder und edlen Steinen bestaunt oder gekauft werden konnte. Natürlich fanden auch Rüstung und Waffen ihre Abnehmer, für Kinder aus Holz gefertigt, für ältere Besucherinnen und Besucher aus Metall.
Der Innenhof des Ritterguts war dem Essen und Trinken gewidmet, die Auswahl reichte vom Spanferkel über geräucherten Fisch bis hin zum kuriosen "Schottischen Teigfladen". Auf der Bühne inmitten des Hofes war ein buntes Musikprogramm auf historischen Instrumenten geboten, in schneller Abfolge gaben sich die Gruppen die Klinke, oder besser gesagt die Schalmei, in die Hand.
Trotz des bunten Treibens auf dem Gelände war die Hauptattraktion natürlich wieder das Nachtturnier am Samstagabend. Der an diesem Abend mehrmals auftreten Regen legte sich gerade rechtzeitig zu Beginn des Waffengangs. Die routinierten Ritter und ihre Pferde kamen auch auf dem nassen Boden gut zurecht und zeigten ihr Können beim Aufspießen kleiner Ringe mit der Lanze, beim Speerwurf und beim Zerschlagen von Tontöpfen, die mit "magischem Pulver" gefüllt waren, das leicht in Flammen aufging. Auch der Tjost, bei dem zwei Ritter aufeinander zureiten und versuchen, die eigene Lanze am Schild des Gegners zu zerschmettern, gehörte wieder zum Programm, genauso wie Kämpfe mit dem teils aufsässigen Fußvolk, das den Herren hoch zu Ross immer wieder Streiche spielte.
Der Gesamtsieg, und damit auch die "Burg zu Stetten", ging an Philipp von Falkenstein, doch Michael von Grafeneck wollte sich mit diesem Ausgang nicht zufriedengeben. Er forderte ein Gottesurteil, das jedoch keine Klärung brachte, weil die ausgewählten Vertreter der Ritter im Kampf beide zu Boden gingen. Stattdessen musste ein Handgemenge der versammelten Kämpfer den Konflikt entscheiden, bei dem neben Schwertern, Äxten und Speeren auch Brandpfeile und Trebuchets, welche brennende Strohballen schleuderten, eingesetzt wurden.
Schließlich erzwangen die Unterstützer von Grafeneck Einlass in die Burg, nur um kurz darauf brennend wieder herauszurennen. Das Publikum bekam zu hören, dass die Burg vom "Geheimbund des Drachens" geschützt werde. Die Mitglieder der Gruppe demonstrierten ihre Macht über das Element Feuer eindrucksvoll in der immer dunkler werdenden Nacht. Dazu nutzten sie funkensprühende Stäbe, brennende Ketten und Kugeln sowie die Figur eines Drachen, die von Feuerspuckern entzündet wurde.
Die Besucher, die nach diesem Spektakel noch aufnahmefähig waren, versammelten sich im Innenhof, um ein oder zwei weitere Biere aus den wappenverzierten Tonkrügen zu trinken und den Klängen von Dudelsack, Harfe, Laute und Pauke zu lauschen, die noch lang durch die Nacht hallten.