70 Prozent der Belegschaft betroffen: Woran es liegt und wie es weitergeht
Seit Anfang des Monats herrscht bei der Sontheimer Röhm GmbH und damit einem der bedeutendsten Spannmittelhersteller der Welt Kurzarbeit, das bestätigte jetzt Gerhard Glanz, einer der Geschäftsführer des Unternehmens. Von dieser vorübergehenden Verringerung der Regelarbeitszeit betroffen sind circa 70 Prozent der Belegschaft, ganz gleich, ob sie in der Verwaltung oder im Bereich Produktion tätig sind. „Die einen mehr, die anderen weniger“, sagt Glanz, überwiegend aber betreffe es die Produktion.
Rund 450 Mitarbeiter betroffen
Laut Glanz sind schätzungsweise rund 450 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser Kurzarbeit betroffen. Wie lange dieser Zustand für die Angestellten des Unternehmens andauern wird, kann er zurzeit noch nicht abschätzen: „Es ist kein Röhm-internes Problem, dem wir hier mit Kurzarbeit begegnen müssen, sondern es sind die äußeren Einflüsse. Es ist der Markt, der stellenweise gerade wegbricht“, erläutert Glanz.
Diese „äußeren Einflüsse“ können temporär sein, sie könnten aber auch der Beginn einer weltweiten Rezession sein, so Glanz: „Da bin ich nicht Experte genug. Ich bin ja nur ein kleiner Industriekapitän und kein Wirtschaftsweise.“ In den verschiedenen Sparten seines Geschäftes aber spüre er, dass sich der Markt in den vergangenen Monaten stark verändert hat. „Man merkt, dass die Zurückhaltung beim Konsumenten beginnt“, erklärt der Geschäftsführer. Der Produktionsbereich „Bohrfutter“ bei Röhm ist dabei am stärksten betroffen, auf ihn entfällt circa 25 Prozent der gesamten Angestellten in Kurzarbeit.
Entwicklung keine Überraschung
Für Glanz ist die Entwicklung nicht verwunderlich. Der Konsument weltweit, aber ganz besonders in Europa, mache sich große Sorgen darüber, ob er sich seine Energierechnung leisten kann, wie lange die Energiepreise auf dem aktuellen Niveau verharren und wohin sie sich zukünftig entwickeln werden. Den Lebensmitteleinkauf fürs Wochenende, so schildert Glanz, für den der Konsument statt 70 bis 80 Euro momentan 100 oder 110 Euro braucht, merke man natürlich auch, weshalb Konsumenten damit anfingen, an anderer Stelle einzusparen.
Zum Beispiel bei Produkten wie Bohrmaschinen und Akkuschraubern, wie man sie in jedem Baumarkt finden kann. Die Hersteller dieser Produkte gehören zu den Kunden der Röhm GmbH, sie beziehen von ihr die Bohrfutter. „Sie berichten alle, dass die Nachfrage um rund 30 Prozent zurückgeht – der eine mehr, der andere weniger. Sie haben volle Lager, weil alle gehamstert haben. Alle waren aufgrund der weltweiten Materialknappheit darauf bedacht, ihre Lager ordentlich zu füllen, damit sie lieferfähig bleiben. Jetzt rückt der Bilanzstichtag, für die meisten ist das der 31. Dezember, immer näher, da will keiner volle Lager haben, weil sie sich in der Bilanz niederschlagen. Und deshalb kaufen die Kunden fast nichts.“
Großprojekte auf Eis
Doch nicht nur im Endkundengeschäft schlagen die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen, etwa die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, auf das Geschäft von Röhm durch. Der Wegfall des russischen Marktes wirke sich auch auf die Nachfrage nach Komponenten seitens der Werkzeugmaschinenhersteller aus. Diese würden unter anderem von Röhm ausgerüstet. Außerdem stellt Glanz eine deutliche Zurückhaltung bei Großprojekten mit einem Investitionsvolumen von etwa 1,5 Millionen Euro aufwärts fest.
Glanz schätzt, dass sich das Geschäft im Februar wieder normalisieren könnte. Das bedeutet allerdings auch, dass die Kurzarbeit bei Röhm in Sontheim bis zum Frühjahr des nächsten Jahres andauern dürfte. Eine Annahme, die Glanz mit einem knappen „Ja“ bestätigt. Die Frage, ob es bei Röhm in Sontheim zu Entlassungen kommen könnte, beantwortet er hingegen mit „Nein“.
2021 noch Personal gesucht
Noch 2021 hat Röhm für den Produktionsbereich Bohrfutter nach Personal gesucht. „Da hat man richtig gemerkt: Der Konsument ist investitionsfreudig“, so Gerhard Glanz. Genau diese Entwicklung drehe sich seiner Meinung nach im Moment wieder um, „weil der Konsument jetzt doch nicht den Wintergarten baut, doch nicht die Wohnung restauriert und das Dach oder die Heizungsanlage saniert. Das muss jetzt eben einfach alles warten, weil er zutiefst verunsichert ist“.
Trotz der momentanen Lage blickt Glanz hinsichtlich der Belegschaft optimistisch in die Zukunft. Für die Zahl der Beschäftigten bedeute das „gar nichts“, so der Geschäftsführer, der allerdings einräumt: „Wir werden nicht wachsen können, was uns natürlich viel lieber wäre.“
„Kein Hickhack“
Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wegen der Kurzarbeit verlaufe laut Geschäftsführer Gerhard Glanz „hervorragend“: „Wir haben hier wirklich eine Sozialpartnerschaft und kein Hickhack. Wir arbeiten alle zusammen in einer tollen Firma. Das ist, glaube ich, so ziemlich jedem bei Röhm bewusst. Das schätzt auch die IG Metall.“
Der Betriebsrat wollte sich auf Anfrage der HZ nicht äußern. Die IG Metall Heidenheim ist von der Röhm-Geschäftsführung über die Kurzarbeit informiert worden.