Leserbrief

Auch im Landkreis Heidenheim verdienen die Bauern Solidarität

Leserbrief zum bundesweiten Bauern-Protesttag und zum Beitrag „Landwirte legen Verkehr teilweise lahm“ (Ausgabe vom 9. Januar):

Neben den Landwirten beteiligen sich auch Speditionen an den Protesten, und viele Passanten zeigen Verständnis oder begrüßen die Fahrzeugkolonnen sogar mit Applaus. Darüber hinaus werden die Proteste gerade im Landkreis Heidenheim durch viele Handwerksbetriebe und Mittelständler unterstützt. Warum sollten wir uns nun mit unseren Bauern und diesen Betrieben solidarisch zeigen?

Der angekündigte Abbau von Subventionen ist nur die Spitze des Eisbergs. Vorangegangen waren Flächenstilllegungen bei der Landwirtschaft, eine neue Düngeverordnung mit erheblichen Hürden, Auflagen für mehr Tierwohl, Einschränkungen beim Pflanzenschutz. Es ändert also nichts, wenn Berlin bei den Subventionsstreichungen zurückrudert. Diese sind nur der Teil, der ein sich seit langem füllendes Fass zum Überlaufen gebracht hat. Allein das ist ein Grund für Solidarität.

Die ideologiegetriebene Politik in Berlin und Brüssel betrifft aber nicht nur die Landwirte. Insgesamt wird die Bevölkerung auf dem Land übergangen. Denken wir an die CO2- und die Energiesteuer. „Sollen sie halt mit den Öffentlichen fahren“, sagen die Großstädter. Schön, wenn’s diese auf dem Land in einem Takt gäbe, dass man sinnvoll zur Arbeit kommt. Ladeinfrastruktur für E-Autos? Kilometerweit weg. Oder wie war das mit dem im Heizungsgesetz angedachten Verbot von Biomasse-Heizungen?

Aber ziehen wir den Kreis mal größer: Kaum ein Bürger begreift es, dass in einem Jahr mit Rekord-Steuereinnahmen kein Haushalt zustandekommen kann, ohne ein Volk, das ohnehin schon unter einer der höchsten Steuerlasten im internationalen Vergleich steht, noch weiter zu belasten. Wieder trifft es vor allem die kleinen und mittleren Einkommen. Und auf der anderen Seite wird das Geld mit vollen Händen in alle Ecken dieser Welt verteilt oder für Menschen ausgegeben, die kein Interesse an unserem Gemeinwohl und am Erhalt unseres Wohlstands haben.

In der Covid-Pandemie hat der Gesundheitsminister große finanzielle Anstrengungen für das Gesundheitssystem und vor allem für die völlig unterbezahlten Pflegekräfte angekündigt. Pandemie vorbei, Versprechen vergessen. Die Pisa-Ergebnisse sind himmelschreiend. Anstrengungen, das Bildungssystem auf Vordermann zu bringen? Fehlanzeige. Klimakrise! Wir müssen Güter- und Personenverkehr auf die Schiene bringen! Aber bei den Pro-Kopf-Ausgaben in das Schienennetz ist Deutschland europaweit auf einem der letzten Plätze.

Wer sich im europäischen Ausland umsieht, weiß auch, dass wir im Bereich der Digitalisierung und Entbürokratisierung zu den Schlusslichtern zählen. Die Liste, wo Deutschland kaputtgespart wird, aber zeitgleich Geld in alle Richtungen ausgegeben wird, ist fast endlos. Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung unzufrieden mit der Migrationspolitik ist. Konsequente und rasche Abschiebungen rechtskräftig verurteilter Straftäter oder abgelehnter Asylantragssteller würden auf der einen Seite große Unterstützung erhalten. Auf der anderen Seite herrscht breites Unverständnis, wenn Asylantragsteller nach langer Prüfung ihres Antrags trotz erfolgreicher Integration und als Teil unserer Gesellschaft, die ihren Beitrag leisten, abgeschoben werden.

Die schiere Menge an Zuwanderern, die Regelungen zur doppelten Staatsbürgerschaft, der Grenzübertritt ohne gültige Ausweisdokumente, die Anforderungen an die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft sind Themen, die die Menschen bewegen, aber von der Bundespolitik nicht ernst genommen werden. Das politische Establishment auf Bundes- und EU-Ebene fühlt sich sicher. Politischer Anstand und Verantwortung sind aus der Mode geraten. Rücktritt um die Übernahme von Verantwortung und Demut für Fehler zu zeigen? Nicht nötig. Egal, ob Andreas Scheuer, der die Steuerzahler mit seiner aussichtslosen Pkw-Maut-Idee 243 Millionen Euro gekostet hat, oder Bundeskanzler Olaf Scholz, der in der Cum-Ex-Affäre Erinnerungslücken größeren Ausmaßes hat.

Viele Spitzenpolitiker aller Parteien treten nach ihrem Mandat hochbezahlte Jobs in der freien Wirtschaft an. Das Vertrauen, unabhängige Politik im Sinne der Bevölkerung zu machen, schwindet damit mehr und mehr. Die Berichterstattung, insbesondere bei den Nachrichtenredaktionen von ARD und ZDF, hinterfragt diese Entwicklung wenig kritisch. Bei verbaler Kritik ist sehr schnell von Radikalisierung die Rede.

Berlin hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Der Unmut über das politische Gebaren, das Unverständnis für zahlreiche nicht nachvollziehbare politische Entscheidungen und das Misstrauen in den angepassten Journalismus ist längst nicht mehr nur in einer Randgruppe ewig gestriger, unzufriedener Gandler am rechten Rand zu hören, sondern sie haben sich in der Bevölkerung breitgemacht - egal welches Alter, welcher Bildungshintergrund, welche Berufsgruppe.

Warum sollten wir uns nun mit unseren Bauern und Handwerksbetrieben solidarisch zeigen? Weil sie die Unterstützung ihrer Anliegen durch die Gesellschaft verdienen. Aber vor allem, weil sie eine Bewegung in Gang setzen, die in diesem Land längst überfällig ist. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Bürger, die ähnlich denken, sich dieser Bewegung anschließen, und die Proteste sich nicht in der Bequemlichkeit des Alltags verlaufen. Und es bleibt auch zu hoffen, dass unsere politischen Vertreter diese Bewegung ernst nehmen und ihre Verantwortung für unser Gemeinwohl darin erkennen.
Philipp Hornung und Reiner Lindenmayer, Sontheim an der Brenz