Das sagt Röhm-Geschäftsführer Gerhard Glanz zum aufgeschobenen Neubau in Sontheim
Der Sontheimer Spannzeughersteller Röhm hat in den mehr als 100 Jahren seines Bestehens schon so manchen turbulenten Moment überstanden. Von der Gründung in Zella-Mehlis 1909 über den Ersten und Zweiten Weltkrieg und den darauffolgenden Wiederaufbau der Röhm-Werke in Sontheim/Brenz. Von der Expansion ins Ausland über den ersten externen Geschäftsführer bis hin zur Übernahme durch die österreichische Dr. Helmut Rothenberger Holding 2017. In den Jahren zuvor war das Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten, die Zahlungsunfähigkeit drohte.
Dann ging es aufwärts: 2018 machte man nach langer Durststrecke wieder Gewinn, knackte gar den höchsten Monatsumsatz der vergangenen zehn Jahre. Auch die Anfang 2019 verkündeten Neubaupläne ließen aufhorchen. Für rund sieben Millionen Euro sollte am Sontheimer Stammsitz ein neues Büro- und Technologiezentrum entstehen. Für Geschäftsführer Gerhard Glanz ein großer Schritt in eine modernere Zukunft. Gebaut wurde der zweigeschossige Neubau bislang aber nicht. Was ist aus den Plänen geworden? Einfache Frage. Komplexe Antwort.
Röhm: Gleich mehrere Krisen zu bewältigen
„Wir kämpfen seit drei Jahren gegen äußere Einflüsse“, sagt Geschäftsführer Glanz. Zu bewältigen gelte es gleich mehrere Krisen. Der erste Einschlag direkt nach dem Hochkonjunkturjahr 2018 (Umsatz: 155 Millionen Euro): die Krise in der Automobilbranche 2019. Dass viele Autokonzerne damals mit Investitionsstopps reagiert hätten, sei auch in Sontheim deutlich zu spüren gewesen. „70 Prozent unserer Kundschaft kommt aus der Werkzeugmaschinenindustrie“, erklärt Glanz und spricht von einem 25-prozentigen Minus bei Auftragseingang und Umsatz im Jahr 2019.
Als wäre das nicht genug gewesen, kam ab 2020 noch die Coronapandemie dazu. Auch sie hat beim Sontheimer Spanntechnikhersteller Wirkung gezeigt. „2020 standen wir zeitweise kurz vor der Betriebsschließung“, erinnert sich Gerhard Glanz. Eine firmeninterne Inzidenz von mehr als 2000 habe damals das Arbeiten erschwert. Als Konsequenz sei im zweiten Halbjahr ein internes Testzentrum eingerichtet worden, die Mitarbeiter habe man zum regelmäßigen Testen verpflichtet. „Wir haben die Sicherheit des Unternehmens vor die Befindlichkeit einzelner gestellt“, sagt Glanz, gegen Testverweigerer sei man rigoros vorgegangen. Der Großteil der Belegschaft habe sich aber sehr flexibel gezeigt. „Eine tolle Mannschaft“, lobt Glanz.
Auftragseingang während Corona: zeitweise ein Minus von 50 Prozent
Gegen das zeitweise Minus von 50 Prozent beim Auftragseingang konnten aber auch engagierte Mitarbeiter nicht viel ausrichten. Die engmaschig vernetzte Weltwirtschaft war ins Stottern geraten. Fehlt es hier, fehlt es dort, eine Kettenreaktion. Übers gesamte Jahr gesehen lag der Auftragseingang 2020 durchschnittlich bei minus 35 Prozent, der Konzernumsatz bei 111 Millionen Euro. Trotzdem habe Röhm am Ende noch einen operativen Gewinn von sechs Prozent erwirtschaftet (siehe eigener Beitrag). „Wir haben zwar kein Vermögen verdient“, fasst Glanz zusammen, „das Jahr aber schadensfrei überstanden“. Und zwar so schadensfrei, dass auch Investitionen in Maschinen und Ausrüstung getätigt werden konnten – allerdings nicht in den geplanten Neubau.
Auch 2021 wurden weitere neun Millionen Euro in die Ausstattung der Werke in Sontheim und Dillingen investiert. „Das hat uns wettbewerbsfähiger gemacht“, sagt Glanz auch im Hinblick auf die insgesamt 25 Millionen Euro an Investitionen, die seit 2017 geflossen seien. Der Umsatz lag 2021 bei 135 Millionen Euro. Wieder ein besseres Ergebnis als im Vorjahr also, aber noch nicht so gut wie 2018. „Wir hinken hinterher“, sagt Glanz. Wegen der Coronapandemie, wegen den weiterhin spürbaren Auswirkungen der Automobilkrise, der allgemeinen Materialknappheit – und seit Neuestem auch wegen der Ukrainekrise. „Russland war ein interessanter Markt für den deutschen Maschinenbau. Belarus war ebenfalls hochinteressant.“ Dieser Markt ist nun weg, Geschäfte, die man in konfliktfreien Jahren vielleicht hätte abschließen können, sind unmöglich geworden.
Energiekosten: Allein 500.000 Euro mehr beim Strom
Hinzu kommt neben der Inflation noch das Energiethema. „Ich schätze, dass wir 2022 allein beim Strom Mehrkosten von 500.000 Euro haben werden“, sagt Glanz. Beim Erdgas sehe es noch düsterer aus. „Ich hoffe, dass die Regierung es schafft, einen Importstopp zu verhindern oder rechtzeitig die Einspeisung von interkontinentalem Flüssiggas organisieren kann“, so der Geschäftsführer weiter. Denn: Sollte Röhm das Gas ausgehen, wird es richtig schwierig. Dann nämlich könne die Härterei, durch die in Sontheim mehr als 70 Prozent der Produktion gehen (bei 800 bis 1000 Grad), nicht mehr betrieben werden. Die rund eine halbe Million Euro teure Umrüstung auf Elektro sei nur in der Theorie eine Alternative, sagt Glanz, denn sollte Deutschland das Gas ausgehen, werde in der Folge auch der Strom knapp werden. Um zumindest etwas gewappnet zu sein, saniert man bei Röhm zur Zeit die alte Ölheizung. So könnten im Fall des Falles zumindest die Gebäude weiter beheizt werden. „Wir befüllen die alten Tanks und wollen Öl bunkern“, sagt Glanz.
Ungewöhnliche Zeiten. Trotz allem blickt Gerhard Glanz optimistisch in die Zukunft. Andere Branchen habe es noch viel schlimmer getroffen, sagt er und verweist auf einen aktuell guten Auftragsbestand. Ebenfalls positiv stimmt ihn die Erfahrung der vergangenen drei Jahre: „Röhm hat sich als krisenfest bewiesen“, mit flexiblen und engagierten Mitarbeitern, dank derer sich „ehrliche Metallerarbeit“ auch im Hochlohnland Baden-Württemberg lohne. Und genau aus diesem Grund ist der 2019 angekündigte Neubau auch nicht vom Tisch. „Wir wollen starten, sobald die Wirtschaft wieder in ruhiges Fahrwasser gekommen ist“, versichert Glanz. Sind die Krisen gemeistert, soll eine Baufirma gefunden werden. Schließlich hat man eine gültige Baugenehmigung und bereits einiges an Vorarbeit geleistet. So sind die Arbeiten an der Infrastruktur, etwa Kanäle und IT-Versorgung, bereits abgeschlossen. Insgesamt hat Röhm in den Neubau schon mehr als eine halbe Million Euro investiert.