Sontheims Bürgermeister Tobias Rief ist bei der Mitgliederversammlung des Vereins „Bündnis Atommüll-Lager in Nordschwaben - Nein Danke!“ Ende Juli zum ersten Vorsitzenden gewählt worden. Er tritt damit die Nachfolge von Nattheims Bürgermeister, Norbert Bereska, an. In diesem Verein sind die Landkreise Heidenheim, der Ostalbkreis und der Landkreis Dillingen mit etwa 60 Kommunen organisiert. Im Gespräch mit der Heidenheimer Zeitung äußert sich Rief zur Arbeit des Vereins, das Zwischenlager in Gundremmingen und die Suche nach einem Atommüllendlager, für das möglicherweise auch der Landkreis Heidenheim infrage kommt.
Wie sind Sie, Herr Rief, in das Amt des Vereinsvorsitzenden gekommen?
Als ich zum Sontheimer Bürgermeister gewählt wurde, habe ich mich mit Norbert Bereska über alle möglichen Themen, den Landkreis und die Region betreffend, unterhalten. Und da sagte er, dass es sich ja anbieten würde, dass ich mich - als Bürgermeister Sontheims und somit direkter Nachbar des AKW Gundremmingen - um dieses Thema kümmern könnte.
Was ist das Anliegen des Vereines „Bündnis Atommüll-Lager in Nordschwaben - Nein Danke!“?
Wir brauchen in Deutschland ein Endlager für die atomaren Abfälle, das ist klar. Der sich jetzt in Zwischenlagern wie in Gundremmingen befindliche Atommüll ist aus unserer Sicht alles andere als umwelteinfluss- und krisensicher gelagert. Das ist eine oberirdische Halle mit einer relativ dünnen Decke, das entspricht nicht im mindesten den Ansprüchen, die man für eine sichere Endlagerung heutzutage anlegt. Egal, wo wir bei einer Endlagersuche irgendwann einmal fündig werden: Es ist alles besser, als auf lange Sicht diese unsicheren Zwischenlager zu behalten. Deswegen machen wir uns für die Findung eines Endlagers stark. Und das nicht irgendwann, sondern so zeitnah, wie es geht.
Was können Sie selbst konkret diesbezüglich tun?
Ich werde beispielsweise bei der nächsten Konferenz zu diesem Thema, die im Spätherbst in Würzburg stattfindet, für unseren Verein teilnehmen und schauen, wie wir das befördern können. Tatsache ist ja: Unsere Region ist ja nach aktuellem Stand auch in diesem Suchraster mit drin, auch wir hätten passende Böden. Aber soweit sind wir natürlich noch lange nicht und die Chancen stehen auch nicht schlecht, dass sich andere Standorte dann doch als geeigneter erweisen. Unsere Haltung ist: Es muss ein Endlager her, auf keinen Fall kann es ewig mit Zwischenlagern weitergehen.
Sehen Sie weitere Möglichkeiten, wie ein Verein bei einem Thema von nationaler Tragweite wie der Endlagerung aktiv werden kann?
Ich sehe vor allem drei Ansatzpunkte: Wir können das Thema generell auf der Agenda halten, damit es angesichts der vielen anderen Konflikte und der Dauer der Suche nicht untergeht. Zweitens: Wir können den Dialog vor Ort suchen, uns regelmäßig austauschen und die Bevölkerung informieren. Und letztlich geht es auch darum, im Rahmen der Endlagersuche die Interessen der Bevölkerung zu thematisieren. Es gibt Sorgen und Ängste, die muss man auch benennen. Sonst wird so ein Endlager – wo immer es sich auch befinden wird – keine Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden und das wäre fatal. Es gibt ja Beispiele, dass so etwas funktionieren kann. In Schweden hat man ein Endlager gebaut. Und das hat in der Bevölkerung nicht nur Zuspruch gefunden, sondern regelrecht für Begeisterung gesorgt.
Wie haben die Schweden das angestellt?
Dort hat der staatliche Konzern, der das Thema betreut, ein sehr transparentes Kommunikationsverhalten, sehr proaktiv. Die Bevölkerung ist früh involviert, kennt die Rahmenbedingungen und deswegen gibt es dort bei weitem nicht so eine Gegnerschaft.
90 Prozent der Fläche des Landkreises Heidenheim liegt in Wasserschutzgebieten. Ist es eine begrüßenswerte und machbare Vorstellung, dass in einem solchen Areal für zehntausende von Jahren hoch radioaktiv strahlender Atommüll endgelagert wird?
Das ist genau die Frage, die sich stellt. Sie muss wissenschaftlich beantwortet werden. Da ich diesbezüglich keine fundierten geologischen Kenntnisse habe, möchte ich mir - bis jetzt zumindest - noch keine Meinung dazu erlauben. Dafür ist das Thema einfach zu komplex.
Beinahe gleichzeitig zu Ihrer Wahl zum Vereinsvorsitzenden machte die Meldung die Runde, dass sich die Festlegung auf ein Endlager von 2031 auf 2074 verzögert. Was haben Sie gedacht, als sie das gehört haben?
Nicht gut, verdammt. Weil genau das der Punkt ist, den es zu vermeiden gilt. Ich möchte da jetzt kein Schwarzmaler sein, aber es wäre nicht auszuschließen - wenn man diesen langen Zeitraum betrachtet und angesichts der krisenhaften Ereignisse in Europa und der Welt -, dass wir Gegner haben, die beabsichtigen könnten, uns mit militärischen Mitteln anzugreifen. Wenn es jemand wirklich ernst meint und uns maximalen Schaden zufügen möchte, dann könnte er natürlich Zwischenlager ins Visier nehmen. Und mit den jetzigen Schutzmaßnahmen sind diese gegen moderne Waffentechnik einfach nicht gerüstet. Wir wären möglicherweise über Jahrmillionen kontaminiert.
Es geht beim Thema Endlager also nicht nur um Ökologie?
Es ist auch eine Frage der nationalen Sicherheit, es geht nicht nur um den Umwelt- und Gewässerschutz. Das Zeug muss sicher und weit unter die Erde.
Was bedeutet diese Verzögerung für das Zwischenlager in Gundremmingen? Dessen Genehmigung dort läuft im Jahr 2046 aus.
Das wird spannend. Ein Castor ist zwar sicher und auf Jahrzehnte ausgelegt, aber er hat auch Grenzen. Ich meine, dass die bei einer Verlängerung der Laufzeit von Zwischenlagern an vielen Orten deutlich überschritten werden. Das heißt, dass es eventuell auch darum geht, dass die Behälter umgepackt werden müssen. Es gibt Aussagen - und nicht nur von Greenpeace - in denen festgestellt wurde, dass die bislang bekannten Untersuchungen zu den Effekten in Atommüllbehältern einfach unzureichend sind. Wir haben ein unkalkulierbares Risiko was Korrosion und Materialermüdung angeht.
Das Zwischenlager in Gundremmingen ist Luftlinie neun Kilometer von ihrem Arbeitsplatz im Sontheimer Rathaus entfernt. Wenn Sie daran denken, was löst diese Tatsache in Ihnen aus?
Also eine direkte Sorge habe ich jetzt nicht. Aber man muss um das Risiko wissen, dass es nicht so ruhig bleiben könnte, wie es gerade ist. Solange wir keinen Röntgenblick haben, um in die Castoren reinschauen und deren Zustand beurteilen zu können, bleibt, wenn man Richtung Osten schaut, zumindest ein mulmiges Gefühl.
Haben Sie in Ihrer bisherigen Zeit als Bürgermeister mal ein Feedback zu diesem Thema von den Einwohnerinnen und Einwohnern Sontheims bekommen?
Tatsächlich bisher eher weniger. Die Diskussion darüber ist seit vielen Jahren nahezu vollkommen aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es ist ein anderer Landkreis in einem anderen Bundesland, da ist das jetzt nicht täglich ein Thema. Glücklicherweise ja auch deshalb, weil nichts vorgefallen ist. Im Moment gibt es viele Themen, die diese Frage überdecken. Und gerade deshalb ist es wichtig, dieses Thema jetzt wieder anzusprechen.
Konnten Sie Eindrücke gewinnen, wie jenseits der Landesgrenze, im Landkreis Dillingen mit dem Thema umgegangen wird?
Dort sind sie ja räumlich noch näher dran und beschäftigen sich auch intensiver damit. Die haben oft auch schon eine Führung im AKW gemacht. Oder waren sogar dort beschäftigt. Mit denen Menschen dort möchte ich sehr gern in Kontakt kommen. Der Verein wäre dafür ein tolles Forum, weil man dann Veranstaltungen planen kann.
In der Mitgliederversammlung Ihres Vereins wurden die Zustände im Zwischenlager als „besorgniserregend“ beschrieben. Was war damit gemeint?
Damit war gemeint, dass es schon Zwischenfälle gegeben hat. Das Zwischenlager in Gundremmingen ist tatsächlich eigentlich nur auf einer Seite so wirklich gegen Eindringlinge geschützt durch entsprechende Wandstärken und Barrieren. Aber nicht von oben oder von hinten. Kurzum: Wenn jemand sich dieses Zwischenlager als Ziel aussucht, ist es noch nicht einmal besonders schwierig, Schaden anzurichten. Aus diesem Grund ist eine gewisse Sorge durchaus berechtigt. Sollte die Endlagersuche tatsächlich so viel länger dauern, dann müssen die Zwischenlager ertüchtigt werden.
Wäre das dann auch ein Schwerpunkt der Arbeit ihres Vereins?
Das kann ein Schwerpunkt werden. Wir müssen dann sicherstellen, dass es nicht bei den jetzigen Zuständen bleibt. Die Sicherung gegen Angriffe muss verbessert, die Störanfälligkeit muss bekämpft werden. Auch ein planmäßiger Wechsel der Behälter muss bedacht werden.
Im Zwischenlager Gundremmingen gibt es 192 Stellplätze für Castoren, 176 sollen maximal eingelagert werden. Wissen Sie, wie voll es dort jetzt ist?
Ich meine, dass man die genehmigte Menge mittlerweile ziemlich voll ausgenutzt hat. Ich glaube, es ist nicht mehr viel Luft. Was übrigens auch die Diskussion um die Wiedereinführung oder die längere Nutzung der Atomkraft etwas absurd wirken lässt.
Hatten Sie schon einmal Gelegenheit, sich das Zwischenlager Gundremmingen anschauen zu können?
Das Zwischenlager nicht, aber das Atomkraftwerk. Ich habe den Block B gesehen, der war abgeschaltet, Block C war noch in Betrieb. Ich konnte mir den Leitstand anschauen und ins Reaktorgebäude selbst hineingehen. Ins Zwischenlager selber konnte man aber nicht hineinschauen. Das steht aber noch auf meiner Wunschliste.
Hatten Sie als Bürgermeister Sontheims schon einmal direkten Kontakt mit der BGZ, der Gesellschaft für Zwischenlagerung?
Direkten Kontakt noch nicht, das steht aber auf meiner Agenda. Ich war bei der letzten Konferenz zur Endlagersuche nur online dabei. Die war in Magdeburg, also ziemlich weit weg von uns aus gesehen, deswegen war es terminlich nicht möglich vor Ort dabei sein zu können.