Während sich Hundebesitzer meist einig sind, ob ihre Tiere Auslauf brauchen, ist dies bei Katzenbesitzern oft umstritten. Als eine meiner engsten Freundinnen dann begann, mit ihren Katzen spazieren zu gehen, kam bei mir die Frage auf: Sollten reine Wohnungskatzen, die nie Freigang hatten, das Gehen an der Leine lernen, um ihnen in städtischen Gebieten einen sicheren Zugang zur Außenwelt zu ermöglichen?
Ich begann also mit meiner Recherche im Internet. Diese ergab, dass das Spazierengehen mit Katzen an der Leine einige Vor- und Nachteile birgt. Positiv ist, dass es Wohnungskatzen wertvolle mentale Stimulation und zusätzliche Bewegung bietet, was ihrem Wohlbefinden zugutekommt. Neue Umgebungen zu erkunden, kann Langeweile und damit verbundene Verhaltensprobleme wie Aggression oder übermäßiges Putzen verhindern. Zudem ermöglicht das Gassi-Gehen eine sichere Erkundung, bei der Gefahren wie Verkehr oder Giftköder vermieden werden – ein entscheidender Grund für mich, es mit meinen Katzen zu versuchen.
Andererseits kann das Gehen an der Leine für viele Katzen, besonders für solche, die nie draußen waren, stressig sein. Neue Geräusche, Gerüche und Reize können Ängste auslösen, und die Einschränkung durch die Leine kann Panik verursachen. Viele Experten sind der Meinung, dass Wohnungskatzen, die von Geburt an drinnen leben, keinen Auslauf benötigen, solange sie genügend mentale und physische Anreize zu Hause haben. Manche Katzen zeigen kein Interesse an Spaziergängen und sind drinnen vollkommen zufrieden.
Das Abenteuer beginnt
Als Katzenliebhaberin kenne ich mich gut mit den Tieren aus, da ich seit meiner Kindheit von ihnen umgeben war. Trotzdem musste ich mir Wissen über das Thema Leinenführung aneignen. Neben meiner Internet-Recherche wandte ich mich an den KI-gestützten Sprachassistenten ChatGPT. Zu meiner Überraschung lieferte er mir einen detaillierten und schlüssigen Plan, dem ich folgen wollte.
Meine Erwartungen für den gesamten Prozess waren niedrig. Ich vermutete, dass Yuki, das Weibchen des dreijährigen Geschwisterpaares, aufgrund ihrer scheuen und ängstlichen Art länger brauchen würde – wenn sie überhaupt zulassen würde, dass man ihr das Geschirr anlegt. Taro, der Kater, ist hingegen das genaue Gegenteil: neugierig, aufgeschlossen und vor allem frech. Er klettert regelmäßig am TV-Bildschirm hoch, knabbert an meinen Pflanzen und schmeißt Dinge herunter. Daher vermutete ich, dass ihm, trotz großem Balkon, viel Spiel- und Schmuseeinheiten und dem Toben mit seiner Schwester, der Auslauf und die mentale Stimulation guttun könnten.
Die ersten Versuche
Dank ChatGPT war ich gut vorbereitet, mit Leckerlis, passenden Geschirren und Leinen. Die KI empfahl, das Training in kleinen Schritten zu gestalten: Zuerst sollten die Katzen lernen, dass Leine und Geschirr in ihrer Nähe harmlos sind. Danach folgt die Gewöhnung an das Tragen – erst kurz, dann immer länger. Erst wenn sie sich beim jeweiligen Schritt wohlfühlen und keine Anzeichen von Angst oder Flucht zeigen, könne weitergemacht werden. Es sei wichtig, ihnen durch positive Bestärkung, Leckerlis und gutes Zusprechen dabei eine positive Assoziation mit der Leine zu geben. Der persönliche Druck, nicht zu schnell an die Sache ranzugehen, um sie nicht aus Versehen zu verschrecken, war für mich somit unterbewusst deutlich größer als erwartet.
Nachdem ich die Leinen und Geschirre einige Nächte an gewohnten Plätzen in der Wohnung liegen gelassen hatte, schenkten die Katzen ihnen nach ein paar Spielversuchen und dem Anknabbern der Packung keine Beachtung mehr. Der nächste Schritt war, das Geschirr an ihrem Körper entlangzuführen. Yuki schien perplex und wich ein paarmal zurück, wurde aber nicht panisch. Taro hingegen zeigte keine Angst; er schnappte eher angriffslustig nach dem Geschirr und wollte damit spielen. Beim ersten Versuch, ihm das Geschirr anzulegen, wehrte er sich und wollte es schnellstmöglich loswerden – genauso wie Yuki.
Danach bekam ich es ihnen zunächst nicht mehr angelegt. Also beschloss ich, es erst einmal gut sein zu lassen. Ich möchte es ihnen weiterhin beibringen, aber muss dabei wohl geduldig und konsequent in ihrem Tempo vorgehen. Es bringt nichts, den Tieren etwas aufzuzwingen, das sie nicht möchten. Der Prozess zeigte mir nur umso mehr: Selbst mit den besten Absichten braucht es vielleicht nicht jede Katze.
Die Realität: Geduld ist gefragt
Wie erwartet, war die Realität ernüchternd. Bei einem vollen Alltag ist es kaum möglich, Katzen in wenigen Tagen an die Leine zu gewöhnen. Es erfordert einfach Zeit, Geduld und nicht zuletzt ein gutes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse der eigenen Katzen. Vermutlich ist der Trainingsprozess doch individueller als gedacht und hängt, wie bei Menschen auch, stark vom Charakter ab. Yuki wird sich vielleicht nie damit anfreunden, während Taro möglicherweise irgendwann Gefallen daran findet.
Wenn das Leinentraining nicht klappt, gibt es glücklicherweise andere Möglichkeiten, Stubentiger zu beschäftigen. Ein Balkon lässt sich mit einem drahtverstärkten Netz sichern, sodass die Katzen die Natur gefahrlos beobachten können. Katzengras, -minze oder Laubblätter im Innenraum regen ihre Sinne an. Ein Spielbrett, auf dem sie Leckerlis herausfischen müssen, bietet mentale Auslastung. Auch Katzenmöbel wie Bretter und Leitern schaffen einen Kletterpark, der Bewegung und Spaß fördert.
Der letzte Beitrag der Sommerserie
Im nächsten Beitrag der HZ-Sommerserie wird Redakteur Marc Hosinner erzählen, wie sich das Image Giengens ganz nebenbei geändert hat – auch ohne eigene Kampagne.