Auftakt in Ellwangen

Prozess wegen Totschlags in Bergenweiler: Landgericht untersucht die Vorgeschichte

Weil er seine Lebensgefährtin erstochen hat, muss sich ein 42-Jähriger vor dem Ellwanger Landgericht verantworten. Um herauszufinden, wie es zu der Tat kommen konnte, wurde beim ersten Verhandlungstermin die Beziehung des Paares untersucht.

Über die Eckdaten dessen, was in der Nacht zum 21. Januar in einem Haus im Sontheimer Teilort Bergenweiler passiert sein soll, waren sich am Montag alle Parteien, die vor dem Ellwanger Landgericht erschienen waren, einig: Am 20. Januar kommt es zum Streit zwischen einem 42-Jährigen und seiner 40-jährigen Lebensgefährtin. Irgendwann zwischen 22.41 Uhr und Mitternacht eskaliert die Situation und der 40-Jährige sticht zweimal mit einem Küchenmesser auf die 42-Jährige ein, trifft dabei Herz und Lunge. Um Mitternacht ruft der Mann die Polizei, später wird ein Notarzt hinzugezogen. Um 0.30 stellt dieser die Wiederbelebungsmaßnahmen ein und den Tod der Frau fest.

Wie konnte es zu der Tat kommen?

Die Frage, wie es zu der Tat kommen konnte, wurde nun beim Prozessauftakt unterschiedlich beantwortet. In der Anklageschrift, vorgetragen durch Staatsanwältin Wahl, ist zu lesen, dass der Angeklagte seit 2022 eine Beziehung zu der 40-Jährigen geführt habe. 2023 brachte diese eine gemeinsame Tochter zur Welt. Die Beziehung sei stets von erheblichen Streitigkeiten belastet gewesen, die noch zunahmen, als die Frau herausfand, dass ihr Lebensgefährte während der Schwangerschaft eine Affäre gehabt haben soll. Auch habe sich der 42-Jährige nur wenig um den Haushalt und die anfallende Arbeit gekümmert.

Am 18. Januar brach ein Streit aus, bei dem der gelernte Industrieelektroniker seine Lebensgefährtin am Hals gepackt und gewürgt haben soll. In der Folge habe sie Schluckbeschwerden und Schmerzen gehabt. Bei einem weiteren Streit am 20. Januar habe die Frau ihrem Lebensgefährten an den Kopf geworfen, dass er nichts könne und zu nichts zu gebrauchen sei. Die tödlichen Messerstiche habe der Angeklagte gesetzt, weil er „das Zusammenleben nicht mehr aushielt“, so Wahl. Deshalb wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorsätzliche Körperverletzung und Totschlag vor.

Depressionen, Migräneanfälle, Amphetamine und Cannabis

Der 42-Jährige wird von Rechtsanwalt Alexander Schneider und Rechtsanwältin Elisabeth Hößler vertreten. In der Verteidigererklärung heißt es, dass die Lebensgefährtin unter Depressionen gelitten und außerdem immer wieder Drogen konsumiert haben soll, hauptsächlich Amphetamine und Cannabis. Während der Schwangerschaft habe sie keine oder nur geringe Mengen an Drogen konsumiert, danach sei der Konsum wieder angestiegen. Depressionen, Drogen und Migräneanfälle seien immer wieder Grund für Streitigkeiten gewesen. So auch am ersten Weihnachtsfeiertag 2023, als die Frau den Angeklagten mit einem Messer angriffen und an der Hand verletzt habe.

Bei der Auseinandersetzung am 18. Januar habe sie auf ihren Lebensgefährten eingeschlagen, obwohl dieser gerade die gemeinsame Tochter auf dem Arm trug. Um die Angriffe zu unterbinden, habe der Angeklagte sie schließlich am Hals gegriffen und gegen die Wand gedrückt. Am 18. Januar habe die Frau über den Tag verteilt Amphetamine konsumiert, zudem habe sie mit ihrer Schwester, die zu Besuch war, größere Mengen Alkohol konsumiert. Zwischen den Schwestern soll ein Streit entbrannt sein, mit dem Resultat, dass die Lebensgefährtin ihre Schwester am Kragen gepackt und später auf den Balkon gesperrt haben soll. Der Angeklagte habe die Schwester dann befreit und zur Straße begleitet, wo sie abgeholt wurde.

In der Küche stritt sich die 40-Jährige dann auch mit ihrem Lebensgefährten und warf wohl Einmachgläser nach ihm. Sie habe gesagt, dass die Beziehung nur wegen des gemeinsamen Kindes noch bestehe, sie sich aber nun darum kümmern würde. Darauf habe sie die Küche in Richtung Kinderzimmer verlassen. Der Angeklagte sie ihr aus Furcht um die Tochter gefolgt. In der Hand habe er noch ein Küchenmesser gehalten, dass er gerade abgetrocknet hatte. Dieses habe er dann im Wohnzimmer liegen lassen und seine Lebensgefährtin dorthin zurückgeholt.

12 Zeugen sagen aus im Totschlag-Prozess von Bergenweiler

„Du tust der Kleinen nichts“, soll der 42-Jährige gesagt haben. Als die Lebensgefährtin an ihm vorbei in Richtung Kinderzimmer gehen wollte, sei ein Gerangel entstanden. Der Angeklagte erinnere sich noch an einen schmerzhaften Tritt und dann an nichts mehr. Als er seine Lebensgefährtin auf dem Boden liegen sah, habe er sie auf das Sofa und ihre Beine hoch gelegt. Als er den Notruf rief, sei er davon ausgegangen, dass sie noch lebe. Laut Anklageschrift hatte der 42-Jährige „nie die Absicht, sie zu töten". Nun sei er zutiefst erschüttert und trostlos.

Um mehr Licht auf das Geschehen am 20. Januar und in den Monaten zuvor zu werfen, hörte das Gericht am Montag zwölf Zeugen an. Polizisten, die in der Nacht im Einsatz waren, berichteten, dass der Angeklagte an der Straße auf sie gewartet hätte, um sie schnell zur Wohnung zu bringen. Man habe normal mit ihm sprechen können, aber er habe den Eindruck gemacht, als hätte er noch nicht realisiert, was er getan hatte. Eine andere Beamtin beschrieb ihn als „teilnahmslos, wie in einer Trance“.

Auch die Schwester der getöteten Frau sagte aus

Auch die Schwester der getöteten Frau, die am Tag der Tat noch zu Besuch war, sagte aus. Die Beziehung zwischen ihrer Schwester und dem Angeklagten habe sich zum Schlechten gewendet, als die 40-Jährige herausfand, dass er sie mit einer anderen betrogen hatte. Verbale Auseinandersetzungen habe es danach häufig gegeben. „Meine Schwester konnte mit Worten verletzen“, so die Zeugin. Der Angeklagte habe zwar manchmal verbal gekontert, sei aber immer ruhig geblieben, wenn er angegangen wurde.

Meine Schwester konnte mit Worten verletzen

Schwester der Getöteten

Bei beiden sei auch in der schwierigen Zeit klar gewesen, dass sie ihre Tochter liebten. Das bestätigte auch die Nichte der Getöteten, die ebenfalls am 20. Januar einen Besuch in Bergenweiler gemacht hatte. Ihre Tante habe stets offen mit ihr gesprochen, weshalb sie auch über deren Depressionen und Drogenkonsum Bescheid wusste. Manchmal habe die 40-Jährige ihrem Lebensgefährten Gewalt angedroht, aber gehandelt hätte sie darauf nie. So sei es auch mit der unbestätigten Drohung gegen die Tochter: „Sie würde vielleicht so etwas über das Kind sagen, aber sie hätte es nie gemacht.“

Als Zeuge war auch der Ex-Mann der 40-Jährigen anwesend, der nach der Trennung weiterhin ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner Ex-Frau führte. Auch mit dem Angeklagten war er schon seit längerer Zeit befreundet. Wenige Tage vor der Tat habe der 42-Jährige zu ihm gesagt, dass ihm alles zu viele werde und er nicht mehr könne. Seine Ex-Frau hatte er nie als glücklich wahrgenommen, stattdessen sei sie immer auf der Suche nach einem besseren Leben gewesen. Auseinandersetzungen habe es bei dem Paar schon lange vor der Tat gegeben, mal habe die 40-Jährige den Angeklagten geschlagen, mal habe dieser sie geschlagen und gewürgt.

Drei weitere Termine

Die Verhandlung vor dem Schwurgericht wird am Mittwoch, 10. Juli, fortgesetzt. Weitere Verhandlungstage sind dann der 15. und der 16. Juli. Die Tochter des Opfers hat sich dem Prozess als Nebenklägerin angeschlossen, sie wird vertreten von Rechtsanwalt Dr. Eder.

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