Hitlergruß gezeigt?

Sontheimer Rathaus-Mitarbeiter: Verfahren gegen Geldauflage eingestellt

Er soll einer Kollegin gegenüber den Hitlergruß gezeigt haben: Das Verfahren gegen einen ehemaligen Sontheimer Rathaus-Mitarbeiter wurde kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen Geldauflage eingestellt. Staatsanwaltschaft und Richter nennen mehrere Gründe dafür:

Vor dem Heidenheimer Amtsgericht hätte kürzlich der Prozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Sontheimer Gemeindeverwaltung beginnen sollen. Der Tatvorwurf: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organe. Er soll einer Kollegin gegenüber den Hitlergruß gezeigt haben, woraufhin sie ihn im Frühjahr 2024 angezeigt hatte. Geladen waren sechs Zeugen.

Die wurden einige Tage zuvor wieder ausgeladen. Das Gericht hatte sich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft entschlossen, das Verfahren gegen den Mann gegen eine Geldauflage einzustellen: 3000 Euro muss er an eine gemeinnützige Organisation bezahlen. Es ist der Betrag, der auch im Strafantrag genannt worden sei, so die Staatsanwaltschaft. Der Unterschied zu einer Verurteilung vor Gericht: Das Strafregister des Mannes bleibt unberührt.

Auf die Frage nach den Gründen für die Einstellung des Verfahrens nennt der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft Ellwangen mehrere: Nachdem Einspruch gegen den Strafantrag eingelegt worden sei, habe man auf Antrag der Verteidigung weitere Zeugen gehört. Die Vorfälle seien daraufhin in einem anderen Licht erschienen, heißt es: „Man hat nicht mehr den Neonazi gesehen, der eine Kollegin schikaniert hat, sondern einen Mann, der eine Kollegin gemobbt und beleidigt hat.“ Die vorgeworfene Tat, das Zeigen des Hitlergrußes und damit das Verwenden eines Kennzeichens verfassungswidriger Organe, sei nicht mehr so einfach nachzuweisen gewesen – zumal er selbst es stets bestritten habe. Auch der HZ gegenüber hatte der Mann im April vergangenen Jahres versichert, dass es sich um „unrichtige Behauptungen“ handelte. Das war einige Wochen, nachdem Anzeige gegen ihn erstattet worden war.

Zeugen für gleich mehrere Vorfälle

Die Begründungen der Staatsanwaltschaft wollen nicht so recht zu Aussagen von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des Sontheimer Rathauses passen, die gegenüber der Heidenheimer Zeitung mehrere solcher Vorwürfe bestätigt hatten. Sie hatten sogar weitere Vorkommnisse beschrieben, bei denen der Mann auch gegenüber Flüchtlingen beleidigend geworden sein soll.

Ich bin der Überzeugung, dass der Hitlergruß gezeigt worden ist, nicht aber in einem politischen Kontext.

Dr. Christoph Edler, Richter

Solche Zeugen wiederum hätten auch vor Gericht aussagen können. Der Dezernent bei der Ellwanger Staatsanwaltschaft sagt auf HZ-Nachfrage, man habe aber „der halben Sontheimer Rathaus-Belegschaft“ Aussagen vor Gericht ersparen wollen. Auch der Mann sei „gestraft genug“. Er habe seinen Job verloren und könne sich „in Sontheim nicht mehr blicken lassen“. Am Ende betont die Staatsanwaltschaft doch noch, dass es sich bei der vorgeworfenen Tat „selbstverständlich nicht um ein Bagatelldelikt“ handele. Aus „prozessökonomischen Gründen“ habe man sich entschieden, der Einstellung des Verfahrens zuzustimmen, sagt der leitende Oberstaatsanwalt Andreas Freyberger.

Die Entscheidung, das Verfahren einzustellen, lag in diesem Fall beim Amtsgericht Heidenheim. Der zuständige Richter Dr. Christoph Edler erklärt auf Nachfrage, dass Nachermittlungen ergeben hätten, dass es bereits im Vorfeld des angeklagten Vorfalls Streitigkeiten zwischen dem Beschuldigten und der Geschädigten gegeben habe. „Ich bin der Überzeugung, dass der Hitlergruß gezeigt worden ist, nicht aber in einem politischen Kontext, sondern als eine Art Provokation im Zusammenhang mit diesen Streitigkeiten“, so Edler.

Dass es das in irgendeiner Art besser machen soll, ist Außenstehenden wohl schwer zu vermitteln. Der Richter weist aber darauf hin, dass es in der juristischen Abwägung auch eine Rolle spiele, dass der Vorfall nicht in der Öffentlichkeit, sondern im Büro stattgefunden habe. Zudem vertritt auch er die Ansicht, dass der Beschuldigte durch das „Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis“ bereits gestraft sei.

Anwalt Simon Bürgler: Kurzfristigkeit sehr ungewöhnlich

Simon Bürgler vertritt als Rechtsanwalt die Geschädigte in diesem Verfahren, die selbst vor Gericht ausgesagt hätte. „Wir haben selbst erst kurz vor der Verhandlung von der Einstellung des Verfahrens erfahren“, erklärt er auf Nachfrage. Für seine Mandantin sei dies „eine kleine Katastrophe“. Sie verstehe nicht, warum das Verfahren eingestellt worden sei, noch dazu so kurz vor der Verhandlung. „Die Kurzfristigkeit ist in der Tat eher ungewöhnlich.“ Für seine Mandantin fühle es sich wie ein Freispruch für den Beschuldigten an.

Für meine Mandantin ist die Einstellung des Verfahrens eine kleine Katastrophe.

Simon Bürgler, Rechtsanwalt

Dass ein Tatnachweis nur schwer zu führen gewesen sei, will der Anwalt als eine Begründung für die Einstellung des Verfahrens nicht gelten lassen, zumal es Zeugen für die Vorfälle gegeben habe. „Mir ist klar, dass der Beschuldigte die Taten immer bestritten und zuletzt Leumundszeugen aufgerufen hat.“ Den Vorwürfen an sich habe er aber aus seiner Sicht nichts entgegenzusetzen gehabt.

Frau ist nach wie vor krankgeschrieben

Für Bürgler und seine Mandantin ist das strafrechtliche Verfahren damit wohl beendet. „Wir werden noch Akteneinsicht beantragen, aber gegen die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage haben wir keine Handhabe“, sagt der Rechtsanwalt. Seine Mandantin sei nach wie vor krankgeschrieben.

Sontheims Bürgermeister Tobias Rief betonte bislang stets seine Fürsorgepflicht allen Mitarbeitern der Verwaltung gegenüber. Die Vorwürfe habe er ernst genommen, die Klärung aber abwarten wollen. Eine solche Klärung wird es zumindest vor Gericht wohl nicht mehr geben. Auf Nachfrage bestätigt Rief, dass der betreffende Mitarbeiter nicht mehr länger im Rathaus arbeitet. Aus Gründen des Datenschutzes möchte er keine weitergehenden Auskünfte dazu geben.

Es ging nur um einen Vorfall

Aktuelle und ehemalige Sontheimer Rathaus-Mitarbeiter hatten der HZ gegenüber im Frühjahr 2024 von mehreren Vorfällen berichtet, in dem sich der Mann Fehlverhalten habe zuschulden kommen lassen. In dem Verfahren, das nun eingestellt worden ist, ging es laut Richter Dr. Christioph Edler lediglich um einen speziellen Vorfall, bei dem der Beschuldigte der Kollegin gegenüber in einem Büro im Sontheimer Rathaus den Hitlergruß gezeigt haben soll.

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