Brücken in alle Welt

Von der Brenz an die Tura: Rolf Bareis aus Brenz wirkt als Bischof in Tiflis in Georgien

Seit Mai 2023 ist Rolf Bareis als evangelisch-lutherischer Bischof in Tiflis. Von seinem Alltag und der Geschichte des Landes berichtet er in den Brücken in alle Welt:

Sozusagen in der „Nachfolge“ der Donauschwaben, die sich vor etwa 200 Jahren auf den Weg in den Kaukasus gemacht haben, ist Rolf Bareis seit Mai dieses Jahres – allerdings auf dem Luftweg – nach Georgien aufgebrochen und lebt und wirkt nun in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Als Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Georgiens und des Südkaukasus, bin ich für die Lutheraner im ganzen Südkaukasus, vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer, zuständig. Sozusagen von der Brenz an die Kura, so nannten die Russen den Fluss, der mitten durch die Millionenstadt Tiflis fließt. "Mtkvari", wie er auf Georgisch heißt, war und ist für die meisten Ausländer eher schwer auszusprechen.

Fest des Friedens in einem von Kriegsnationen umgebenen Land

Und so schicke ich herzliche Weihnachtsgrüße aus dem Kaukasus. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, das Fest des Friedens in einer Region zu feiern, die von Krieg führenden Nationen umgeben ist. Oder zumindest keinen Friedensvertrag hat: Russland im Norden, Aserbaidschan und Armenien im Osten und Süden, Armenien und Türkei im Westen. Seit dem Ukrainekrieg befinden sich fast 300.000 russische Flüchtlinge in Georgien. Das seien fast zehn Prozent der Bevölkerung. „Flüchtlinge“ in Anführungszeichen, weil ein hoher Prozentsatz von ihnen eher aus wirtschaftlichen Gründen nach Georgien gekommen ist. Das liegt daran, dass sie hier am internationalen Währungsmarkt teilhaben können.

Besonders angespannt ist die Lage auch in Armenien. Dass die Infrastruktur Armeniens nach der Flucht von über 100.000 armenisch stämmigen Menschen aus Bergkarabach nicht zusammengebrochen ist und alle irgendwo unterkommen konnten, ist sehr beachtlich. Mit ihrem Exodus aus Bergkarabach endete dort eine über 1.000-jährige christliche Tradition.

Lichterketten und EU-Flaggen

Im Moment ist die Advents- und Weihnachtsstimmung in Georgien auch von der freudigen Erwartung überlagert, den EU-Kandidatenstatus zu bekommen. Überall sieht man EU-Flaggen. Wobei es eine ganz andere Art Weihnachtsstimmung ist, die hier herrscht. In Georgien feiert man Weihnachten nämlich nach dem alten julianischen Kalender erst am 7. Januar. Sicher ist alles mit leuchtend blinkenden Lichterketten geschmückt, überall stehen grellbunte Plastiktannenbäume und aus den Kaufhäusern erklingt Weihnachtsmusik.

In der Sowjetzeit wurde dann zusätzlich das Schenken von Weihnachten auf Neujahr verlegt und auch der Weihnachtsbaum wird eher als Neujahrsbaum verstanden. Unsere Kirche feiert, wie die restliche westlich-christlich geprägte Welt, am 25. Dezember Weihnachten. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man Weihnachten feiert und die Welt um einen herum das nur am Rande wahrnimmt, geschweige denn mitfeiert.

Eine Partnerschaft verbindet Württemberg und den Kaukasus

Wie ein württembergischer Pfarrer dazu kommt, in Georgien Dienst zu tun, werden Sie sich jetzt fragen. Nun, auf die historische Verbindung zwischen Württemberg und dem Kaukasus habe ich ja schon hingewiesen. Vor 200 Jahren brachten die Donauschwaben auch den lutherischen Weg des Glaubens dorthin. Es besteht inzwischen eine Kirchenpartnerschaft zwischen der Evangelischen Kirche im Kaukasus und der Evangelischen Kirche in Württemberg. Als mein Vorgänger im Amt wieder nach Deutschland zurückkehren musste, hatte er mich gefragt, ob das nichts für mich wäre.

Als Bischof ist er für die Lutheraner im ganzen Südkaukasus, vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer, zuständig. privat

Nach meinen Erfahrungen als Pfarrer an der Wolga (1997-2001) bin ich mit der Lebensart im Osten etwas vertraut und spreche Russisch. Im Sommer letzten Jahres bin ich einmal nach Tiflis geflogen und habe mir das alles angeschaut und konnte es mir vorstellen. Und so wurde ich von meiner Landeskirche mit dem Dienst in Tiflis beauftragt und von der Synode dort inzwischen zum Bischof gewählt.

Darin unterscheiden sich deutscher und georgischer Alltag

Der Alltag unterscheidet sich schon erheblich von unserem Alltag in Deutschland. So beginnt das öffentliche Leben in Georgien nicht vor 10 Uhr und auch sonst nimmt man das Leben viel leichter und ist nicht so verplant.  Selbst Einladungen zu offiziellen Empfängen der Botschaften oder Regierung kommen in der Regel frühestens vier bis fünf Tage vorher. Beeindruckend ist nach wie vor die Gastfreundschaft und (zumindest früher) Toleranz in Georgien, die eine Jahrhunderte alte Tradition hat. Belege dafür sind zum Beispiel, dass im alten Stadtzentrum von Tiflis Kirchen verschiedener Konfessionen, die Synagoge und die Moschee in trauter und friedlicher Nachbarschaft beieinanderstehen. Gerne sitzen die Georgier zusammen und feiern und trinken dazu selbst gemachten Wein. Beim Zuprosten ist es dabei nie mit einem einfachen „Zum Wohl“ oder „Prost“ getan. Das Ausbringen der Trinksprüche ist eine eigene Kunstgattung. Dafür gibt es extra ein Amt: den sogenannten "Tamadar".

Vom Sandstrand am Meer bis zu 5.000 Meter hohen Bergen gibt es im Kaukasus abwechslungsreichste und ganz viel unberührte Natur. Und auch geschichtlich ist es hochinteressant – war der „Transkaukasus“ doch das Transitland der Völker Asiens nach Europa, wodurch die Seidenstraße verlief. Auch der „missing link“ zwischen dem Urmenschen in Afrika und dem Neandertaler wurden in Georgien entdeckt – übrigens im ehemaligen Katharinenfeld, der damaligen „Hauptstadt“ der deutschen Siedler. Heute heißt der Ort Bolnisi.

Fast 30 deutsche Siedlungen gab es bis 1940 in Georgien. Im 2. Weltkrieg, 1940, wurden dann die fast 60.000 Deutschstämmigen nach Kasachstan und Sibirien deportiert. Damit endete das deutsche Leben im Kaukasus. Zurück blieben nur wenige, vor allem Frauen, die mit Georgiern verheiratet waren.

Erst in den 1950ern, als die Verschleppten eine Phase der Freizügigkeit hatten, wurden wieder Deutschstämmige in Georgien angesiedelt – allerdings aus dem gesamten Bereich der ehemaligen Sowjetunion, und ohne kaukasische Wurzeln. Deshalb ist Russisch in unseren Gemeinden immer noch eine wichtige Sprache und deshalb haben wir momentan einigen Zulauf von Geflüchteten aus Russland und der Ukraine. Und erst ab der "Perestroika" in den 1990er war es den verschiedenen ethnischen Gruppen wieder erlaubt, auch ihre Traditionen zu pflegen und sich zum Beispiel als Deutschstämmige zu versammeln und deutsche Traditionen zu pflegen.

Wenn Sie Lust bekommen haben, Georgien zu besuchen, sind Sie immer herzlich willkommen und es wartet immer ein Viertele auf Sie.

PS: Heiraten ist in Georgien auch viel „einfacher“ als in Deutschland. Man benötigt nur einen gültigen Reisepass, der notariell beglaubigt und übersetzt werden muss. Die standesamtliche Trauung ist in Schengen anerkannt. So haben wir auch – vor allem im Sommer – einen großen „Hochzeitstourismus“.