Wie Loni Färber als ehrenamtliche Fahrerin in Sontheim Gutes tut
Klara Sauerbeck wohnt seit 2017 in den Hausgemeinschaften des Arbeitersamariterbundes in Sontheim/Brenz, sie fühlt sich wohl dort. „Hausgemeinschaften, nicht Pflegeheim“, betont die gebürtige Brenzerin extra noch einmal. Ihr ist diese Genauigkeit in der Benennung wichtig, unterstreicht sie doch den Unterschied die Selbstständigkeit der eigenen Lebensführung betreffend. Und wer sich mit der älteren Dame unterhält, wird schnell feststellen, dass die mittlerweile fast 87-Jährige die Rundumversorgung eines Pflegeheims auch gar nicht nötig hat.
Eigentlich ist Klara Sauerbeck auch noch fahrtüchtig. Geht es um Touren innerhalb Sontheims, kann man die rüstige Rentnerin hin und wieder hinter dem Lenkrad eines Autos sitzen sehen. Wenn sie allerdings einen Facharzttermin beispielsweise in Heidenheim hat, ist ihr diese Strecke zu lang, um sie noch selber fahren zu wollen. Und das Taxi ist zu teuer, sie würde die Kosten dafür aufgrund des fehlenden Pflegegrades auch nicht erstattet bekommen. Zum Facharzt muss sie natürlich trotzdem.
Gefahren wird sie deshalb an diesem trüben Donnerstag im November von Loni Färber. „Ich heiße eigentlich Leonharda, aber jeder kennt mich als Loni“, sagt die 65-Jährige. Wenn es eines Beweises bedarf, dass die alte lateinische Redensart „nomen est omen“ vielleicht doch einen wahren Kern haben könnte: Loni Färber wäre ein idealer Beleg dafür. Denn bei der Sontheimerin ist die Bedeutung des althochdeutschen Vornamens Leonharda – synonym für Stärke und Entschlossenheit – gleichzeitig auch Ausdruck für die Art und Weise, in der sie sich für ihre Mitmenschen engagiert.
"Besuchen halt und schwätzen“
Loni Färber über ihre Besuchsdienste im Klinikum Heidenheim
Auch Sontheimerinnen und Sontheimer, die sich in den vergangenen Jahren für einen stationären Aufenthalt ins Klinikum nach Heidenheim begeben haben, werden Loni Färber dort eventuell begegnet sein. „Ich habe 13 Jahre lang den Besuchsdienst gemacht, bis Corona kam“, sagt sie. Immer dienstags habe sie eine Liste bekommen „und dann bin ich da hinauf gefahren“, erläutert sie. An manchen Tagen standen zwei Patienten auf ihrer Liste, an anderen sogar vier. Organisiert wurde dieser Besuchsdienst von der katholischen Kirche, ehrenamtlich hat sie die Patientinnen und Patienten aufgesucht, die sich diesen Service gewünscht haben. „Besuchen halt und schwätzen“, erklärt sie lapidar den Tätigkeitsumfang.
Gesprochen wurde, worüber Menschen in solchen Lebenslagen halt so reden möchten, über Krankheit, welche Versorgungs- und Betreuungsmöglichkeiten bestehen oder ob es noch Angehörige gibt. „Man merkt, ob jemand ein Gespräch haben möchte. Bei manchen hockt man eine Stunde, da kommt man gar nicht mehr los.“ Das seien die, die sonst vielleicht keinen Besuch bekämen, ergänzt sie. Und ganz nebenbei half sie so auch dabei, die Bindung der Patientinnen und Patienten zu ihrem Heimatort zu halten, „aber ich bin nicht das Nachrichtenblatt“, erläutert sie lachend. Auf Wunsch hat sie mit den Menschen auch zusammen gebetet.
Seit zehn Jahren fährt Loni Färber aber auch Menschen wie Klara Sauerbier. Denn der bedauerliche Umstand, dass die Dichte an Fachärzten im ländlichen Raum mit dem Takt des dortigen öffentlichen Nahverkehrs zu korrelieren scheint, macht einen solchen Fahrservice für Ältere und Pflegebedürftige leider notwendig. Eine Taxifahrt von Sontheim nach Heidenheim – und auch wieder zurück – muss man sich auch erst einmal leisten können. „Und heutzutage ist es ja so: Du musst einen Arzttermin nehmen, wenn du ihn bekommst“, sagt Klara Sauerbier. Familie oder Angehörige hat sie nicht mehr, ihr erscheint der „Alltagsengel Leonharda“ also wie gerufen. Und wenn Loni Färber doch einmal nicht kann: Es gibt noch weitere Mitglieder des Ortsseniorenrates, die als Chauffeur zur Verfügung stehen, sagt Färber. Eine App hilft mittlerweile bei der Tourenplanung.
Wenn sie keine Fahrten anböte, würde sie etwas anderes machen, unter Langeweile würde sie garantiert nicht leiden, so Loni Färber. „Ehrenamtlich oder in einem Verein, es gibt es immer was zu tun.“ Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern des Sontheimer Ortsseniorenrates. Als der vor zehn Jahren ins Leben gerufen wurde, war sie mit ihren 55 Jahren die jüngste. Dass sie selbst damals noch gar keine Seniorin war, spielte für sie keine Rolle. „Ich hab halt gedacht, da gehe ich hin. Und dort hieß es, dass man dieses machen und jenes anbieten wolle.“ Und so fährt sie nun mal nach Heidenheim, mal nach Langenau oder nach Günzburg. Auch nach Ulm hat ihre ehrenamtliche Fahrerei sie schon gebracht.
Alltagsengel werden immer gebraucht
Färber ist beruflich selbstständig, sie betreibt einen Gemüsestand auf dem Sontheimer Markt, freitags hilft sie ihrem Sohn in dessen Getränkemarkt. Fragt man Loni Färber nach ihrem inneren Antrieb, nach dem, was sie dazu motiviert, jahrelang diese Besuchsdienste am Heidenheimer Klinikum zu übernehmen oder Menschen wie Klara Sauerbeck zu ihren Arztterminen zu fahren, schweigt sie erst für einen Moment und antwortet dann mit brüchiger Stimme: „Weil ich den Menschen etwas Gutes tun möchte. Das liegt mir halt am Herzen.“ Für sie ist der Aphorismus der deutschen Schriftstellerin und Lehrerin Marie Calm „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück“ zu einem Lebensmotto geworden.
Loni Färber empfindet es als Privileg, nicht in Vollzeit arbeiten zu müssen, „dass ich auch mal Tage daheim bin“, sagt sie. Zeit, die sie auch dafür nutzen kann, anderen zu helfen. Ihre Familie ist diese ehrenamtliche Umtriebigkeit mittlerweile gewohnt. „Mein Mann sagt immer: Und wenn du dann einmal alt bist, fahren dann hoffentlich auch noch Ehrenamtliche die Menschen herum“, Alltagsengel werden immer gebraucht. Auch beim Sontheimer Ortsseniorenrat. „Wenn die ältere Generation irgendwann einmal wegfällt, wäre es gut, wenn wir auf die jüngere zurückgreifen könnten“, so Loni Färber.
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