64. Brenzer Serenade

Mit Vivaldi und Don Quijote: wie die Musikschule Giengen Barockflair in der Sontheimer Gemeindehalle verbreitete

Erhabenheit, Vergnügen und Abenteuer: Barock in seiner schönsten Vielfalt präsentierte die Musikschule Giengen am Samstag bei ihrer 64. Brenzer Serenade. Was es für die Besucherinnen und Besucher zu hören gab:

Eine „Notturno barocco“ hatte die Musikschule Giengen für ihre 64. Brenzer Serenade vorbereitet – und diese Barocknacht hätte ganz wunderbar in den Innenhof von Schloss Brenz gepasst, wie es ja auch geplant war. Ja, hätte, hätte, Barockstätte – die mussten sich die Besucher am Samstagabend nun einfach dazu vorstellen, weil ja auch die laue Sommernacht nur im Reich der Fantasie existierte.

Glücklicherweise gab es die zwar nicht barocke, aber überdachte Gemeindehalle in Sontheim, in der das Konzert trotz der Witterung stattfinden konnte. Und die war auch mit Publikum rasch gefüllt, denn den Ausflug in den Barock wollten sich doch zahlreiche Besucher nicht entgehen lassen. Und das haben sie ganz sicher nicht bereut, denn sie bekamen diesen Barock in einer Vielfalt, die zum Augenschließen und Genießen einlud.

Händels „Hornpipe“: Bekannt und so noch nie gehört

Darunter sei zunächst das Überraschendste erwähnt: das Ensemble „Q+5“ nämlich. Das bedeutet Quintet und weitere fünf, und das wiederum bedeutet zehn Cellisten und ein Kontrabassist, und die wiederum gaben eine ganz aparte Besetzung für Barockmusik. So hörte man beispielsweise die bekannte „Hornpipe“ aus Händels Wassermusik völlig neu und das war ein ganz besonderes Erlebnis. Das Ensemble überzeugte auch mit einer Bearbeitung von Händels Passacaglia „Per Crucem“ und dem Allegro aus „Le Phénix“ von Michel Corette. Nicht überzeugt ist das Ensemble selbst von seinem – vorläufigen – Namen und Roman Guggenberger rief das Publikum auf, hier Vorschläge zu unterbreiten. „Cellissimo“ sei an dieser Stelle hereingerufen, denn das besagt in jedem Fall, was man zu hören bekommt.

Dass es auch im Barock ganz abenteuerlich und vergnüglich zugehen kann, das zeigte das Kammerorchester der Musikschule Giengen, das auf den Spuren von Don Quijote wandelte. Telemann, der selbst genügend Humor mitbrachte, um diesen Klassiker der Weltliteratur gebührend umzusetzen, wie Christian Zenker in seiner Moderation wissen ließ, hat mit seiner „Don Quijote Suite“ ein Stück geschaffen, das beinahe schon Filmmusik genannt werden könnte, wenn es denn den Film seinerzeit bereits gegeben hätte. Die rasanten Windmühlenflügel, der Galopp der Rosinante und des Esels von Sancho Panza, die Liebesseufzer der Prinzessin Dulcinea, Don Quichottes Ruhe, die so gar nichts von Ruhe hat. Das alles hat Telemann in Musik verwandelt, eine mitreißende und ins Land der Träume entführende obendrein, und das Kammerorchester setzte das hervorragend um.

Die dunklen Gefilde der Nacht

Vivaldi darf in einem Barockprogamm nicht fehlen: Mit seinem Konzert für vier Violinen in h-Moll und Orchester entführten die Solisten Filip Marius, Cosima Marius, Christina Gebhardt und Ramona Laber in die dunklen Gefilde der Nacht, in der, dem beschwingten Werk ist das anzuhören, so allerlei passieren kann. Die Violinisten Johannes Köpf, Lea Degtjarik, Lucia Schmidt und Johanna Hopfenziz unterstrichen diesen Eindruck noch mit Telemanns köstlichem Konzert für vier Violinen in D-Dur. Mit Giovanni Pierluigi da Palestrinas „Ahi che quest‘ occhi miei“ – auf Deutsch etwa „Autsch, dass diese meine Augen“ – hatte der Frauenchor „The Velvets“ seinen ersten Auftritt, den er zusammen mit dem Jugendchor „Velvet voices“ bestritt. Dass sie die zweite und dritte Strophe dieses Madrigals auf Deutsch sangen, erhöhte das Vergnügen daran noch.

„Ave Maria“: Wie ein 1970 geschriebenes Stück zu Weltruhm kam

Und schließlich das furiose Finale: Antonio Vivaldis Gloria in D-Dur ließ in purer Schönheit und Erhabenheit schwelgen. „The Velvets“, das Kammerorchester, Oliver Rupp an der Orgel – E-Piano, versteht sich – und die Solistinnen Kiana Richter und Leonie Mohl, Sopran, sowie Altistin Iris Lutz setzten damit einen Höhe- und Schlusspunkt, der berührender und bewegender nicht hätte sein können. Und das sah ganz offensichtlich auch das Publikum so, denn es gab großen und begeisterten Applaus, der sicher dem ganzen Konzertabend unter der Gesamtleitung von Christian Zenker gegolten hat.

Und so ließ denn die Zugabe nicht auf sich warten: Mit einem „Ave Maria“ verabschiedete sich die Musikschule Giengen aus diesem Barockabend, dem „drittbekanntesten Ave Maria“, wie Christian Zenker ausführte, und das eine kleine Schummelei beinhaltet. Der russische Komponist Vavilov hatte es um 1970 geschrieben und selbst angegeben, es stamme von Caccini und damit aus dem Frühbarock – um seinem Stück, das sonst keiner hören wollte, zum Erfolg zu verhelfen. Gut so, sonst hätte die Welt und das Publikum in Sontheim darauf verzichten müssen. Der Trick hat also bestens funktioniert – genauso wie Barock in der Gemeindehalle auch funktioniert hat.

Die Mitwirkenden:

Kammerorchester: Filip Marius, Cosima Marius, Christina Gebhardt, Ramona Laber, Karlheinz Rößler, Mareike Weißenstein, Katrin Straub, Anne Kempter, Jutta Rembold, Elke Baumgärtner, Annette Bruchmüller (Violinen). Klaus Brannath, Ulrike Bitzer, Hildegard Schweighardt, Sibylle Beyer, Renate Pradel (Viola). Roman Guggenberger, Lisa Bendele, Judith Dinkelmaier, Emily Saur (Violoncello). Hans-Peter Reich, Dr. Ulrich Moeferdt (Kontrabass). Tommy Zink (Oboe). Stephan Kröger (Trompete), Christian Zenker (Cembalo).

Frauenchor „The Velvets“: Laura Carle, Felizitas Carle-Rupp, Denise Erhardt, Renate Hermann, Katja Pfeifer, Stefanie Porath, Vivienne Schuck, Sabine Stegmaier, Franziska Weiss, Grit Zierold, Tamara Zivkovic (Sopran). Ronja Balaton, Silke Bollens-Nock, Yvonne Kaprol, Sabrina Kling, Cosima Marius, Conny Reuter, Ida Reuter, Anita Rockstroh, Gaby Streicher (Alt).

Jugendchor „Velvet voices“: Ronja Balaton, Katharina Brandner, Laura Carle, Stella Demirci, Despoina Kotsamani, Eleni Longuntjis, Ida Reuter, Jakob Zenker.

Ensemble „Q+5“: Niklas Daumüller, Magnus Frye, Roman Guggenberger, Julian Hepp, Felix Poidinger, Emily Saur, Julius Teuscher, Emil Walther, Johanna Wittich, Felix Wollenhaupt (Violoncello) und Hannes Zeuner (Kontrabass).

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