Auto vs. Fahrrad

Besseres Radnetz: Warum sich Steinheimer Fahrradfahrer noch weiter gedulden müssen

Das Radverkehrskonzept für Steinheim steht und nun sollte es an die Detailplanung für die Albuch-, Hirsch- und Hegelstraße gehen. Im Gemeinderat wurde daraus aber erneut ein hitziges Wortgefecht.

Viel Verkehr, unübersichtliche Einmündungen und Querungen direkt hinter dem Kreisverkehr am Ortseingang. Die Kritik an der Steinheimer Hauptstraße ist nicht neu. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Radfahrer aus eben diesen Gründen lieber ruhigere Straßen nutzen – namentlich die Albuchstraße sowie die Hirsch- und Hegelstraße.

Beschilderung und Markierungen auf der Fahrbahn

Mit dem Radverkehrskonzept beschäftigt man sich in Steinheim schon ein Weilchen. 2022 wurde es bereits erstellt und die Bürger online dazu befragt. 120 Kilometer Wegstrecke wurden ermittelt, die sich auf dem Gemeindegebiet für den Radverkehr anbieten und auch entsprechend ausgebaut oder angepasst werden könnten. Jetzt sollte es langsam konkret werden: Die Albuchstraße sowie Teile der Hirsch- und Hegelstraße sollten zu Fahrradstraßen werden. Auf diesen hätten Radfahrer Vorrang vor den Autofahrern. Dafür notwendig wäre eine Beschilderung sowie Markierungen auf der Fahrbahn, die auf den Radverkehr hinweisen. Die Kosten dafür schätzt das Planungsbüro auf rund 113.000 bzw. 120.000 Euro. Der Gemeinderat sollte das Planungsbüro VAR+ am Dienstagabend mit der Detailplanung beauftragen. Aber dazu kam es nicht.

Der Radverkehr wird automatisch zunehmen, auch weil die Älteren jetzt E-Bikes haben

Dr. Mechthild Freist-Dorr

Nicht zum ersten Mal versuchte Uwe Petry vom Planungsbüro, den Gemeinderat leidenschaftlich vom Fahrrad als dem Verkehrsmittel der Zukunft zu überzeugen. Und ebenfalls nicht zum ersten Mal gerieten Räte und Planer etwas aneinander. Die einen sahen es wie Petry und meinten, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel zu lange vernachlässigt wurde und man sich deshalb für die Zukunft sämtliche Optionen offenhalten sollte. So etwa Dr. Mechthild Freist-Dorr (Grüne): „Der Radverkehr wird automatisch zunehmen, auch weil die Älteren jetzt E-Bikes haben.“ Vor einigen Jahren habe man noch über die Notwendigkeit von Ganztagesbetreuung diskutiert. „Darüber kann man jetzt nur noch lachen.“ Sollte man in zehn Jahren merken, dass es nicht funktioniert, sei die Farbe auf der Fahrbahn bereits verblasst.

Übertrieben, überzogen und zu teuer

Andere Räte fanden Teile des Konzepts übertrieben und überzogen. Etwa Christoph Müller (FWV): „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber gefühlt ist jetzt jede Straße mit einer Maßnahme belegt.“ Ein besonderer Dorn im Auge war ihm der im Konzept enthaltene Radweg von Söhnstetten nach Gnannenweiler für voraussichtlich 2,4 Millionen Euro. „Da muss ich mich als Gemeinderat von vornherein dagegen wehren.“ Er sei dafür, an neuralgischen Punkten etwas zu machen, aber: „Dem Gesamtkonzept zuzustimmen, fällt mir schwer.“ Petry entgegnete: „Das Konzept ist eine Orientierungsschnur und es wird nicht jede Maßnahme umgesetzt.“ So müsse man nicht in fünf Jahren ein neues Konzept erstellen und letztlich gehe es um Fördermittel, die man ohne Konzept nicht werde abrufen können. Die Maßnahmen könnten Stück für Stück diskutiert werden.

Auch Walter Kraft (FWV) störte sich an den Kosten. „Ich will auf meine alten Tage dem Gemeinderat nicht aufbürden, in den nächsten 15 Jahren 5,8 Millionen Euro auszugeben.“ Es gebe andere wichtige Dinge, die gemacht werden müssten. „Ich werde nicht zustimmen.“ 120.000 Euro für Markierungen zur Ausweisung einer Fahrradstraße, ohne dass etwas gebaut werde, das tue ihm im Herzen weh. Freist-Dorr relativierte die Ausgaben: „Wenn man überlegt, wie viel wir schon für den Straßenbau ausgegeben haben und noch ausgeben werden.“

Hauptstraße für Radfahrer sperren?

Thorsten Schulze (CDU) brachte die Möglichkeit ins Spiel, die Hauptstraße für Radfahrer einfach zu sperren. „Sie sehen alles durch die Brille der Radfahrer, aber es gibt auch noch die Autofahrer.“ Gegen diesen Vorwurf verwahrte sich Petry. Mit den beiden Fahrradstraßen sollen ja gerade die Autofahrer auf der Hauptstraße von Radlern entlastet werden. „Wir wollen einen Bypass herstellen.“ Die Hauptstraße für Radfahrer zu sperren, entbehre jeder Lebensrealität. „Mit dem Fahrrad soll niemand mehr den Metzger, das Hotel und den Blumenladen erreichen? Das würde man Ihnen sofort wegklagen.“

Gottfried Braun (FWV) missfiel das Gebaren von Petry. Und nicht nur das: „In der Hirsch- und Albuchstraße gilt Tempo 30. Ich sehe dort keine großen Probleme zwischen Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern.“ Man solle die Kirche im Dorf lassen. „Sie sind ein Fundamentalist und das ist alles völlig übertrieben.“ Petry solle sich etwas mäßigen. „Vielleicht denken Sie, Sie kommen in ein Dorf und alle Gemeinderäte sind hier blöd, aber Sie sind nicht unser Lehrer und wir sind nicht Ihre Schüler.“

...wir müssen jetzt daran denken, wie die Straßen in zehn oder 20 Jahren genutzt werden.

Bürgermeister Holger Weise

Bürgermeister Holger Weise versuchte mehrfach, zu schlichten. „Es ist Fakt, dass das Auto hier im ländlichen Raum einen hohen Stellenwert hat. Aber wir müssen jetzt daran denken, wie die Straßen in zehn oder 20 Jahren genutzt werden.“ Dazu zähle, Belange von Radfahrern und Fußgängern mitzubeachten. Weise betonte, dass es für ein Konzept wichtig wäre, alle Nutzergruppen – also Auto- und Radfahrer sowie Fußgänger – einzubeziehen. Nun könne man Stück für Stück umsetzen, was als sinnvoll erachtet werde. Durchschlagenden Erfolg hatte er damit nicht.

Am Ende des Tagesordnungspunkts und unter dem Strich stand, dass der Gemeinderat das vorgestellte Radverkehrskonzept zur Kenntnis nimmt und über die Ausweisung der Albuch-, der Hirsch- und Hegelstraße zu Fahrradstraßen erneut im UBV-Ausschuss diskutiert wird. Wie tief die Gräben sind, zeigte die Abstimmung darüber, ob das erarbeitete Konzept als Grundlage für die weitere Förderung des Radverkehrs herangezogen werden sollte. Neun Räte stimmten mit Ja, sechs mit Nein und vier enthielten sich.

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