Streuobstwiesen

Regen, Trockenheit, Unwetter: Warum die Obsternte 2023 im Landkreis Heidenheim schlecht ausfällt

Sie prägen nach wie vor die Landschaft im Landkreis Heidenheim: die Streuobstwiesen. In einer kleinen HZ-Reihe begleiten wir dieses besondere Kulturgut durchs Jahr und erklären, wie sich die Natur dort verändert, wie die Wiesen gepflegt werden und wie sie erhalten werden können. Teil 3: die Ernte auf der Streuobstwiese.

Regen, Trockenheit, Unwetter: Warum die Obsternte 2023 im Landkreis Heidenheim schlecht ausfällt

Zugegeben: Die Erntehelfer, die an diesem kühlen, aber sonnigen Oktober-Morgen auf dem Söhnstetter Kutschenberg im Einsatz sind, sind nicht die üblichen: Allesamt sind nämlich nicht älter als elf Jahre. Sie besuchen die Klassen eins bis vier der örtlichen Seebergschule. Seit 15 Jahren helfen die Kinder der Schule einmal im Jahr bei der Ernte auf der großen Streuobstwiese und dürfen zwei Tage danach aus dem selbst gesammelten Obst ihren eigenen Saft pressen.

Lektion für Söhnstetter Kinder: ein Apfel muss nicht perfekt aussehen

Für Heide Söll vom Söhnstetter Obst- und Gartenbauverein ist das quasi eine Win-Win-Situation: Die Ernte geht schneller von der Hand und die Kinder lernen dabei noch einiges - beispielsweise, dass Obst nicht einfach so von alleine im heimischen Obstkorb landet, dass Äpfel nicht perfekt aussehen müssen, um zu schmecken und dass es sich lohnt, sich für den Erhalt der bei uns heimischen Streuobstwiesen einzusetzen. Nun ist die letztgenannte Lektion eine, die auch viele Erwachsene lernen könnten, denn die Streuobstwiesen als Kulturgut sind auch bei uns mittlerweile bedroht.

Das Problem ist dabei nicht nur der Klimawandel, sondern vor allem auch die Tatsache, dass sich kaum noch jemand um sie kümmern möchte. Ein Paradox: Kommunen lassen haufenweise neue Streuobstwiesen als Ausgleichsmaßnahmen für neu bebaute Gebiete anlegen, die teils Jahrzehnte oder Jahrhunderte alten bestehenden Streuobstbestände sterben aber, weil sich kaum noch jemand richtig mit ihnen beschäftigt.

Heide Söll vom Söhnstetter Obst- und Gartenbauverein. Rudi Penk

Die Wiese auf dem Kutschenberg aber gibt es noch - vor allem Dank der Helferinnen und Helfer des OGV. Doch eine ausreichende Pflege bewahrt auch diese Bäume nicht vor ungünstigen Witterungsbedingungen und dem Klimawandel: "Die Ernte in diesem Jahr fällt sehr schlecht aus", sagt Heide Söll. "Wir haben nur etwa 20 Prozent des Ertrags aus guten Jahren." Woran lag's 2023? Rainer Prechtel vom OGV Hürben und Experte für die Streuobstwiesen im Landkreis erklärt: "Das Problem ist zum einen generell der Klimawandel. Die Vegetationsperiode beginnt mittlerweile etwa eineinhalb bis zwei Wochen früher."

Soll heißen: Die Bäume beginnen früher zu blühen, allerdings gibt es zu diesem Zeitpunkt noch kaum Bienen für die Bestäubung. Was es aber noch gibt in diesem frühen Frühjahr, sind Nachtfröste. Und die können für die jungen Blüten gefährlich werden. "Zudem hatten wir in diesem Sommer zwei Wochen lang sehr viel Regen", so Prechtel weiter. Danach folgte wieder große Trockenheit. Alles in allem war es erneut nicht ideal für die Streuobstbäume. Vor allem nicht im unteren Brenztal: Hier fällt die Ernte wegen schwerer Gewitter mit Hagel in diesem Jahr fast vollständig aus.

Was den Unwettern nicht zum Opfer fiel, litt unter Sonnenbrand und Wespen, die in diesem Jahr enorm viele Äpfel und Birnen angestochen haben. Durch die Schäden in Schale und Fruchtfleisch dringen Krankheitserreger und weitere Schädlinge in die Frucht ein. Bis zur eigentlichen Ernte schaffen sie es nicht mehr.

Zwölf Euro für 100 Kilogramm Streuobst

Ein großer Apfelbaum wie er auf der Streuobstwiese in Söhnstetten steht, kann laut Heide Söll normalerweise bis zu 500 Kilogramm Obst liefern. Das klingt nach viel, und ist rein mengenmäßig natürlich auch viel. Doch rein wirtschaftlich betrachtet lohnt sich der Ernteaufwand kaum: Bringt man das Streuobst zu einem professionellen Unternehmen, um daraus Saft machen zu lassen, bekommt man laut Söll zwölf Euro pro 100 Kilogramm. Am Ende ergibt das rund 60 Liter Saft. "Gemessen daran, wieviel Zeit und Arbeit drin steckt und wie oft man sich dafür bücken muss, ist das nicht viel", sagt die OGVlerin. "Deshalb werden diejenigen, die sich um die Bestände kümmern, auch immer weniger."

Beim Pressen in der Seebergschule stellten die Kinder ihren eigenen Apfelsaft her.

Mitunter ist das wohl auch das besonders Schöne an der Kooperation des Söhnstetter OGV mit der Seebergschule: Für die Kinder lohnt sich der Aufwand in jedem Fall, auch wenn in diesem Jahr deutlich weniger Äpfel und Birnen von den teils mehr als 100 Jahre alten Bäumen gesammelt werden konnte, als sonst. Der Saft, den sie am Freitag auf dem Schulgelände gewonnen haben, ist nämlich zu 100 Prozent "ihr eigener": selbst gesammelt, selbst gepresst und von der heimischen Streuobstwiese direkt vor der Haustür.