Quasi kurz vor knapp kam im Mai 2023 die erlösende Nachricht: Für die traditionsreiche Hirschbrauerei in Söhnstetten waren doch noch Käufer gefunden worden, nachdem der bisherige Inhaber Klaus-Dieter Schmitt den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und trotz monatelanger Bemühungen zunächst keinen Nachfolger gefunden hatte. Wolfgang Wilhelm Reich und Georg Engels, beides nicht unbekannte Unternehmer aus dem Kreis Heidenheim, übernahmen die Brauerei samt Fest- und Lieferservice zum 1. Juni 2023. Der Betrieb konnte unter dem Dach des Unternehmens Hirsch-Bräu Eventservice & Zeltverleih GmbH weitergehen.
Nun die Hiobsbotschaft: Gerade diese GmbH tauchte jüngst in den Insolvenzbekanntmachungen auf. Georg Engels, der selbst als Geschäftsführer in Söhnstetten fungiert, hat den Antrag beim Amtsgericht Aalen gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Ulmer Wirtschaftsjurist Tobias Sorg bestellt. Was bedeutet das für die Zukunft der Brauerei, gerade einmal ein Jahr nach der Rettung in letzter Minute?
Genau kann das derzeit wohl noch niemand sagen – auch nicht Tobias Sorg: Aufgrund der erst kurzen Zeit seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne er derzeit noch keine belastbaren Aussagen treffen. Betraut ist er allerdings mit einem Sachverständigengutachten über maßgebliche Insolvenzgründe und über die Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens. „Sowohl mit dem Geschäftsführer und den Mitarbeitern als auch mit den Kunden und Lieferanten des Unternehmens sind wir in engem Austausch, um Fortführungschancen zu eruieren“, so Sorg.
Wie konnte es so weit kommen?
Auch zu den Gründen für die finanzielle Schieflage habe sich der vorläufige Insolvenzverwalter noch kein abschließendes Bild machen können. „Derzeit werten wir die uns zur Verfügung gestellten Unterlagen aus“, erklärt Sorg. Auf den ersten Blick sei jedoch zu erkennen, dass das Unternehmen seit der Übernahme der Brauerei im vergangenen Jahr mit einem rückläufigen Umsatz zu kämpfen habe. „Hinzu kommen Probleme aufgrund Personalmangels, insbesondere im Bereich Logistik sowie ungeplante Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund des Alters der Betriebs- und Geschäftsausstattung.“
Was bedeutet das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Für die 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Insolvenz nicht einmal ein Jahr nach der Übernahme eine weitere Hiobsbotschaft. Im vergangenen Jahr hatten alle bereits ihre Kündigung bekommen, bevor die Rettung in letzter Minute kam. Nun sind ihre Arbeitsplätze erneut unsicher. Ihre Löhne sind laut Tobias Sorg zunächst bis einschließlich Juli über das Insolvenzgeld sichergestellt. Der Betrieb laufe derzeit vollumfänglich weiter.
Engels und Reich geben Gemeinderäten eine Mitschuld
Investor Wolfgang Wilhelm Reich und Geschäftsführer Georg Engels schieben nun einen Teil der Schuld auf den Steinheimer Gemeinderat. Der hatte am Dienstag vergangener Woche mehrheitlich sein Einvernehmen für einen Bauantrag der Hirschbrauerei verweigert. Der Grund: Die Anlagen, um die es ging, waren schon längst gebaut worden.
Geschäftsführer Georg Engels erklärt: Die Flaschenwaschmaschine und weitere Maschinen hätten kaum noch funktioniert. Im „Hau-Ruck-Verfahren“ habe man deshalb eine neue Maschine erworben und dazu einen Anbau ans bestehende Gebäude realisiert. Parallel hierzu habe man vom Architekten einen Bauantrag bei der Gemeinde eingereicht. Hätte man auf eine Genehmigung gewartet, so Engels weiter, hätte der Betrieb der Brauerei zeitweise eingestellt werden müssen. Er spricht von Genehmigungsverfahren in Deutschland von circa einem Jahr.
Gemeinderat entscheidet nicht über die Genehmigung
Allerdings werden Bauanträge mittlerweile gar nicht mehr bei der Gemeinde, sondern zuerst beim Landratsamt in Heidenheim eingereicht. Bei der Gemeinde selbst gingen die Unterlagen laut Bauamtsleiter Sven Krauß erst vor wenigen Wochen ein. Und: Darüber, ob die Genehmigung nun doch noch erteilt wird, entscheidet gar nicht der Steinheimer Gemeinderat, sondern das Landratsamt. Zudem hat die Brauerei hier gute Chancen, weil rein baurechtlich nichts an den Erweiterungen auszusetzen ist.
Vor wenigen Wochen hat Wolfgang Reich eigenen Angaben zufolge die spanische Brauerei La Pepa in Jerez übernommen. Eine dortige hochmoderne Brauereianlage sei abgebaut und in der vergangenen Woche nach Heidenheim transportiert worden. Reich: „Da die Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder in Steinheim offensichtlich gegen Investitionen in die Hirschbrauerei Söhnstetten ist, die eingereichte Baugenehmigung wurde abgelehnt, werden wir nun erstmal von unseren Plänen Abstand nehmen, diese (…) Brauereianlage in Söhnstetten aufzubauen.“
Wenngleich Reich und Engels in ihren Stellungnahmen umfangreich gegen die Bürokratie und gegen den Steinheimer Gemeinderat austeilen, stellt Geschäftsführer Engels am Ende noch fest, dass die Brauerei auch mit stark gestiegenen Preisen in allen Bereichen, insbesondere bei Gas, Strom und Rohstoffen, zu kämpfen gehabt hätte. „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass nach einer erfolgreichen Restrukturierung die Hirschbrauerei Söhnstetten fortgeführt werden kann und das beliebte Söhnstetter Hirsch-Bier der Region erhalten bleibt. Ob uns dies gelingt, hängt von vielen Parametern ab“, so Engels.
Brauerei unter Reich und Engels: Reibereien mit der Stadt Heidenheim
Seit der Übernahme der Hirschbrauerei durch Reich und Engels verlief auch andernorts nicht alles ohne Reibereien: Im vergangenen Sommer legten sich beide mit der Heidenheimer Stadtverwaltung an, weil sie ohne Genehmigung aus einem Ausschankwagen in einer Seitenstraße der Fußgängerzone heraus ihr Söhnstetter Bier verkauft hatten. Brauerei-Geschäftsführer Engels musste deshalb eine Geldbuße zahlen.