Meteoriteneinschlag vor 14 Millionen Jahren

Steinheimer Becken: Ist die große Frage der Krater-Entstehung geklärt?

Die ursprüngliche Theorie, dass das Steinheimer Becken und das Nördlinger Ries vor 14 bis 15 Millionen Jahren durch dasselbe Einschlagsereignis entstanden sind, ist in der Wissenschaft mittlerweile kaum mehr haltbar. Dazu beigetragen hat der Kraterforscher Dr. Elmar Buchner. Er und sein Team haben nun nochmals deutliche Hinweise auf die Theorie der getrennten Einschläge gefunden.

Sieben Jahre ist er nun her, der Sensationsfund im Steinheimer Becken: In einem im Museum ausgestellten Gesteinsfundstück wurde damals eher zufällig ein kleiner Splitter entdeckt, gerade einmal zwei Zentimeter lang und einen Zentimeter breit. Doch so klein der Splitter war, so groß war seine Bedeutung für die Wissenschaft: Es war ein Teil des Meteoriten, der vor etwa 14 Millionen Jahren den Steinheimer Krater geschaffen hatte.

Ein Ereignis oder zwei Ereignisse?

Schon damals sah sich der Wissenschaftler Dr. Elmar Buchner, der sich der Erforschung des Kraters verschrieben hat und in Steinheim als Museumsbeirat fungiert, in seiner Annahme bestätigt: Das Nördlinger Ries und das Steinheimer Becken sind nicht, wie zuvor lange Zeit angenommen, durch ein und denselben, auseinandergebrochenen Meteoriten entstanden, sondern durch zwei separate Himmelskörper. Der Beweis: Der im Museum gefundene Splitter stammte von einem Eisen-Meteoriten. Das Nördlinger Ries aber entstand wohl durch einen Gesteinsmeteoriten. Buchner hielt es damals nicht für unmöglich, dass ein Trabant des Ries-Meteoriten zeitgleich das Steinheimer Becken geschaffen hatte. Doch auch die Möglichkeit, dass die beiden Ereignisse zeitlich voneinander getrennt waren, bestand. Mittlerweile ist das die deutlich wahrscheinlichere Theorie.

Nur zwei Zentimeter klein, aber von großer Bedeutung: Der Meteoriten-Splitter, der 2017 von einem Mitarbeiter des Meteorkrater-Museums in Sontheim/Stubental eher zufällig entdeckt wurde. Foto: Archiv/Sabrina Balzer

Jüngst hat Dr. Elmar Buchner von der Hochschule Neu-Ulm gemeinsam mit seinen Kollegen Martin Schmieder, Volker Sach und Günter Schweigert dazu einen weiteren wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlicht. Für den Laien ist der freilich nicht so einfach zu verstehen, im Gespräch fasst Buchner aber die Erkenntnisse der vergangenen Jahre zusammen: „Wir müssen uns in der Wissenschaft ständig selbst korrigieren und die Theorie eines zeitgleichen Ereignisses ist mittlerweile unwahrscheinlich geworden.“ Warum, erklärt er so: Der Einschlag des Ries-Meteoriten vor 15 Millionen Jahren habe ein so enorm starkes Erdbeben ausgelöst, dass davon noch heute Spuren in einem Hunderte Kilometer weiten Umkreis zu finden sind. „Natürlich gibt es diese Spuren seit dem Einschlag, wir hatten aber bislang nicht die richtige Technik, um diese speziellen erdbebenbedingten Veränderungen in den Sedimenten nachzuweisen.“ Das hat sich nun geändert: Sogar noch in der Schweiz konnten solche Veränderungen durch das Erdbeben nachgewiesen werden. „Darauf zu finden ist eine Lage aus Gesteinsbruchstücken, die beim Aufprall im Ries ausgeworfen und bis dorthin geschleudert wurden“, erklärt Buchner.

In einem zweiten Schritt aber stellten die Wissenschaftler fest, dass auf dieser durch das Ries-Erdbeben entstandenen „Seismitlage“ noch einmal eine ganz ähnliche zweite Seismitlage folgt. „Man fragt sich: Wie kann das sein?“, so Buchner. Eigentlich gebe es nur eine schlüssige Erklärung: „Es muss zwei solcher seismischen Events nacheinander gegeben haben, die so ihre Spuren hinterlassen haben.“ Dies spreche für zwei unabhängige, zeitlich nacheinander erfolgte Meteoriteneinschläge im heutigen Süddeutschland.

Keine Spuren aus dem Ries im Steinheimer Krater

Die aktuelle wissenschaftliche Arbeit Buchners beschäftigt sich mit einem weiteren, sehr deutlichen Hinweis: Aufgrund der geografischen Nähe sind Spuren des Ries-Einschlags in Form einer Decke aus Auswurfmassen natürlich auch nahe dem Steinheimer Becken zu finden – aber eben nur nahe dem Krater und nicht im Krater selbst. Und genau diese Tatsache liefert laut Buchner den stärksten Hinweis darauf, dass der Ries-Meteorit vor dem Steinheimer Meteoriten auf der Erde eingeschlagen sein muss. Die bis dahin in Steinheim befindlichen Spuren des Ries-Einschlags wurden etwa 500.000 bis eine Million Jahre später von einem weiteren Ereignis zerstört: vom Einschlag des Steinheimer Meteoriten. „Es haben in der Vergangenheit etliche Bohrungen im Steinheimer Becken stattgefunden“, versichert Buchner. „Wir haben dort aber nirgends Spuren der Ries-Auswurfmassen gefunden.“ Buchner und seine Kollegen haben nun den Eindruck, dass sie viele, die bislang an eine zeitgleiche Entstehung der beiden Krater geglaubt haben, nun von zwei getrennten Einschlägen überzeugen konnten.

Dennoch stellt sich der Laiin oder dem Laien die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass gleich zwei Meteoriten nur wenige Kilometer voneinander entfernt auf der Erde einschlagen? „Das klingt im ersten Moment statistisch gesehen unwahrscheinlich, wenn man nur die etwas mehr als 200 bekannten, mehr oder weniger gut erhaltenen Meteoritenkrater betrachtet, die es auf der Erde gibt“, erklärt Buchner. Doch in Wirklichkeit geht man davon aus, dass es Tausende solcher Einschläge auf der Erde gegeben haben muss, lediglich die Krater sind heute unsichtbar unter Sedimenten verborgen oder durch Erosion abgetragen. Tatsächlich konnte die Wissenschaft mittlerweile bei nahezu allen erhaltenen Kratern auf der Welt, die ähnlich nahe oder sogar noch näher beieinander liegen wie das Steinheimer Becken und das Nördlinger Ries, nachweisen, dass es sich nicht um zeitgleiche Einschläge gehandelt haben kann. „Es gibt nur noch ein bekanntes Kraterpaar in Schweden, das abschließend untersucht werden muss, und auch bei dem ist es möglich, dass die Theorie des zeitgleichen Einschlags widerlegt werden wird“, so Buchner.

Ich weiß, dass vieles von dem, was wir in der Wissenschaft herausfinden, quasi am nächsten Tag auch schon wieder überholt sein kann.

Dr. Elmar Buchner
Hochschule Neu-Ulm

Mit den Untersuchungen und Ergebnissen der vergangenen Jahre scheint eine der größten Fragen rund um die Entstehung des Steinheimer Meteorkraters nun abschließend beantwortet zu sein. Oder? „Es mag Kollegen geben, die das anders sehen, aber ich weiß, dass vieles von dem, was wir in der Wissenschaft herausfinden, quasi am nächsten Tag auch schon wieder überholt sein kann.“ Und ohnehin gibt es schon wieder ganz neue Fragen, die sich anschließen. Eine findet Buchner dabei besonders spannend: „Wir hatten hier zwei Einschläge auf einem kleinen Gebiet und diese sind sehr gut erhalten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es nicht vielleicht noch einen dritten oder einen vierten Krater im Umkreis geben könnte.“ Nur weil sie nicht auf den ersten Blick zu sehen sind, heißt das nicht, dass sie nicht da sind. „Es gibt geophysikalische Untersuchungen dazu, die gerade laufen“, sagt Buchner. Wie immer in der Wissenschaft bleibt es also spannend. „Und das ist ja auch das Schöne daran.“

Der Einschlag des Steinheimer Meteoriten

Die Wissenschaft nimmt heute also an, dass der Steinheimer Meteorit etwa 500.000 bis eine Million Jahre nach dem Nördlinger Meteoriten eingeschlagen haben könnte. Beim Aufprall des etwa 100 bis 150 Meter großen Meteoriten auf die Erde wurde eine Energie äquivalent zu 550 Megatonnen TNT freigesetzt. Es entstand ein im Durchmesser etwa vier Kilometer großer Krater. Dieses Steinheimer Becken ist namensgebend für einen Krater auf dem Planeten Mars, den „crater Steinheim“.

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