Interview

Steinheims Bürgermeister Holger Weise über die Wentalhalle, das Söhnstetter Ehrenamt und den Personalmangel im Rathaus

Die Aufgaben und Herausforderungen für die Gemeinden werden nicht weniger – im Gegenteil. Wie Steinheims Bürgermeister Holger Weise damit umgeht und ob er in zwei Jahren trotz allem noch einmal kandidieren will, erzählt er im Interview.

Zentrale Positionen im Steinheimer Rathaus sind derzeit unbesetzt. Dennoch müssen unter anderem ein Haushalt eingebracht und der Neubau der Wentalhalle geplant und betreut werden. Wie das funktioniert und warum das Ehrenamt in der Gemeinde so wichtig ist, das erklärt Bürgermeister Holger Weise im Gespräch mit der HZ.

Herr Weise, die Welt scheint ein wenig aus den Fugen geraten zu sein: Kriege, Trump, Koalitionsbruch. Ist denn wenigstens in Steinheim die Welt noch in Ordnung?

Ja, absolut.

Mit welchen Problemen kommen die Steinheimerinnen und Steinheimer denn zu Ihnen?

Nicht mit der Weltpolitik.

Davon ging ich jetzt aus.

Eher mit Angelegenheiten, von denen sie persönlich betroffen sind. Das sind meistens kleinere Dinge, die aber gar nicht so einfach zu lösen sind, wenn man als Bürgermeister oder Gemeinde darüber nicht entscheiden kann.

Geht es Ihnen oft so, dass Sie sagen müssen: „Ich kann Ihnen nicht helfen, ich bin da nicht zuständig“?

Ja. Es besteht oft der Eindruck, dass eine Gemeinde über alles entscheiden kann, was sie betrifft. Das ist aber leider nicht so. Vor allem bei Verkehrsangelegenheiten: Schilder, Tempo 30, Zebrastreifen. Das sind Themen, mit denen die Leute oft zu mir kommen.

Was alle Steinheimer betrifft, ist die Wentalhalle. Die Bauarbeiten haben endlich begonnen. Sind Sie erleichtert oder sind Sie das erst, wenn die Halle auch wirklich steht?

Natürlich erst, wenn sie steht. Wobei es für die Bevölkerung wichtig ist, zu sehen, dass es vorangeht. Das hat man ja beim Abbruch gemerkt: Wir wurden immer wieder gefragt, warum wir nicht endlich abreißen. Ich hingegen wusste, dass wir genügend Zeit haben würden und dass das die Planungen für den Neubau nicht behindern würde. Aber für alle, die nicht bei den Besprechungen dabei sind, ist es wichtig zu sehen, dass etwas passiert.

Im Sommer kam die Hiobsbotschaft von der Versicherung, dass nicht so viel übernommen wird wie gewünscht, erhofft oder erwartet: Fünf Millionen standen im Raum, die an der Gemeinde selbst hängen bleiben könnten. Hat sich daran etwas geändert?

Wir sind ja alle Versicherungsnehmer und dass eine Versicherung nicht direkt klein beigibt, ist klar. Darüber müssen wir alle als Beitragszahler zunächst einmal froh sein. Gleichwohl stellt man sich unter einer Neuwertversicherung natürlich vor, dass man alles ersetzt bekommt. Nun hatten wir seit dem Brand auch eine Inflation, vor allem die Baukosten sind seit Anfang 2022 gestiegen. Dass sich die Berechnung auf 2022 bezieht, dagegen können wir nichts tun. Die Inflationskosten müssen wir tragen. Was die anderen Kosten anbelangt, da gibt es ein Gutachten der Versicherung als Basis und wir sind dabei, gewisse Dinge zu widerlegen.

Ist denn absehbar, wann es Ergebnisse geben wird?

Ich denke, das wird sich noch ziehen. Es beeinflusst aber den Bau der Halle nicht.

Alle warten auf die neue Wentalhalle, niemand aber braucht sie so dringend wie die Sportler des TV Steinheim. Wie kann die Gemeinde unterstützen, um den Trainings- und Spielbetrieb aufrechtzuerhalten?

Das ist genau die Frage: Was können wir überhaupt tun? Wir haben noch zwei Hallen, die voll ausgelastet sind. Die Söhnstetter Seeberghalle wird tagsüber von der Hillerschule in Beschlag genommen. Das funktioniert an sich gut, bedeutet aber auch einen zeitlichen und finanziellen Aufwand, weil die Schüler mit dem Bus hingebracht werden müssen. Was die Vereine anbelangt, bin ich unseren Nachbarkommunen sehr dankbar, vor allem Gerstetten. Sie geben uns nach wie vor Hallenkapazitäten und Werner Kieser vom TV übernimmt die Einteilung.

Aber reicht das aus? Gerade in den Ferienzeiten?

Wenn es die eigenen Vereine betrifft, ist man auch in den Ferienzeiten flexibler. Das ist bei uns nicht anders. Auch wir haben zum Beispiel Reinigungsintervalle im Sommer, aber wenn es die eigenen Hausmeister sind, dann kann ein Verein auch mal zwei Wochen früher in die Halle. Aber ich bin wirklich sehr froh, dass uns gerade Gerstetten mit der Georg-Fink-Halle sehr entgegenkommt und sich zum Beispiel mit dem, was sie berechnet, an der Gemeinde Steinheim orientiert.

Dann schauen wir mal in einen der Teilorte: Die Söhnstetter hatten sich am Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ beteiligt, kamen aber leider nicht in die nächste Runde.

Das eine ist der Wettbewerb, das andere ist das, was vor Ort weiterläuft.

Das Ausscheiden war also gar nicht schlimm?

Es hat der Motivation schon einen kleinen Dämpfer verpasst. Die nächsten Termine für die Arbeitsgruppen stehen allerdings bereits fest. Das geht weiter.

In einer abschließenden Bewertung der Jury wurde insbesondere das ehrenamtliche Engagement in Söhnstetten gelobt.

Das Ehrenamt ist der große Vorteil auf dem Land.

Es gab neben Lob auch ein wenig Kritik und Vorschläge zur Verbesserung. Da ist jetzt aber nichts dabei, was Sie sonderlich überrascht hätte, oder?

Nein, nicht wirklich. Es gibt schon viele Ideen in und für Söhnstetten, aber vieles hängt eben auch von Grundstückseigentümern ab. Leider haben wir in Söhnstetten viele ältere Gebäude, die leer stehen, aber wenn die Eigentümer nicht an Verkauf denken, dann können wir daran nichts ändern. Was mich bei der Bewertung etwas geärgert hat, war das bemängelte „fehlende Grün“. Das haben wir in Söhnstetten doch zu Genüge: große Gärten, einen herrlichen Platz auf dem Kirchberg.

Naturschutzgebiete.

Genau, Naturschutzgebiete noch und nöcher. Also Grün ist nicht unbedingt das, was fehlt.

Sondern? Was fehlt?

Betreutes Wohnen, barrierefreies Wohnen, Tagespflege, ein Bankautomat. Und ein Lebensmittelladen, ganz klar.

Daran könnte sich ja bald etwas ändern. Mit dem Projekt Dorfladen geht es voran?

Es sieht sehr gut aus, ja. Nachdem sich die erste Person bereit erklärt hat, Verantwortung zu übernehmen, kamen noch weitere hinzu. Ich finde es richtig toll, dass wir da auch vom Alter her eine tolle Mischung haben. Und auch was das Kapital anbelangt, sind wir auf einem guten Weg. Ich bin denen, die sich da ehrenamtlich so stark engagieren, wahnsinnig dankbar. Wie ich schon sagte: Das Ehrenamt ist die große Stärke auf dem Land, und wenn man diese Karte ausspielt, dann wird’s auch was.

Die Ortsdurchfahrt in Steinheim ist, je nach Tageszeit, nicht immer ganz ungefährlich – gerade für Fußgänger und Radfahrer. Sie hatten es vorhin gesagt: Die Gemeinde kann nicht von sich aus Geschwindigkeitsbegrenzungen bestimmen.

Nun ja, es gibt Vorschriften und wenn wir eine Rechtsgrundlage für eine Beschränkung haben, dann bekommen wir sie auch. Unser Ansatz ist der Lärmaktionsplan, der aktuell noch an die neue Rechtslage angepasst wird, und wir hoffen, dass wir dieses Jahr noch einen Antrag stellen können.

Auf Tempo 30 auf der kompletten Ortsdurchfahrt?

Genau. Das war der Wunsch des Gemeinderats, und wir versuchen, das umzusetzen.

Um Dinge umzusetzen, braucht es Personal. Im Rathaus gab es in der Vergangenheit eine hohe Fluktuation: Allein in diesem Jahr ging unter anderem ein wichtiger Mitarbeiter im Bauamt nach Sontheim, der Ortsbaumeister nach Dischingen und auch die Stelle des Kämmerers ist wieder unbesetzt.

Die Ortsbaumeister-Stelle wird im neuen Jahr wieder besetzt sein.

Markus Speier ging im Frühjahr. Das hat dann recht lange gedauert, oder nicht?

(überlegt) Wir wollten den Richtigen.

Und der war schwer zu finden?

Zumindest muss der- oder diejenige zu uns und unseren Aufgaben passen.

Und so lange muss der Bauamtsleiter Sven Krauß mit seinem Team das alles noch wuppen?

Ja, wobei wir das große Glück haben, einen sehr guten stellvertretenden Bauhofleiter zu haben, der uns beim Tiefbau aushilft. Er ist zwei Tage in der Woche im Rathaus.

Und die Kämmerei?

Da haben wir ein ganz tolles Team, das es seit fast einem Jahr schafft, die Aufgaben ohne Führung zu bewältigen.

Das ist aber nicht die Situation, die man sich wünscht.

Nein, natürlich nicht. Den Haushalt stelle ich derzeit auf. Aber ich bin optimistisch, dass wir jemanden finden werden.

Warum gehen die Mitarbeiter denn alle?

Was heißt denn da „alle“? Eine Gemeinde hat sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das ist mir klar. Aber bei den Führungspositionen fällt es schon auf.

Frau Wöhrle, es gibt unterschiedliche Gründe. Ich bin auch nicht immer auf der gleichen Stelle geblieben. Wenn man die Chance hat, sich weiterzuentwickeln, dann kann man sie nutzen. Und wenn man denkt, anderswo sei es besser, dann kann man wechseln. Ganz generell steuert der öffentliche Dienst auf ein Problem zu: In Stuttgart zum Beispiel fehlen aktuell 2300 Mitarbeiter in der Verwaltung. Gemessen daran geht es uns in Ostwürttemberg sogar noch gut, aber auch wir merken die geringer werdenden Bewerberzahlen.

Auf Ihr Hauptamt wird absehbar eine Bundestagswahl zukommen.

Die Vorbereitungen laufen da schon. Es ist eine Herausforderung, aber dem stellen wir uns, und das schaffen wir auch. Worüber ich mir eher Sorgen mache, sind die Dienstleister: Der Briefwahl-Zeitraum ist kürzer. Und das kann mit den heutigen Brief-Laufzeiten ein Problem darstellen. Da überlegen wir uns derzeit, ob wir die Unterlagen von Mitarbeitern austragen lassen. Das ist eine Entwicklung, für die wir nichts können.

Aber Sie dürfen sie im Zweifel wieder ausbaden.

So ist es.

Apropos Wahl: Vor fast zwei Jahren hatte ich Ihnen zuletzt die Frage gestellt, ob Sie für eine zweite Amtszeit kandidieren wollen. Das hatten Sie sehr deutlich bejaht. Gilt diese Antwort auch heute noch?

Klar.

Mit der gleichen Überzeugung?

Ja.

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